Seit mehreren Wochen gibt es Spekulationen um den Bau eines Flüchtlingslagers in Ungarn nahe der österreichischen Grenze. Innenminister Karner hat schon jetzt mit Konsequenzen gedroht.
Wegen des mutmaßlichen Baus eines Flüchtlingslagers in Ungarn nahe der burgenländischen Grenze hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) mit schärferen Grenzkontrollen gedroht. "Bei Bedarf werden die Grenzkontrollen zu Ungarn deutlich verschärft. Das habe ich auch den ungarischen Behörden unmissverständlich mitgeteilt", hieß es in einer Stellungnahme vom Mittwoch, die der APA vorliegt.
"Die illegale Migration an der burgenländisch-ungarischen Grenze wurde um 97 Prozent zurückgedrängt", betonte Karner weiter. "Die Schlepper machen einen Bogen um Österreich. Darüber hinaus sind 60 österreichische Polizisten erfolgreich zur Schlepperbekämpfung auf ungarischem Staatsgebiet eingesetzt."
Bereits am Dienstag hatte sich der burgenländische Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil (SPÖ) zu dem mutmaßlichen Flüchtlingslager zu Wort gemeldet. Er ortete "staatlich organisierte Schlepperei" und betonte, das Bundesland werde sich "mit allen rechtlichen und politischen Möglichkeiten zur Wehr setzen".
Grüne attackieren Orban und FPÖ
Die Grünen attackierten in ihrer Stellungnahme zu dem Fall insbesondere Ungarns Regierungschef Viktor Orbán sowie die FPÖ. "Ob ein solches Lager tatsächlich gebaut wird, ist unseren Informationen nach nicht offiziell bestätigt. Zentral ist für uns jedenfalls, dass das Durchwinken (von Migranten, Anm.) nach Österreich auf Geheiß von Orbán ein Ende findet. Ungarn und andere notorische Rechtsbrecher müssen endlich Verantwortung übernehmen und sich an die gemeinsamen Spielregeln halten", schrieb ein Sprecher in einer schriftlichen Mitteilung an die APA. "Mit Politikern wie Orbán und ihrem kleingeistigen Nationalismus sind der Wohlstand und die Freiheit der Menschen in Europa gefährdet. Dass Orbán das Idol von (FPÖ-Chef, Anm.) Herbert Kickl ist, spricht Bände."
Orbáns Partei Fidesz und die FPÖ sitzen im neuen EU-Parlament in einer gemeinsamen Rechtsaußen-Fraktion namens "Patrioten für Europa".
Ungarische Medien hatten in den vergangenen Wochen von Bauarbeiten auf dem Gelände einer ehemaligen Berufsschule nahe dem westungarischen Dorf Vitnyéd berichtet. Auf einem Teil des früheren Landgutes Csermajor hatten bis vor kurzem Flüchtlingsfamilien aus der Ukraine gewohnt. Nach deren Auszug wurde das Areal abgezäunt und es finden seitdem Bau-, Sanierungs- und Einrichtungsarbeiten statt. Medien veröffentlichten Fotos, die zeigten, dass in der Turnhalle Dutzende Stockbetten aufgestellt wurden. Vitnyéd liegt im Westen des Komitats Györ-Moson-Sopron, nur wenige Kilometer von der Grenze im burgenländischen Seewinkel und bei Deutschkreutz entfernt.
Ungarische Regierung dementierte Errichtung eines Flüchtlingslagers
Die ungarische Regierung hatte die Errichtung eines Flüchtlingslagers Mitte September dementiert. Kommunikationsdirektor Tamás Menczer sagte damals, "in Ungarn wird es nie, nirgendwo ein Migrantenlager geben". Die Sache kam allerdings nicht zur Ruhe. Am vergangenen Sonntag demonstrierten laut Medienberichten Hunderte örtliche Einwohner in der Nähe des Areals.
"Wir werden so lange weiter demonstrieren, bis wir eine offizielle, glaubwürdige Antwort über die Verwendung des Lagers erhalten", sagte der Hauptorganisator der Demonstration, der parteilose Lokalpolitiker László Remete, gegenüber der APA. "Die Menschen glauben den Beteuerungen des für diesen Wahlkreis zuständigen Parlamentsabgeordneten der regierenden Fidesz-Partei, Alpár Gyopáros, nicht, dass es sich hier bloß um eine Renovierung handelt." Er betonte: "Es gefällt uns nicht, dass man uns nicht ernst nimmt, uns keine glaubhafte Antwort gibt. Wir wollen, dass man uns genau darüber informiert, was hier in Vorbereitung ist: Warum steht hier ein riesiger Funkturm, warum wurde ein drei Meter hoher Drahtzaun gebaut, warum bewacht die Polizei das Gelände. Es ist für die hiesigen Einwohner beunruhigend, dass sie nicht wissen, wird hier wirklich ein Migrantenlager entstehen oder etwas anderes."
Ungarn zahlt auferlegte Strafe nicht
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Sommer Ungarn zur Zahlung einer Strafe von 200 Millionen Euro sowie zu einem täglichen Zwangsgeld von einer Million Euro für jeden Tag des Verzugs verurteilt. Es ging dabei vor allem um den effektiven Zugang von Asylwerbern zu Asylverfahren. Die Regierung des Rechtsnationalen Orbán weigert sich bisher allerdings, die Zahlungen zu leisten. Vielmehr fordert Orbán seinerseits Geld von der EU für die Finanzierung seiner Migrationspolitik, etwa für die Grenzzäune, und drohte damit, Asylwerber per Bus nach Brüssel zu chauffieren.
Zuletzt hatte die Europäische Kommission angekündigt, das Strafgeld von den EU-Zahlungen abzuziehen, die Ungarn erhalten würde. Ein Teil der EU-Gelder für Ungarn liegt bereits seit 2022 wegen Korruptionsvorwürfen und Rechtsstaatlichkeitsbedenken auf Eis. (APA/bearbeitet von tas)
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