Der politische Super-GAU tritt ein: Das Vereinigte Königreich wird austreten. Die Briten als historische, kulturelle und wirtschaftliche Supermacht Europas verlassen die Europäische Union. Droht jetzt die Apokalypse? Oder kann uns das eigentlich egal sein? Untergehen wird Österreich dem Brexit wegen nicht – aber ein paar Auswirkungen gäbe es da schon.

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Zwar ist Großbritannien ein wichtiger Handelspartner für Österreich, wirtschaftlich ist der Brexit für uns jedoch kein Weltuntergang. Laut Auskunft der Wirtschaftskammer exportieren heimische Unternehmen jährlich Waren im Wert von 4,2 Milliarden Euro ins Vereinigte Königreich – insgesamt ist es der achtwichtigste Handelspartner.

Dem gegenüber stehen 2,5 Milliarden Euro an Importen. Unterm Strich ist der Handel mit den Briten also ein Gewinngeschäft und ein Einbruch wäre durchaus schade für Österreich.

Allerdings ist nicht zwangsläufig davon auszugehen, dass das Geschäft dramatisch einbricht. Unmittelbar passiert gar nichts. Das Vereinigte Königreich wird zwar für Unternehmen unattraktiver werden, aber die Exporte bleiben vorerst unberührt.

Erst in zwei Jahren muss ausgehandelt sein, wie genau der EU-Austritt Großbritanniens vonstattengeht. Möglicherweise werden Handelspolitiken wieder bilateral verhandelt werden. Aber egal wie: Es ist jedenfalls unwahrscheinlich, dass das Königreich seine Handelsbeziehungen zu wichtigen europäischen Ländern kappen möchte.

Auftrieb für die Rechten

Politisch ist die Wirkung des Brexit indes nicht zu unterschätzen. In ganz Europa fühlen sich Rechte und Europaskeptiker in ihren Forderungen nach mehr Souveränität bestätigt.

Geert Wilders von der niederländischen PVV forderte schon am Vormittag nach der Verkündung ein Referendum für sein Land. Beim Patriotischen Frühlingsfest der FPÖ sprachen sich Vertreter der europäischen Rechten gegen die Europäische Union und "Zusammenarbeit trotz Souveränität" aus. Dieses Thema wird auch in Österreich ausgeschlachtet werden.

Dass ein ähnliches Szenario mit einem "Öxit" kommen könnte, ist eher unwahrscheinlich. Der Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik von der Uni Wien argumentiert, die politischen Eliten seien hierzulande europafreundlicher als in Großbritannien.

Auch wenn in Österreich ein ähnlicher Prozentsatz der Bevölkerung gegen die EU ist – nicht einmal die FPÖ fordert explizit einen Austritt, wodurch ein Exit-Szenario im Moment unrealistisch wirkt.

Nationalratswahl in Zeiten der EU-Präsidentschaft?

Ein weiterer Nebeneffekt könnte dem Thema allerdings neue Relevanz verleihen. Dadurch, dass das Vereinigte Königreich aus der EU austreten wird, verschiebt sich die Ratspräsidentschaft der EU.

Der Vorsitz des Rates – in diesem treffen sich die Chefs der nationalen Regierungen - wird jedes halbe Jahr getauscht, da die EU immer bemüht ist, Macht nicht zu sehr zu zentralisieren. 2017 wären die Briten dran gewesen.

Dadurch, dass Großbritannien jetzt wegfällt, könnte sich die Ratspräsidentschaft von Österreich nach vorne verschieben. Statt wie geplant in der ersten Jahreshälfte 2019 könnte es schon im Herbst 2018 so weit sein, wie ATV-Journalist Martin Thür angemerkt hat. Das wäre also zum planmäßigen Termin der nächsten Nationalratswahlen.

Sollte die Regierung bis dahin durchhalten, könnte sie Europa zum Wahlkampfthema machen - und die FPÖ den Öxit als Thema lancieren.

Vorerst kaum Auswirkungen

Zusammengefasst: Zunächst bleibt es ruhig in Österreich. Die Wirtschaftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich sind noch nicht akut bedroht, ein geordneter Austritt wird erst verhandelt.

Die europaskeptische Stimmung in Österreich ist angesichts der Nationalratswahlen 2018 und der Umfragewerte der FPÖ das viel größere Problem – zumindest, wenn man die EU als Gewinn für Österreich ansieht.

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