Der Hamburger Hafen ist im europäischen Vergleich unproduktiv und teuer, die Gewinne brechen ein. Ein Experte analysiert die Gründe für den Abwärtstrend und zeigt, wie man die Entwicklung aufhalten könnte.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Sven Weiss sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Als drittgrößter Hafen Europas ist Hamburg ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für ganz Deutschland. Doch die Umsätze gehen zurück, der Standort verliert gegen die internationale Konkurrenz zunehmend an Bedeutung.

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"Der Hamburger Hafen hat Probleme mit seiner Wettbewerbsfähigkeit. Der Grund dafür ist, dass die Kosten zu hoch sind und die Produktivität zu schlecht." So bringt es der Logistik-Experte Jan Ninnemann von der Hamburg School of Business Administration (HSBA) auf den Punkt.

Diesen Trend bestätigt auch die "Hamburger Hafen und Logistik AG" (HHLA). Die HHLA ist der größte Seehafenbetrieb Deutschlands und ist verantwortlich für drei der vier großen Terminals in Hamburg.

In einer Pressemitteilung spricht das Unternehmen von einer stark rückläufigen Mengenentwicklung. Demnach gingen die Umsatzerlöse im Konzern in den ersten sechs Monaten 2023 um 6,7 Prozent zurück, das Konzern-Betriebsergebnis (EBIT) reduzierte sich gar um 50,3 Prozent.

Hamburger Hafen nur noch zweite Liga?

Die HHLA nennt unter anderem den "anhaltenden Krieg in der Ukraine, geopolitische Spannungen, Inflation und steigende Zinsen" als Ursachen für die schlechten Zahlen. Allerdings haben auch andere Standorte mit diesen Faktoren zu kämpfen. In Hamburg kommen einige grundsätzliche Faktoren hinzu.

Dazu gehören für Jan Ninnemann vor allem die hohen Kosten. "Die Personalkosten in Hamburg sind sehr hoch", erklärt der Logistik-Professor. Grund dafür sei die stark ausgeprägte gewerkschaftliche Organisation. Die Tarifverträge seien sehr "freundlich gestaltet", so Ninnemann. Hinzu kommen diverse Zusatzvereinbarungen, die die Löhne weiter nach oben treiben.

Viele Vereinbarungen seien in der Boomzeit zwischen 2000 und 2006 getroffen worden, als der Containerumschlag jedes Jahr um 10 bis 14 Prozent gestiegen ist. "Damals konnte man Personal nur über monetäre Anreize gewinnen", so Ninnemann. Dieses hohe Lohnniveau wird nun zum Bumerang für Hamburg.

Denn der Hamburger Hafen ist vielen Reedereien schlichtweg zu teuer. Schließlich entfallen circa 80 Prozent der Kosten für ein Großcontainerschiff im Hamburger Hafen am Terminal.

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Niedrige Nettoarbeitszeit, zu wenig Automatisierung

Ein weiterer gewichtiger Negativpunkt ist laut Ninnemann die schlechte Produktivität. "Die Nettoarbeitszeit in Hamburg ist vergleichsweise niedrig", analysiert der Experte. Deshalb brauche man für die gleiche Arbeit mehr Personal.

Ninnemann verweist auf andere Häfen, die mit besseren Prozessstrukturen und höherer Digitalisierung punkten. "In Rotterdam zum Vergleich ist alles hochautomatisiert." Wenn Hamburg den Anschluss an die Spitze nicht verlieren will, müsste deshalb die Automatisierung gesteigert werden, so Ninnemann.

Und tatsächlich: Die Terminalbetreiber haben bereits reagiert. In einer Ad-Hoc-Mitteilung gab die HHLA bekannt, dass die "Mediterranean Shipping Company S.A." (MSC) – die größte Containerreederei der Welt – eine strategische Beteiligung von 49,9 Prozent erwerben wird. Hauptaktionär bleibt die Stadt Hamburg.

COSCO-Deal: Beteiligungen sind wichtig

Anteilsverkäufe werden seit der Diskussion um den Deal mit dem chinesischen Unternehmen "COSCO" oft kritisch gesehen. Jan Ninnemann sieht solche Beteiligungen jedoch als notwendig an, um die Finanzmittel für Modernisierungen aufzubringen. "Die Stadt bleibt in der Verantwortung", sagt Ninnemann. "Aber sie weiß, dass sie einen externen Partner braucht, der Geld mitbringt, um so das Thema Automatisierung zu stemmen. Ein Partner, der stabilere Ladungsvolumen sichert."

Deshalb sieht Ninnemann auch den COSCO-Deal positiv – zumindest aus wirtschaftlicher Sicht. Denn in den Wettbewerbshäfen Hamburgs würden alle großen Terminalprojekte in Kooperation mit großen Reedern realisiert, so der Experte. Diese brächten als Partner einerseits Knowhow und Finanzmittel ein, andererseits zeigten sie auch eine gewisse Bindung an den Standort. "Wer selber an einem Terminal investiert, ist eben auch willens, dieses auszulasten. In Krisenzeiten, wenn Ladung zurückgeht, waren immer die Häfen stabiler, die eine Reedereibeteiligung haben."

Konkurrenz aus In- und Ausland

In Hamburg kommt die Konkurrenz einerseits von nationalen Wettbewerbern wie Bremerhaven und Wilhelmshaven. Andererseits baut auch Polen den Standort Danzig intensiv aus. So entsteht ein weiterer Konkurrent in der sogenannten Nordrange – Rotterdam, Antwerpen, Hamburg, Bremerhaven.

Den Stimmen, die Hamburg deshalb als Auslaufmodell sehen, mag Jan Ninnemann jedoch nicht beipflichten. "Generell ist es wichtig, dass wir eine anforderungsgerechte Kapazität aufrechterhalten. Denn die deutschen Seehäfen haben eine nationale Bedeutung und spielen eine wichtige Rolle für die Ver- und Entsorgung des deutschen Hinterlandes."

Zur Person:

  • Jan Ninnemann ist Professor für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Studiengangsleiter BSc Logistics Management an der HSBA Hamburg School of Business Administration.

Verwendete Quellen:

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