Tausende Fische aus Blech und Pappe auf Italiens Plätzen, begleitet von heiterem Gesang der Hymne "Bella Ciao". Die jüngste Protestbewegung in Italien kleidet sich in ein unkonventionelles Gewand. Die Symbolik der Sardine ist dabei kein Zufall. Salvini sollte die Bewegung nicht unterschätzen – solange den Demonstranten nicht entscheidende Fehler unterlaufen.

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Natürliches Vorkommen in riesigen Schwärmen, eng nebeneinander in einer Konservendose, würzig und kräftig im Geschmack. In ihrer Symbolik hätte sich die neue Protestbewegung "Sardinen" aus Italien, die seit Mitte November mit gesalzener Kritik gegen Rechtspopulisten demonstriert, wohl für keinen besseren Fisch entscheiden können.

Weitaus freundlicher dreinblickend als Haie ziehen Sardinen als Wanderfische durch die Meere und schützen sich gegenseitig vor Fressfeinden. So auch die "Sardinen", die sich in Schwärmen auf Plätzen in Florenz, Turin, Neapel, Rom, Genua und Palermo versammeln und singend Plakate mit Sardinen in die Höhe recken: Dicht aneinandergedrängt stehen sie dort zusammen gegen Hass, Intoleranz und die Politik der Rechtspopulisten wie die des Lega-Chefs Matteo Salvini.

Auslöser: Regionalwahlen im Januar

Die Ursprünge der schnell anwachsenden Graswurzelbewegung liegen im norditalienischen Bologna, der Hauptstadt der Region Emilia-Romagna. In der Stammregion der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) finden im Januar 2020 Regionalwahlen statt.

Für den Rechtspopulisten Salvini, dessen Lega mit 30 Prozent aktuell die landesweiten Umfragen anführt, ist Emilia-Romagna eine Schlüsselregion: Gelingt ihm hier ein Sieg, wäre ein Wahlerfolg in allen anderen Regionen Italiens denkbar.

Entsprechend groß plante der ehemalige Innenminister seinen Wahlkampfauftakt im November: In der größten Sporthalle der Stadt, die 5570 Personen umfasst, wollte Salvini die Wähler mit Sprüchen gegen Ausländer und Europa, sowie dem Anspruch, das wahre Italien zu vertreten, überzeugen.

Mindestens eine Person mehr als Salvini

Dem Sportlehrer Mattia Santori ging das gehörig gegen den Strich: Mindestens eine Person mehr als der Lega-Chef wollte er mobilisieren und rief gemeinsam mit seinen Freunden Roberto Marotti, einem Ingenieur, dem Reiseleiter Andrea Gareffa und der Physiotherapeutin Giulia Trappoloni über Facebook zu einem Flashmob auf.

Mit dem Spruch "Teniamoci stretti come le sardine!", was so viel bedeutet wie "Halten wir uns fest wie die Sardinen!" forderten die vier Freunde ihre Mitbürger auf, zur Piazza Maggiore zu kommen. Und tatsächlich: Die Zielmarke von 6000 Demonstranten übertrafen sie bei weitem, deutlich mehr als 12.000 Menschen fanden sich zum Protest gegen Hass und Zwietracht ein.

Pappfische statt Parteisymbole

Das Motto der Sardine lebt auch über Wasser weiter: keine Gewalt, kein Gebrüll, kein Anführer. Anstatt populistische Parolen zu schreien oder Parteisymbole und Fahnen zu hissen, schwenken die "Sardinen" lieber Fische aus Pappe und singen die italienische Nationalhymne sowie die antifaschistische Partisanenhymne "Bella Ciao". Eine Bühne für große Reden ersetzt ein einzelnes Mikrofon für alle.

Die Politik Italiens mischen die "Sardinen" mittlerweile in Dutzenden Städten auf, tauchen stets dort auf, wo die Lega sich ankündigt. Auch ein kleines Manifest haben die "Sardinen" inzwischen veröffentlicht, den Populisten teilen sie darin mit: "Die Party ist aus!" Gewalt solle aus der politischen Sprache und ihren Inhalten verschwinden.

Bis zu 100.000 Demonstranten auf Piazza San Giovanni

Wer sich von den etablierten Parteien nicht ausreichend vertreten fühlt und sich als Gegner der italienischen Rechtswende sieht, findet in der "Sardinen"-Bewegung ein Ventil. Die Facebookseite "L’Arcipelago delle Sardine" ("Das Archipel der Sardinen") zählt bereits mehr als 200.000 Unterstützer.

Zu den Offline-Veranstaltungen von mehr als 50 lokalen Gruppen kommen mittlerweile Zehntausende, in Rom füllten am 14. Dezember sogar bis zu 100.000 Demonstranten die Piazza San Giovanni.

Dabei ist die Anhängerschaft so bunt gemischt wie ein Fischschwarm: Sie besteht aus linken Gruppierungen, Künstlern und ehemaligen Wählern der Fünf-Sterne-Bewegung. Weil die "Sardinen" aber nicht mit Eiern werfen oder Straßen blockieren, versammeln sich unter ihrem Namen auch Vertreter der bürgerlichen Mitte und Kirchenleute, um den Durchmarsch der Nationalisten zu stoppen.

Salvini reagiert mit Katzenfotos

Salvini gefällt der Gegenwind überhaupt nicht. Er reagierte bereits mit Tweets von Katzen, die Sardinen verspeisen und stellte die Anhänger als verkappte Sozialdemokraten dar. "Wenn du an der Sardine kratzt, findest du einen PDler", zitiert "Spiegel.de" den Politiker. Ob seine Stamm-Anhängerschaft sich von den "Sardinen" irritieren lässt, ist mehr als fraglich.

Für Salvini bietet sich die Option, 2020 gemeinsame Sache mit Silvio Berlusconis Forza Italia und den postfaschistischen Brüdern Italiens (Fratelli d’Italia) zu machen. Im Oktober 2019 gewann die Lega bereits die Regionalwahlen in Umbrien mit 37 Prozent.

Dennoch zeigen die Proteste von Palermo über Neapel und Verona bis nach Turin, dass Salvinis Gegner ihm so einfach nicht das Feld überlassen.

Kritik: Kein inhaltliches Programm

Kritik an der Bewegung kommt aber nicht nur vonseiten der Lega. Zwar sprechen sich die "Sardinen" für ein gerechteres, nachhaltigeres und freieres Italien aus, ein inhaltliches Programm fehlt aber bislang. Ebenso existiert keine wirkliche Organisationsstruktur.

Wachsen könnten die "Sardinen", wenn sie sich mit anderen Strömungen – etwa ökologischen – zusammenschließen. Das birgt aber zwei Gefahren: Einerseits können die "Sardinen" nicht auf breite gesellschaftliche Zustimmung hoffen und gleichzeitig mit linker Symbolik wie der antifaschistischen Partisanenhymne "Bella Ciao" arbeiten.

Gefahr der Instrumentalisierung

Andererseits besteht die Gefahr der Instrumentalisierung. Merken die Wähler, dass eine Partei hinter der Bewegung steht, dürfte das ihr Ende bedeuten. Besonders interessant sind die "Sardinen" für die Fünf-Sterne-Bewegung, die bei der Regionalwahl in Umbrien auf 7,4 Prozent abstürzte.

Die Bewegung, die sich 2009 um Kabarettist Beppe Grillo formierte, wollte ebenfalls einst Alternative zu den etablierten Parteien sein, regierte aber bereits gemeinsam mit Lega und aktuell mit der PD.

Wie es mit den "Sardinen" weitergeht, ist schwer abzusehen. Zu einer Partei will die Bewegung nach eigenen Angaben nicht werden. So viel sei aber gesagt: Junge Sardinen wachsen sehr schnell. Bereits nach einem Lebensjahr haben sie eine Länge von bis zu acht Zentimetern erreicht – und schmeckten schon den alten Römern.

Verwendete Quellen:

  • Tagesschau.de: Die "Sardinen" mischen Italien auf
  • Spiegel.de: Sardinen gegen Salvini
  • Facebook-Seite "L'ArCiPeLaGo DeLLe SaRdiNe"
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