Teil 2 der von Milo Rau inszenierten "Wiener Prozesse" untersucht, ob die FPÖ demokratiegefährdend ist. Während der Eröffnung am Freitag im Wiener Odeon Theater legten "Anklage" und "Verteidigung" ihre Strategien dar.

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Auch geht es um die Frage, ob der FPÖ die staatliche Parteienförderung gestrichen werden soll. Bereits zum Auftakt am Freitagabend legten "Anklage" und die von Ex-Politikern der AfD repräsentierte "Verteidigung" im Wiener Odeon Theater ihre Strategien offen. Regisseur Rau selbst kündigte in einer Rede an, dass dieses Wochenende "sehr grundsätzlich" würde.

Ergebnis parallel zur EU-Wahl

"Ist die FPÖ, die in den Fünfzigerjahren von ehemaligen SS-Männern und enttäuschten Nationalsozialistischen Bürokraten gegründet wurde, eine Nachfolgepartei der NSDAP? Verschwört sich die FPÖ gemeinsam mit russischen, privatwirtschaftlichen und identitären Akteuren gegen genau jenen Staat, von dem sie als Partei subventioniert wird? Wohin steuert diese Partei, die sich offen gegen das 'System' stellt, also gegen die Demokratie als Herrschaftsform?", skizzierte Milo Rau.

Der Theatermacher und Festwochenchef zeigt diesen Teil seines Dokutheaterstücks bewusst parallel zu den Europaparlamentswahlen, bei denen in Österreich die FPÖ laut Umfragen gute Chancen auf Platz 1 hat. Für Sonntagabend ist daher nicht nur mit der Veröffentlichung von Wahlergebnissen zu rechnen, sondern auch mit einem Urteil über die FPÖ, das sieben "Geschworene" als Vertreterinnen und Vertreter der "Freien Republik Wien" in dieser Inszenierung fällen werden.

Noll will die Demokratie verteidigen

Bereits in der Eröffnungssitzung am Freitag wurden die grundsätzlichen Strategien von "Anklage" und "Verteidigung" deutlich: Der wie am ersten Prozesswochenende zu Corona als "Ankläger" fungierende Wiener Rechtsanwalt und ehemalige Liste Pilz-Abgeordnete Alfred Noll begründete wortreich seinen Antrag, der FPÖ als "demokratiegefährdender" und daher gegen eine Bestimmung des Staatsvertrags von 1955 verstoßende Partei die staatliche Förderung zu streichen.

In Ermangelung einer gefestigten demokratischen Kultur sei es naiv oder fahrlässig, auf die selbstreinigende Kraft der politischen Kultur in Österreich zu setzen. "Angesichts der Unzahl von Wortmeldungen, Handlungen und auch erklärten Absichten der FPÖ können einem schon die zynischen Worte von Josef Goebbels hochkommen, wonach es die liberale Demokratie selbst ist, die ihren Todfeinden die Mittel stellte", sagte der Anwalt. Es sei daher hoch an der Zeit, die Demokratie zu verteidigen und ihr die Mittel in die Hand zu geben, diese Verteidigung über gut gemeinte Sonntagsreden hinaus auch wirksam werden zu lassen, betonte er.

Ex-AfD-Chefin Frauke Petry in der Verteidigung

"Meine Damen und Herren, was für ein Spektakel!", entgegnete Frauke Petry, ehemalige Sprecherin des Bundesvorstands der Alternative für Deutschland (AfD), die an diesem Wochenende gemeinsam mit ihrem Gatten und ebenso Ex-AfD-Politiker Marcus Pretzell als "Verteidigung" fungiert. Milo Rau habe zwar ein exzellentes Gespür dafür, wie man Öffentlichkeit produziere. "Das ist sicherlich für ein Theaterstück hervorragend. Nur mit dem Rechtsstaat hat dies alles nichts zu tun", sagte sie. Dies sei kein Spektakel einer "freien Republik", sondern die von linken Ideologen gestellte Bühne einer "Sowjetrepublik Wien".

Petry wies nicht nur den Antrag der "Anklage" auf Streichung der Parteienförderung zurück, sie bemühte sich von Anfang an auch, die "Gerichtsverhandlung" selbst als solche zu delegitimieren: Die Ex-Politikerin wollte etwa die vorsitzführende "Richterin" Barbara Helige, ehemals Präsidentin der österreichischen Richtervereinigung, nicht als "Vorsitzende" bezeichnen und titulierte sie nur bloß als "Frau Helige". Die Geschworenen seien zwar sicherlich repräsentativ für das 2024 mit 13,6 Mio. Euro subventionierte Kulturprojekt Wiener Festwochen, aber nicht für die Wiener oder gar österreichische Gesellschaft, betonte sie. Auch gäbe es keine Prozessordnung, sondern lediglich ein Regieskript, das auf 35 Seiten festlege, was zu passieren habe.

Pöchinger will das Experiment "enttarnen"

Bereits vor diesen Eröffnungsplädoyers hatte der als Experte der "Verteidigung" geladene FPÖ-nahe PR-Berater Christoph Pöchinger mit einer unerwarteten Wortmeldung für Spannung gesorgt. Mit Verweis auf ein Gespräch mit den Verantwortlichen stellte er Raus Inszenierung als ein großes Psychoexperiment dar, in dem eigentlich Publikum und Mitwirkende vor Gericht stünden. Die verhandelnden Themen seien dem Theatermacher völlig gleichgültig, sagte er. "Man will in Wahrheit über Sie urteilen, wie willfährig und vorteilsbehaftet, wie demokratiefeindlich und wie selbstgefällig Sie sind", wandte er sich an den Saal. Er breche dieses Experiment jetzt ab, indem er es enttarne, erklärte der etwas erregte Pöchinger und verließ kurze Zeit später das Theater. (APA/phs)  © APA

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