In Köln zerstören Chaoten einen Polizeiwagen, Justizminister Heiko Maas überlegt, radikale Hooligans vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen: Ist das der Beginn einer Welle extremistischer Hool-Demonstrationen auf deutschen Straßen? Ein Gespräch mit Sportsoziologe Gunter Pilz.

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Hooligans haben ihre geplante Demonstration in Hamburg abgesagt. Warum ziehen sie ihren Aufmarsch plötzlich zurück?

Gunter Pilz: Das überrascht mich ehrlich gesagt nicht. Denken Sie nur an die Anhänger des FC St. Pauli oder die linke Szene im Schanzenviertel. Die Situation würde beim Aufeinandertreffen der rechten Demonstranten und der linken Gegendemonstranten garantiert eskalieren. Im linken Hamburg würden die Braunen da deutlich den Kürzeren ziehen. Außerdem haben die Organisatoren gemerkt, dass dieser extreme Gewaltausbruch in Köln die Öffentlichkeit von der Szene abgeschreckt hat.

Hooligans waren in der deutschen Öffentlichkeit jahrelang praktisch unsichtbar. Warum drängen sie jetzt so in den Fokus?

Es ist gewissermaßen ein letztes Aufbäumen. Hooligans sind out. Man muss sich im Klaren sein: Wir reden meist von Althools. Die sind schon seit den 1980er Jahren aktiv. Aus dieser Zeit rühren die Berührungspunkte zu den Rechten, zu deren Symbolik und deren Dresscode. Inzwischen sind die meisten über 40. Allein schon aufgrund ihrer Altersstruktur sind sie Auslaufmodelle. Das Problem der Gewalt wird sich also irgendwann rein biologisch klären.

Und dennoch verbünden sich gewaltbereite Hooligans mit Rechtsextremen?

Die Rechtsradikalen haben gar keine andere Wahl, sie sind ja eigentlich in der Versenkung verschwunden. Den politisch organisierten Rechtsradikalismus in Deutschland gibt es quasi nicht mehr. Also versucht die Szene, sich in Nischen zurückzuziehen. So sind sie auf das noch vorhandene braune Potenzial in Splittergruppen der Hooligan-Szene gestoßen. Die waren auch immer Minderheiten im eigentlich größtenteils unpolitischen Hooliganismus. Nun werden sie auch noch von den Vereinen und den allermeisten Fußballfans bekämpft und aus den Stadien gedrängt. Die Außenseiterrolle eint diese temporäre Kampfgemeinschaft.

Was kennzeichnet die rechten Hooligans?

Wie gesagt, sind sie meist schon länger aktiv. Sie verfolgen im Großen und Ganzen zwei Ziele: Einerseits die Betonung der sogenannten alten Werte des Fußballs. Damit meinen sie Männlichkeit, Härte, Sexismus und Homophobie. Andererseits wenden sie sich gegen Gruppen, die sich gegen rechte Tendenzen in der Szene zur Wehr setzen. Die rechten Hooligans waren schon jeher eine sehr kleine Gruppe, aber auch sehr schlagfertig.

Existiert auch eine Szene linksextremer gewaltbereiter Hooligans?

Das ist nur eine ganz kleine Randerscheinung. Sie sind sehr engagiert, aber viel zu dogmatisch. Sie setzen nur auf Ausgrenzung, auf Konfrontation und meiden den Dialog. Zudem nutzen auch sie Gewalt zur Durchsetzung ihrer Interessen. Das eint sie im Grunde genommen von ihrem Verhalten her mit den rechten Hooligans und auch mit der radikal-islamischen Szene, die ja im Zentrum des rechten Protests stand.

Warum protestieren dann rechte Hooligans gegen eine Organisation, die gewissermaßen ähnliche Merkmale aufweist?

Im Prinzip ist das ein Aufbegehren gegen die eigene Bedeutungslosigkeit. Eine aktuelle Theorie besagt, dass der Totalitarismus ein Auslaufmodell ist. Der Kniff ist: Wenn ich gegen die anderen demonstriere, kann ich von mir ablenken. Die Rechten kämpfen um Anerkennung in der demokratischen Gesellschaft – die braunen Hooligans tun das auch. Die haben inzwischen neue Tätigkeitsfelder außerhalb der Stadien, sind rein politisch motiviert und nur an Gewalt interessiert. Das verbindet.

Die Veranstaltung in Hamburg wurde abgesagt. Droht rechte Hooligan-Gewalt nun in anderen deutschen Städten?

Das kann ich aktuell nicht prognostizieren, weil es von der Entwicklung der kommenden Wochen abhängt. Wenn man in Internet-Foren schaut, dann gab es dort auch durchaus Sympathisanten aus dem bürgerlichen Lager. Doch in Köln ist die Situation aus dem Ruder gelaufen. Um Schaden abzuwenden haben sich die Hamburger davon distanziert. Denn sie haben gemerkt, dass man aktuell keinen Blumentopf in der öffentlichen Meinung mit Gewaltexzessen gewinnen kann. Generell bin ich sehr relaxt. Wenn die demokratische Öffentlichkeit entschlossen handelt, dann sehe ich da wenig Eskalationspotenzial für die Situation.

Gunter A. Pilz ist Honorarprofessor für Sportsoziologie am Institut für Sportwissenschaft der Leibniz Universität Hannover. Er gilt seit Jahrzehnten als einer der renommiertesten Experten im Bereich Rechtsextremismus im Sport.

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