Zwei Politiker der Wiener FPÖ beschweren sich darüber, dass die Neue Mittelschule Hörnesgasse nach dem NS-Opfer Friedrich Zawrel benannt werden soll. Schüler bräuchten "Vorbilder und nicht Verbrecher". Kritik folgt auf dem Fuß.

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Eigentlich war es als Zeichen gegen die Nazizeit in Österreich gedacht: Auf Bestreben der ÖVP soll die Neue Mittelschule Hörnesgasse künftig den Namen von Friedrich Zawrel tragen - einem österreichischem Überlebenden des NS-Kinder-Euthanasieprogramms "Am Spiegelgrund".

FPÖ Wien bezeichnet Zawrel als "Verbrecher"

Der Wiener FPÖ - genauer Werner Grebner, Klubobmann der FPÖ-Landstraße, und Dietrich Kops, Landstraßer FPÖ-Gemeinderat - stößt das sauer auf. In einer Presseaussendung monieren sie, Zawrel sei in der Zweiten Republik mehrfach vor Gericht gestanden und habe mehrere Jahre im Gefängnis verbracht.

Eine Schule nach einem Mann mit "seinem Vorleben" zu benennen, sei "skandalös", heißt es dort. Besser zupass als eine Würdigung an der NMS Hörnesgasse käme den beiden FPÖ-Politikern eine Gedenktafel für Zawrel "Am Spiegelgrund", dem Ort seines Martyriums, denn: Schüler bräuchten "Vorbilder und nicht Verbrecher".

Tatsächlich geriet Zawrel mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt und hielt sich zeitweise mit Eigentumsdelikten über Wasser. Er hatte keinen Schulabschluss und keine Berufsausbildung, tat sich aufgrund seiner Vergangenheit schwer, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden.

Vom Bundespräsidenten begnadigt

Zawrel war es wichtig, mit seiner Vergangenheit ins Reine zu kommen. Im Frühjahr 2002 beantragte er die vorzeitige Tilgung seiner Vorstrafen im Gnadenweg - der Bundespräsident Thomas Klestil im April desselben Jahres nachkam.

Dass Zawrel eine Haftstrafe verbüßt habe, stehe "in keiner Relation zu seinem Einsatz gegen NS-Verbrecher", findet Rulolf Zabrana (SPÖ), stellvertretender Bezirksvorsteher der Landstraße. Der FPÖ richtet Zabrana aus: "Dass Sie offenbar Menschen, die von NS-Schergen gequält wurden und später wertvolle Aufklärungsarbeit gegen die Täter leisteten, nicht zu schätzen wissen, ist bezeichnend."

Auch bei "Falter"-Journalist Florian Klenk ist die Empörung groß. "Jetzt ziehen sie auch noch posthum den NS-Überlebenden Fritz Zawrel in den Dreck", schreibt er auf Twitter.

Wichtiger Zeuge bei Aufklärung von NS-Verbrechen

Der 2015 verstorbene Zawrel trug als Zeitzeuge wesentlich zur Aufklärung der NS-Verbrechen bei, die in der Fürsorgeanstalt "Am Spiegelgrund" unter dem Deckmantel medizinischer "Behandlungen" und "Forschungen" stattgefunden hatten.

Mit seiner Hilfe konnte man den Nazi-Arzt Heinrich Gross überführen, der ab 1940 als Leiter der Tötungsklinik fungierte und auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs munter weiterforschte. Zawrel wurde dafür mit dem Goldenen Verdienstzeichen der Stadt Wien und dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich geehrt.

Mehr als 200.000 "Euthanasiemorde"

Den "Euthanasiemorden" im Deutschen Reich fielen mehr als 200.000 kranke und behinderte Menschen zum Opfer - vor allem Patientinnen und Patienten aus psychiatrischen Einrichtungen, Alters- und Pflegeheimen. Viele dieser Opfer starben in Österreich, allein rund 800 in der Fürsorgeanstalt "Am Spiegelgrund".

Dass nie damit genug ist, die Verbrechen der Nazizeit aufzuzeigen, verdeutlichte Anfang des Jahres die Ausstellung "Erfasst, verfolgt, vernichtet - Kranke und behinderte Menschen im Nationalsozialismus" im Palais Epstein.

"Wir sind es den Opfern schuldig, die Geschichte der NS- Medizin aufzuzeigen", sagte Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) im Jänner anlässlich der Eröffnung. "Wir haben auch eine Verpflichtung gegenüber jetzigen und nachkommenden Generationen."

In ihrer Rede erinnerte Bures auch an das Schicksal von Friedrich Zawrel - der wie viele andere erst spät als Opfer anerkannt wurde und jahrelang gegen Diskriminierung und Abwertung von gesellschaftlichen Randgruppen kämpfte.

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