- London jubelt. Die beliebte "Crown Stamp" kehrt zurück sowie weitere alte Gewichts- und Maßangaben.
- Der EU-Austritt macht es möglich.
- Doch es gibt auch Kritik.
Aus alt wird neu: In einem demonstrativen Schritt erlaubt Großbritannien nach dem Brexit wieder die ausschließliche Verwendung alter Gewichtseinheiten wie Pfund und Unzen. Brexit-Anhänger bejubeln die Rückkehr zu britischen Traditionen.
Für sie waren die EU-Regeln, die einheitliche Kennzeichnung gesetzlich vorschreiben, eine emotionale Frage. "Take back control" - zu Deutsch: "Die Kontrolle zurückgewinnen" - war das Motto der Brexiteers.
Das "metrische Martyrium" sei beendet
Das "metrische Martyrium" sei beendet, ist nun in konservativen Kreisen zu hören. Unter EU-Regeln mussten Gewichtsangaben etwa in Geschäften oder Supermärkten zusätzlich in Kilogramm angegeben werden.
Ebenfalls gefeiert wird, dass die königliche Krone wieder auf Pint-Biergläser geprägt werden darf. Das Symbol - die "Crown Stamp" - galt jahrhundertelang als Beleg für die korrekte Eichung der Gefäße, musste aber 2007 dem EU-einheitlichen CE-Zeichen weichen.
Auch die konservative Zeitung "Daily Telegraph" jubelte am Freitag über die Entscheidung: "Die 'Crown Stamp' überdauerte Jahrhunderte und wurde ein Eckpfeiler britischen Lebens. Aber obwohl sie zwei Weltkriege und das Zerbröckeln des Empires überlebte, hatte sie keine Chance gegen Brüssel."
Mit der Rückkehr zu Werten, die an imperiale Glanzzeiten eines großen Kolonialreichs erinnern, setzt Premierminister
Groß war der Aufschrei, als der Händler Steven Thoburn 2001 zu einer Geldbuße verurteilt wurde, weil er Bananen im Wert von 34 Pence - heute 40 Cent - nicht in Kilogramm angegeben hatte. Der Fall gilt vielen als Startschuss für den Brexit.
2019: Johnson kündigt eine "Ära der Großzügigkeit und Toleranz" an
Zu den Kritikern zählte auch Johnson. "Warum zwingen wir Briten, die Maße Napoleons zu verwenden, wenn das imperiale System in Amerika, der erfolgreichsten Wirtschaft der Welt, überlebt und gedeiht", schrieb er damals als Chefredakteur der konservativen Wochenzeitschrift "Spectator".
Nach seinem Antritt als Regierungschef 2019 kündigte Johnson eine "Ära der Großzügigkeit und Toleranz" an: "Wir werden diese alten Freiheiten zurückbringen", sagte er. Sein Brexit-Beauftragter David Frost kündigte an, den "regulativen Fleischwolf" der EU abzuschaffen, wegen dem Großbritannien viele "unbefriedigende Kompromisse" habe schließen müssen.
Doch während Konservative jubeln, können Kritiker nur noch den Kopf schütteln. "Unsere Regale sind leer, aber wenn sie voll wären, könnten wir Sachen mithilfe eines Systems kaufen, das niemand kennt, der seit den 1970ern die Schule verlassen hat", lästerte ein "Times"-Leser. Wegen der Coronakrise und scharfer Migrationsregeln nach dem Brexit werden in zahlreichen Branchen händeringend Arbeitskräfte gesucht, immer wieder gibt es in Supermärkten Lücken.
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Experten warnen vor Durcheinander und Fehlern in der Umrechnung
Zwar wurden Entfernungen auch zu EU-Zeiten etwa auf Autobahnen in Meilen angegeben, und das Bier kam im Pint-Glas. Ihre Größen geben Briten regelmäßig in Fuß und Zoll (Inch) an. Doch sind etwa Unzen fast völlig aus dem Alltag verschwunden.
Dass 16 Unzen ein Pfund ergeben und 2,2 Pfund wiederum einem Kilogramm entsprechen sowie 14 Pfund einem Stein (stone), dürften die wenigsten jüngeren Leute wissen. Experten warnen vor Durcheinander und Fehlern in der Umrechnung, durch die Verbraucherinnen und Verbraucher übers Ohr gehauen werden könnten.
Im Schatten der emotionalen Debatte deuten sich zudem Änderungen an, die noch weitreichendere Folgen für die Beziehungen zwischen EU und dem Vereinigten Königreich haben könnten. Denn ebenfalls abgeschafft werden sollen EU-Regeln unter anderem zu Finanzdienstleistungen, Datenschutz und gentechnisch veränderten Organismen.
"Wir haben vor, schließlich alle übernommenen EU-Gesetze zu ändern, zu ersetzen oder aufzuheben, die nicht richtig sind für Großbritannien", donnerte Johnsons Brexit-Beauftragter Frost. Beobachter warnen, dies könne die ohnehin heftige Konfrontation mit Brüssel weiter verschärfen. (dpa/msc)
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