Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert die Rückkehr der Vermögensteuer. "Eine Vermögensteuer ist mit dem Grundgesetz vereinbar – andere Behauptungen sind Unsinn", sagte DGB-Chefin Yasmin Fahimi dem "Spiegel". Für Unternehmen solle es allerdings Sonderregeln geben. Auch ein von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gefördertes Rechtsgutachten sieht eine Vermögensteuer als "verfassungsrechtlich gut begründbar" an.
Die Vermögensteuer wird seit 1997 nicht mehr erhoben. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 1995 entschieden, dass das Vermögensteuergesetz in seiner damaligen Ausgestaltung nicht mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes vereinbar sei. Seitdem wurde immer wieder über eine erneute Einführung diskutiert, dies aber nie umgesetzt.
Mit Blick auf Prognosen, wonach die Verwaltungskosten für die Erhebung der Vermögensteuer ein Drittel des Aufkommens ausmachen würden, schlug DGB-Chefin Fahimi am Dienstag ein vereinfachtes Verfahren vor. Für die Bewertung könnten nicht 10.000 neue Stellen in der Finanzverwaltung geschaffen werden, sagte die DGB-Chefin. Steuerzahlende könnten stattdessen die Höhe ihres Vermögens über eine sogenannte Selbstveranlagung eigenständig angeben, wobei falsche Angaben scharf geahndet würden.
Als mögliches Vorbild verwies Fahimi auf das US-Steuersystem, in dem Selbstveranlagung üblich ist. "Die USA haben einen hohen Steuersatz für Vermögen und extrem hohe Strafen bei Steuerhinterziehung - trotzdem wandert das Vermögen nicht ab", sagte sie.
Vorsichtig äußerte sich die Gewerkschafterin zur Besteuerung von Unternehmen. "Betriebsvermögen sind Ausdruck von Leistungsfähigkeit, das muss berücksichtigt werden", sagte sie.
Ein von der Hans-Böckler-Stiftung gefördertes Rechtsgutachten des Berliner Juristen Alexander Thiele kommt zu dem Schluss, dass eine Vermögensteuer "verfassungsrechtlich gut begründbar" sei "angesichts von großen finanziellen Aufgaben und hoher Ungleichheit". Die Ungleichheit in Deutschland habe "ein Ausmaß erreicht, das die Einführung einer Vermögensteuer auch verfassungsrechtlich eher nahelegt", hieß es weiter.
Der Bundesverfassungsgerichtsbeschluss von 1995 habe sich schließlich nicht gegen die Besteuerung von Vermögen an sich gerichtet, sondern gegen die damalige Ausgestaltung, hieß es in dem Gutachten. Grund waren damals Unterschiede in der Behandlung von Immobilienbesitz und anderem Vermögen.
Verfassungsrechtlich unproblematisch ist laut dem neuen Gutachten die Besteuerung von Soll-Erträgen aus Vermögenswerten. "Besteuerungsgrundlage wären danach die aus dem Vermögen erzielbaren Erträge, zum Beispiel potenzielle Mieteinnahmen und Zinseinkünfte, nicht hingegen die Vermögenssubstanz", hieß es.
Gleichzeitig teilte der Jurist Fahimis Auffassung, dass Betriebsvermögen eine "besondere Bedeutung für die Prosperität einer Gesellschaft" zukomme und daher privilegiert behandelt werden könnte. © AFP
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