Der Ministerrat hat am Mittwoch das neue Islamgesetz beschlossen. Die Diskussion über die Änderungen erhitzen die Gemüter in der muslimischen Bevölkerung. Vor allem junge Muslime befürchten zu Bürgern zweiter Klasse degradiert zu werden. Doch es gibt auch Rückhalt für das neue Gesetz.
In Österreich leben mehr als eine halbe Million Muslime. Rund die Hälfte davon besitzt auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Junge Muslime und vor allem junge Musliminnen fühlen sich am besten in Österreich integriert. Das zeigt eine Studie, die vor zwei Jahren im Auftrag des Integrationsstaatssekretariats durchgeführt wurde. Neben Alter sind vor allem Bildungsstand, Beruf und Deutschkenntnisse ausschlaggebend dafür, wie gut die Eingliederung in die Gesellschaft funktioniert.
Islam hat viele Glaubensströmungen
Im Unterschied zum Rest der Bevölkerung ist Muslimen ihre Religion überdurchschnittlich wichtig. Neun von zehn essen kein Schweinefleisch und gut drei Viertel trinkt keinen Alkohol. Auch die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft hat einen hohen Stellenwert. Während in den Medien oft von den Muslimen als eine homogene Religionsgruppe gesprochen wird, trifft das aber nur bedingt zu. So unterteilt sich der Islam in mehrere Glaubensströmungen.
Schiiten und Sunniten, die zwei unterschiedlichen Glaubensrichtungen im Islam angehören, stehen sich in anderen Ländern wie Pakistan oder Jemen sogar als verbitterte Feinde gegenüber - in Österreich führen sie ein weitgehend friedliches Miteinander. So wie in den meisten Ländern auf der Welt, besteht auch in Österreich der Großteil der Muslime aus Sunniten.
Dass nicht viele Österreicher über die islamische Pluralität Bescheid wissen, ist nicht verwunderlich. Denn bis vor kurzem gab es in Österreich nur eine einzige gesetzliche Vertretung aller Muslime. Die "Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich" (IGGiÖ) hat die gesetzliche Aufgabe, die Interessen aller in Österreich lebender Muslime zu wahren. In den Medien galt sie stets als Stimme der österreichischen Muslime. Gleichzeitig war sie lange Zeit der einzige Ansprechpartner für die Regierung. Einige islamische Glaubensgemeinschaften wie die Schiiten und Aleviten, fühlen sich jedoch durch die IGGiÖ nicht ausreichend vertreten. Mit der Zeit haben sich daher auch andere islamische Organisationen gebildet und sich um eine gesetzliche Anerkennung bemüht. Zunächst erfolglos, denn das aktuelle Islamgesetz aus dem Jahre 1912 erlaubte nur eine einzige Vertretung für alle Muslime. Die Glaubensgemeinschaft der Aleviten musste erst vor dem Verfassungsgericht klagen, ehe sie schließlich 2013 staatlich anerkannt wurde.
Mit dem neuen Islamgesetz, dass am 9. Dezember im Ministerrat beschlossen wird, soll sich das nun ändern und noch weitere islamische Religionsgemeinschaften anerkannt werden. Damit wird dem Pluralismus im Islam Rechnung getragen.
Brisante Änderungen in der Gesetzgebung
Doch die Novellierung des bisherigen Islamgesetzes beinhaltet auch brisante Änderungen, die vor allem bei der IGGiÖ auf vehemente Ablehnung stoßen. Denn nach dem Willen der zuständigen Minister Sebastian Kurz (ÖVP) und Josef Ostermayer (SPÖ), werden die islamischen religiösen Gelehrten, die Imame, zukünftig nicht mehr durch das Ausland, vornehmlich die Türkei, finanziert. Gleiches gilt für islamische Einrichtungen. Dadurch will man den ausländischen Einfluss auf die islamischen Glaubensgemeinschaften in Österreich einschränken. Aus Sicht der IGGiÖ verstößt diese Änderung gegen das Gleichheitsgesetz, da es für andere Glaubensrichtungen keine solche Auflage gibt. Auch Vertreter anderer Religionen sehen das Verbot kritisch.
Die IGGiÖ beklagt zudem die Tonalität des neuen Gesetzes und die Botschaften zwischen den Zeilen. Dass gleich an drei Stellen der Vorrang des Rechtsstaats vor dem religiösen Gesetz gefordert wird, empfinden viele Muslimen als einen Affront. Denn dieser Vorrang sei selbstverständlich und wird schon längst von den Muslimen in Österreich gelebt. So aber fühle man sich unter Generalverdacht gestellt. Die "Muslimische Jugend Österreich" hatte deshalb sogar Plakate mit dem Titel "Mit dem Islamgesetz bist du Bürger 2. Klasse" gedruckt.
Dieses Urteil empfindet wiederum die "Initiative Liberale Muslime Österreich" (ILMÖ) als unangebracht. Zwar gäbe es durchaus Verbesserungspotential, dennoch werden den Muslimen mit dem neuen Islamgesetz mehr Privilegien eingeräumt, als in irgendeinem anderen europäischen Staat, so ILMÖ-Präsident Amer Albayati. Der Vorwurf der Degradierung zu Bürgern zweiter Klasse sei daher maßlos überzogen. Auch die "Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich" (ALEVI) steht hinter dem neuen Islamgesetz und dem Verbot der Auslandsfinanzierung. Von der profitiere ohnehin nur die IGGiÖ, die, so die Annahme der ALEVI, durch das neue Gesetz vor allem ihre Monopolstellung gefährdet sieht.
Da die IGGiÖ aber nach wie vor der wichtigste Ansprechpartner der Regierung ist, kann ihre Kritik nicht ohne weiteres ignoriert werden. Kurz und Ostermayer haben zugestimmt, dass es eine Übergangsphase für Finanzierungen aus dem Ausland bis zum 31. Dezember 2015 geben wird. Langfristig will man aber an dem Verbot festhalten. Der präsentierte Entwurf soll Anfang 2015 im Nationalrat eingebracht werden. Kurz und Ostermayer gehen von einer Zustimmung der Muslime-Vertreter aus.
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