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80. Geburtstag
Von
Nils Bolinsky
Noch nie hat ein deutscher Kanzler einen solchen Abstieg erlebt wie er: Gerhard Schröder. Gestartet als Alphatier, schaffte er es bis ins Kanzleramt und traf dort historische Entscheidungen. Heute steht der Altkanzler wegen seiner Beziehung zu Putin weitestgehend isoliert da. Zum 80. Geburtstag zeigen wir sein Leben in Bildern.
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Gerhard Schröder wird am 07. April 1944 in Mossenberg in ärmlichen Verhältnissen geboren. Sein Vater stirbt im Zweiten Weltkrieg, seine Mutter verdient das Geld mit Fabrikarbeiten und Putzen. Schröder schafft es bis zum Abitur und beginnt 1966 ein Studium der Rechtswissenschaften in Göttingen, das er 1976 mit dem 2. Staatsexamen abschließt. Anschließend arbeitet er als selbstständiger Rechtsanwalt in Hannover.
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Die Liebesbeziehungen in seinem Leben scheint Schröder an seine Lebensabschnitte anzupassen. Mit 24 Jahren heiratet er seine erste Frau Eva Schubach, seine Jugendliebe und damit Bindeglied zu seiner Heimat. Bereits vier Jahre nach der Hochzeit folgte die Scheidung, im selben Jahr bereits die erneute Hochzeit mit seiner zweiten Frau Anne. Dieses Muster – Scheidung und erneute Hochzeit im selben Jahr – führt Schröder bei allen Frauen fort, die in seinem Leben folgen sollten, so auch bei Hiltrud Schwetje (im Bild).
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Aus dieser Position heraus will Schröder bundespolitisch Fuß fassen, was zunächst misslingt: Nach dem Rücktritt des SPD-Parteichefs Björn Engholm 1993 bewirbt er sich um dessen Nachfolge, allerdings macht Rudolf Scharping das Rennen. Der Erfolg in Niedersachsen verstärkt sich derweil noch weiter, 1994 wird Schröder zum Ministerpräsidenten einer alleinigen SPD-Regierung gewählt. Dies wird ihm dann doch noch auf das bundespolitische Parkett verhelfen.
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Kurz nach seinem Amtsantritt als Bundeskanzler sieht sich Gerhard Schröder mit einer schwerwiegenden Entscheidung konfrontiert: Soll Deutschland erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg Soldaten in einen bewaffneten Konflikt entsenden? Die Situation im ehemaligen Jugoslawien ist verheerend. Jahrelange Bürgerkriege haben das Land zerrissen, insbesondere im Kosovo werden Menschen brutal verfolgt, vertrieben und ermordet. Als Teil der Nato-Operation zur Befriedung des Kosovo entscheidet sich Schröder für eine aktive Beteiligung Deutschlands an der Mission.
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Im Jahr 2002 widersetzt sich Gerhard Schröder dem Drängen von US-Präsident George W. Bush, sich an einem Krieg gegen den Irak zu beteiligen. Die Mehrheit der Deutschen weiß der Bundeskanzler dabei hinter sich. Nur die Franzosen teilen diese Meinung mit dem Nachbarn. Die Briten unter Tony Blair stehen an der Seite der USA. Das Klima zwischen den USA und der Bundesrepublik wird eisig, obwohl die Deutschen durch die Teilnahme am Afghanistankrieg ein Jahr zuvor ihre Bündnistreue trotz heftiger Proteste im eigenen Land längst bewiesen hatten. Diese außenpolitischen Entscheidungen sind bis heute fester Bestandteil des kollektiven Politikgedächtnisses der Bundesrepublik.
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Gerade der linke Parteiflügel der SPD kritisiert Schröder stark, es kommt zu dramatischen Verlusten bei den Landtagswahlen in Niedersachsen. Das stürzt den einst so erfolgreichen Politiker in eine politische Krise. In diesem Zuge gibt er 2004 den Parteivorsitz an den Fraktionsvorsitzenden Müntefering ab, den er 1999 von Oskar Lafontaine übernommen hatte.
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Nach der Niederlage der SPD in Nordrhein-Westfalen 2005 und der damit noch deutlicheren Übermacht von CDU und FDP im Bundesrat sieht Schröder die Grundlage seiner Politik infrage gestellt und erklärt sein Ziel, Neuwahlen zu erreichen. Am 1. Juli stellt Schröder im Bundestag die Vertrauensfrage, bei der er erwartungsgemäß die nötige Mehrheit verfehlt. Bei der darauffolgenden Bundestagswahl im September wird die SPD zweitstärkste Kraft und Schwarz-Gelb fährt ein Ergebnis ein, das deutlich unter den Erwartungen liegt.
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Schröder gibt sich siegessicher: Mit dem Hinweis, seine Partei würde von der CDU nur aufgrund der Fraktionsgemeinschaft mit der CSU übertroffen, beansprucht Schröder zunächst weiterhin das Amt des Bundeskanzlers. In der "Elefantenrunde", der Diskussionsrunde der Spitzenpolitiker nach einer Wahl, sagt Schröder den Satz: "[Es ist] jedenfalls eindeutig, dass niemand außer mir in der Lage ist, eine stabile Regierung zu stellen." Schröder war sich sicher, dass seine SPD nach diesem Wahlergebnis Merkel nicht zur Kanzlerschaft verhelfen würde. Da hatte er sich allerdings getäuscht: Die SPD und die CDU einigten sich auf Angela Merkel als Kanzlerin, die das Amt bis 2021 ausüben sollte.
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Sein Engagement in Russland entwickelte sich aus seiner Beziehung zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Schröder und Putin verbrachten ihr erstes Treffen angeblich in einem russischen Dampfbad, das berichteten die beiden Männer im russischen Fernsehen. Als es plötzlich im Dampfbad zu brennen begonnen habe, soll Putin gesagt haben: "Gerhard, wir müssen hier raus, wir brennen." Schröder habe geantwortet: "Nein, ich will erst mein Bier austrinken." Das habe er dann auch getan.
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Mit Kritik an Putin tut sich Schröder allerdings schwer: In der ARD-Sendung "Beckmann" bezeichnet Schröder seinen russischen Freund gar als "lupenreinen Demokraten". Dass sich Putin zur damaligen Zeit bereits weitreichende Kontrolle verschafft und die Arbeit der Opposition erschwert hatte, übersieht der Kanzler dabei. Vielmehr entwickelt sich zwischen den beiden eine enge Freundschaft. Zum 60. Geburtstag lädt Schröder Putin nach Hannover ein, der kommt und bringt einen Kosakenchor mit.
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Ein Jahrzehnt später, zum 70. Geburtstag des Altkanzlers 2014, richtet die Nord Stream AG einen Empfang für den Vorsitzenden ihres Aktionärsausschusses aus. Auch hier lässt sich Putin eine Teilnahme nicht nehmen und begrüßt seinen Freund herzlich. Aus Deutschland gibt es viel Kritik, da Russland im selben Jahr die ukrainische Halbinsel Krim annektiert. 2017 holt Putin seinen Freund in den Aufsichtsrat des staatlich-russischen Energieriesen „Rosneft“, der damals auf der EU-Sanktionsliste steht.
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Mit dem Giftanschlag auf den Kremlkritiker und wichtigsten Oppositionellen Alexej Nawalny gerät Schröders Beziehung zu Putin zunehmend in die Kritik. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen wirft ihm sogar vor, er würde sich dadurch, dass er "in bezahlten Diensten im russischen Öl- und Gasgeschäft" stehe, "an der Vertuschung und Verwischung" der Verantwortung Russlands beteiligen.
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Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 landet Schröder endgültig im Fokus der öffentlichen Debatte. Die SPD-Parteispitze sieht sich gezwungen, einen fundamentalen Kurswechsel in der Russlandpolitik zu vollziehen. Altkanzler Schröder, mit dem sich die SPD einst schmückte, passt nicht mehr ins Bild. Schröder kritisiert zwar den Krieg, wirbt aber fortwährend für eine Beibehaltung der Beziehungen zu Russland und betont, dass Moskau zu Verhandlungen bereit sei.
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Im März 2022 reist Schröder nach Moskau, um mit Putin zu sprechen. Der "Berliner Zeitung" sagte Schröder, er habe aus der Ukraine die Bitte erhalten, zwischen den beiden Ländern zu vermitteln. Begleitet habe ihn Rustem Umjerow, der heute Verteidigungsminister der Ukraine ist. Zunächst habe er mit ihm zwei Gespräche geführt, anschließend eines unter vier Augen mit Putin. Laut Schröder war Umjerow bei den Gesprächen zu Kompromissen wie einem Verzicht auf eine Nato-Mitgliedschaft bereit. Sein Eindruck sei gewesen, es sei deshalb nichts passiert, weil "alles Weitere" in Washington entschieden worden sei.
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Mehrere SPD-Verbände streben ein Parteiausschlussverfahren an, allerdings scheitert dies vor der Schiedskommission des SPD-Bezirks Hannover mit der Begründung, es lasse sich "nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen", ob Schröder gegen Statuten, Grundsätze oder die Parteiordnung verstoßen oder sich einer ehrlosen Handlung schuldig gemacht habe. Im Mai 2022 beschließt der Haushaltsausschuss des Bundestags, Schröders Altkanzler-Büro, das bis dahin wie üblich aus der Staatskasse finanziert wurde, "ruhend zu stellen". Schröders Klage dagegen bleibt ohne Erfolg.
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Ausgerechnet in der aktuellen Debatte, ob Deutschland der Ukraine das Taurus-Waffensystem liefern soll, stellt sich Schröder hinter Bundeskanzler Olaf Scholz: "Ich finde, Olaf Scholz macht das, was ich von einem deutschen Bundeskanzler zurzeit erwarten würde", sagte er der dpa. Er wünsche sich einen "Friedenskanzler". Im Wissen darum, dass Scholz diese Rückendeckung nicht unbedingt gelegen kommt, fügt er an seine unterstützenden Worte an, er hoffe, er "schade ihm damit nicht".
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Kurz vor seinem Geburtstag betont Schröder nun in einem Interview mit der dpa, dass er auch fast zwei Jahrzehnte nach dem Ende seiner politischen Laufbahn keine wichtige Entscheidung bereue, die er in seiner aktiven Zeit getroffen hat. Er fügt allerdings hinzu: "Den einen oder anderen richtig beleidigt zu haben in der politischen Auseinandersetzung, dafür entschuldige ich mich gerne. Aber so schlimm war es ja auch nicht." Schröder macht zudem deutlich, dass er seiner Partei weiterhin verbunden bleibt, obwohl sich diese in großen Teilen von ihm öffentlich abgewandt hat: "Ich will jetzt nicht über das Ende des Lebens reden, aber solange man mich lässt, bleibe ich Sozialdemokrat."
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