• Nach Bidens Sieg gab es im Iran Hoffnungen auf eine Annäherung an den Erzfeind USA.
  • Der Mordanschlag auf einen Atomphysiker könnte aber die Aussicht auf ruhigere Zeiten zunichte machen.
  • Die Hardliner in Teheran fordern Rache, Präsident Ruhani Diplomatie.
  • Nun geht es auch um Ruhanis Amtsnachfolger.

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Die Ermordung des Atomphysikers Mohsen Fachrisadeh auf offener Straße bei Teheran bringt den iranischen Präsidenten Hassan Ruhani in arge Bedrängnis.

Die gesamte politische Führung der Islamischen Republik sieht heimische Söldner der beiden Erzfeinde USA und Israel hinter dem Attentat. Ein inakzeptabler Vorfall, der nicht unbeantwortet bleiben darf, so die Reaktionen. Überall ist die Rede von Rache. Aber genau die will Ruhani verhindern. "Der arme Ruhani steckt schon wieder in einer Zwickmühle", kommentiert ein iranischer Journalist.

Ruhani: Anschlag ist Versuch, "Änderungen in der Weltpolitik zu verhindern"

Ruhani gibt sich abgeklärt. "Wir wussten doch schon im Vorfeld, dass die letzten Wochen für unsere Feinde eng werden könnten und sie daher alles unternehmen würden, um eventuelle Änderungen in der Weltpolitik zu verhindern", sagt er.

Mit den Feinden meinte er den US-Präsidenten Donald Trump und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu, mit den letzten Wochen die Zeit bis zum Abgang Trumps und zur Amtsübernahme Joe Bidens am 20. Januar 2021.

Denn für Trump steht seine ganze Nahost-Strategie auf dem Spiel, die eine Neuordnung der Region samt der Stärkung Israels und der Zurückdrängung des iranischen Einflusses vorsieht.

Nach seiner Wahlniederlage hatte Trump sich US-Medienberichten zufolge nach Optionen für ein militärisches Vorgehen gegen den Iran erkundigt. Teheran nahm die Berichte sehr ernst und interpretierte sie als Trumps Versuch, eine Annäherung einer Biden-Regierung an Ruhanis Team schon vorab zu blockieren.

Insbesondere wolle Trump - ganz im Interesse Netanjahus - eine Rückkehr Washingtons zum Wiener Atomabkommen von 2015 verhindern, aus dem der US-Präsident 2018 ausgestiegen war.

"Die Zionisten (Israel) haben teuflische Pläne und versuchen (mit dem Anschlag) nun für Unruhe zu sorgen, aber der Iran ist klug und wird nicht in diese Falle tappen", sagt Ruhani.

Der Tod des Kernphysikers werde zwar nicht unbestraft bleiben, "aber zu gegebener Zeit". Ruhani hat mehrmals angedeutet, dass er sich nicht nur eine Zusammenarbeit, sondern auch eine Einigung mit Biden durchaus vorstellen könne.

Ruhani wird es schwer haben

Die große Hoffnung Ruhanis und seiner Reformer ist, dass die USA unter Biden zum Atomdeal zurückkehren werden. "Das ist eine Gelegenheit, die wir nicht ungenutzt verstreichen lassen sollten" mahnt der Präsident.

Denn dann könnte sich der Iran aus der Zwinge der US-Sanktionen befreien und bekäme die Chance, die schwere Wirtschaftskrise zu überwinden. Dies sei im nationalen Interesse und dürfe nicht aus internen und parteipolitischen Erwägungen infrage gestellt werden, meint Ruhani.

Doch Ruhani wird es schwer haben, die Hardliner und insbesondere die mächtigen Revolutionsgarden (IRGC) von seine Vorstellungen zu überzeugen. Die fordern lautstark Rache für die Ermordung des Kernphysikers und ehemaligen IRGC-Offiziers Fachrisadeh.

Ihre Anhänger verbrannten am Samstag vor dem iranischen Außenministerium nicht nur amerikanische und israelische Flaggen, sondern auch Bilder von Trump und Biden.

Ungefähr 50 Studenten verurteilten dort neben dem Anschlag auch Ruhanis Haltung zu Biden; einige forderten sogar den Rücktritt von Außenminister Mohammed Dschawad Sarif, der wie Ruhani für Verhandlungen mit Biden eintritt.

Hardliner hoffen Präsidialamt zu erobern

Aber neben Rache haben die Hardliner auch längerfristige Ziele im Hinterkopf. Im Iran wird am 18. Juni ein neuer Präsident gewählt. Ruhani darf bei der Wahl nach zwei Amtszeiten nicht wieder antreten. Und wer sein Nachfolger wird, hängt auch von der künftigen US-Außenpolitik ab.

Mit der Verhängung drakonischer Sanktionen hatte Trump den ölreichen Iran in eine existenzielle Krise gestürzt. Viele Iraner machten aber nicht nur Trump, sondern auch Ruhanis Reformer für diese in der iranischen Geschichte einmalige Krise haftbar.

Trumps Politik des maximalen Drucks führte dazu, dass die Hardliner im Iran aus der politischen Versenkung der letzten sieben Jahre wieder auferstehen konnten. Die Wirtschaftskrise kam wie gerufen für ihre harte Kritik an Ruhanis Annäherung an den Westen und insbesondere an seinem Atomdeal mit den fünf UN-Vetomächten sowie Deutschland: Seht her, was die ganzen Kompromisse gebracht haben.

Auch die krisenbedingte Politikverdrossenheit und Demobilisierung im Reformlager spielte den Hardlinern in die Hände.

Wegen der niedrigen Wahlbeteiligung gewannen sie die Parlamentswahl im Februar. Nun hoffen sie, auch das Präsidialamt zu erobern. Böse Zungen behaupten sogar, dass sie deswegen Trump bei der US-Wahl die Daumen gedrückt hätten.

"Zwischen dem 20. Januar und dem 18. Juni wird es auf Bidens Politik ankommen, wie Irans politische Konstellation demnächst aussehen wird", prognostiziert ein Politologe in Teheran. (jwo/dpa)  © dpa

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