Sie sind sich selten einig, doch wenn es um die Attacken von US-Vize-Präsident Vance geht, vereinen sich die Wahlkampf-Kontrahenten. Scholz, Merz und Habeck zeigten ihre Empörung auf der Münchner Sicherheitskonferenz deutlich.
Die Kanzlerkandidaten von SPD, Union und Grünen haben die Rückendeckung des US-Vizepräsidenten
Vereint in ihrer Empörung
Scholz: "Das gehört sich nicht"
"Deshalb werden wir es nicht akzeptieren, wenn Außenstehende zugunsten dieser Partei in unsere Demokratie, in unsere Wahlen, in die demokratische Meinungsbildung eingreifen", sagte der SPD-Kanzlerkandidat. "Das gehört sich nicht – erst recht nicht unter Freunden und Verbündeten und das weisen wir entschieden zurück."
Merz: USA müssen Bundestagswahl respektieren
Ähnlich äußerte sich Unions-Kanzlerkandidat
Habeck: US-Regierung an der "Seite der Autokraten"
Vizekanzler
Lindner rät zu Demut
Einzig FDP-Chef
US-Vize Vance trifft Weidel, nicht aber Scholz
Vance hatte den europäischen Verbündeten am Freitag eine Einschränkung der Meinungsfreiheit und eine Gefährdung der Demokratie vorgeworfen. Er kritisierte unter anderem den Ausschluss von AfD und BSW bei der Sicherheitskonferenz und wandte sich generell gegen eine Ausgrenzung von Parteien: "Es gibt keinen Platz für Brandmauern."
Damit verwendete er ein zentrales Schlagwort aus dem Bundestagswahlkampf, das für den Ausschluss von Koalitionen mit der AfD steht. Seit die Union ein Papier zur Migrationspolitik mit Unterstützung der vom Verfassungsschutz als teilweise rechtsextrem eingestuften Partei durch den Bundestag gebracht hat, wird darüber diskutiert, ob diese Brandmauer noch auf einem festen Fundament steht.
Nach seiner Rede verließ der US-Vizepräsident den Bayerischen Hof, wo seit Freitag mehr als 50 Staats- und Regierungschefs und rund 150 Minister tagen, und traf sich in seinem Hotel mit AfD-Chefin Alice Weidel. Ein Termin mit
Habeck an Vance: "Halt Dich da raus"
Habeck forderte, dass Europa nun selbstbewusst reagieren müsse. "Wir müssen jetzt nicht zittern und schlottern. Ganz im Gegenteil. Wir haben jeden Grund zu sagen: Das ist nicht the German Way of Life, das ist nicht the European Way of Life, das ist nicht unser Grundgesetz. Halt Dich da raus." Was Vance gesagt habe, sei "eine Umdeutung der Wahrheit, eine Umdeutung der Geschichte, der Demokratie-Geschichte".
Der Vizekanzler äußerte auch Verständnis für die Entscheidung der Konferenzleitung, die AfD auszuschließen. "Die AfD ist in Teilen eine verfassungswidrige Partei. Hier werden sehr viele Informationen ausgetauscht und besprochen, die den Kernbereich der Sicherheit betreffen", sagte er zur Begründung.
Konferenzleiter Christoph Heusgen hatte AfD und BSW wie auch im Vorjahr von der Sicherheitskonferenz ausgeschlossen und das damit begründet, dass beide Parteien nicht dem Grundprinzip "Peace through dialogue, Frieden durch Dialog" der Konferenz entsprächen.
Selenskyj appelliert an die Stärke der Europäer
Die großen Krisen dieser Welt gerieten durch die Vance-Attacke gegen europäische Verbündete in München zunächst in den Hintergrund. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief aber mit seinem Auftritt die russische Invasion in der Ukraine in Erinnerung, die sich in einer Woche zum dritten Mal jährt.
In einem eindringlichen Appell rief er Europa zu Einigkeit und Stärke gegenüber Russland auf. Konkret sprach er sich für gemeinsame europäische Streitkräfte aus und bekräftigte die Forderung nach einer Nato-Mitgliedschaft: Er werde dies nicht vom Verhandlungstisch nehmen. "Wir brauchen Vertrauen in uns selbst, damit andere keine andere Wahl haben, als die Stärke Europas zu respektieren."
Kanzler Scholz ging in seiner Rede nicht auf Überlegungen über eine europäische Friedenstruppe nach einem Waffenstillstand ein. Stattdessen vertrat er die Auffassung, dass die ukrainischen Streitkämpfe so gestärkt werden müssten, dass sie zur Selbstverteidigung in der Lage sind. "Die Ukraine muss am Ende jeder Verhandlungslösung über Streitkräfte verfügen, mit denen sie jeden erneuten russischen Angriff abwehren kann. Finanziell, materiell und logistisch wird das eine enorme Herausforderung", sagte der SPD-Politiker. Dafür würden die Europäer und transatlantischen Partner weiter gebraucht.
Merz pocht auf Einbeziehung Europas in Friedensverhandlungen
Merz pochte auf die Einbeziehung Europas in diese Gespräche. "Es ist absolut inakzeptabel, dass Russland und die Vereinigten Staaten von Amerika ohne die Ukraine und ohne die Europäer am Verhandlungstisch verhandeln", sagte er. Es müsse "alles in unserer Macht Stehende" getan werden, um das Land für die Verhandlungen in eine gute Position zu bringen.
Merz wird schon als "Kanzler" vorgestellt
Bei der Podiumsdiskussion mit der dänischen Ministerpräsidenten Mette Fredriksen, EU-Ratspräsident Antonio Costa und anderen wurde Merz versehentlich als "Kanzler" vorgestellt und erntete dafür Lacher im Publikum. Merz entgegnete mit Blick auf die Bundestagswahl in einer Woche: "Also erstmal vielen Dank für das Kompliment" - aber zwischen ihm und dem Kanzleramt "liegen immer noch 60 Millionen Wähler". (dpa/bearbeitet von mak)


"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.