Historisch betrachtet ist es ein alter Hut, doch fühlt es sich ungewohnt an: Das Verhältnis zwischen Deutschland und Österreich ist angespannt. Am Dienstag treffen Außenminister und Vertreter beider Länder aufeinander. Wie ernst ist der aktuelle Bruderzwist?

Ein Interview
von Bernhard Steinmaurer

Die Schlacht von Königgrätz, Habsburgs schmerzliche Niederlage gegen Preußen, liegt fast genau 150 Jahre zurück. Córdoba - wohl nur von Österreichern, nicht aber von Deutschen als Schlag zurück empfunden - ist beinahe 38 Jahre her.

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Seither verlief es recht friedlich zwischen Österreich und dem "großen Bruder", doch seit der Flüchtlingskrise, seit Obergrenze und neu gebauten Zäunen ist das Verhältnis angespannt. Die Rhetorik zwischen den beiden Ländern hat sich verschärft.

Mit umso größerer Spannung wird am Dienstag nach Berlin geblickt: Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) trifft auf seinen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier (SPD), die Integrationsbeauftragte der deutschen Regierung, Aydan Özoguz, und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Von der Leyen empfängt außerdem den österreichischen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ).

Deutschland kritisiert die Flüchtlingspolitik Österreichs als "Alleingang", Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hält der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) indirekt vor, man sei schließlich nicht Deutschlands Wartezimmer. In Boulevardmedien und Online-Foren die Wogen auf beiden Seiten hoch.

Historische Rivalität

Dabei sind die gereizten, feindseligen Einstellungen zwischen den beiden Nachbarn nichts Neues. "Das hat tiefe historische Wurzeln, das geht schon auf das einstige Kaiserreich zurück", erklärt Werner Bauer, wissenschaftlicher Experte von der Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung.

In den Jahren nach 1945 hätten sich beide Staaten sehr unterschiedlich entwickelt. Nach dem EU-Beitritt vor 20 Jahren habe jedoch Österreich meist im Windschatten des großen Nachbarn agiert. "Österreich hat da quasi aufgehört, eine eigenständige Außenpolitik zu betreiben," sagt Bauer. In der Wirtschaftskrise sei man noch an der Seite der sparsamen EU-Nationen wie Deutschland gestanden.

Länder schwer vergleichbar

Die Flüchtlingsströme des letzten Jahres bedeute die erste große Krise, von der Österreich massiv betroffen sei und bei der man einen eigenen Weg gehen musste. Dabei gehe es auch um verschiedene Interessen, betont der Experte aus Österreich.

"Man kann die beiden Länder hier gar nicht vergleichen. Deutschland ist die europäische Großmacht und auf dem Weg zu einer Weltmacht. Österreich hingegen ist als Transitland massiv von den Flüchtlingen betroffen". Denn die Migranten sind nicht alle wie erwartet nach Norden weitergereist, um die 90.000 davon sind in Österreich geblieben.

Verbundenheit mit Bayern

In der Debatte um die Obergrenzen und Grenzschließungen hält man sich in Wien derzeit eher an die Bayern. Dies betonte auch Österreichs Außenminister Kurz (ÖVP) und musste gerade dafür einige Kritik der Regierenden in Berlin einstecken.

Auch diese kulturelle Verbindung zwischen Bayern und Österreich habe historisch weitreichende Wurzeln, so Bauer: "Es ist die gemeinsame Sprache, die katholische Tradition und einiges mehr, warum die Österreicher sich den Bayern oft näher fühlen als den Gesamtdeutschen."

Latente Ressentiments

Trotz derzeitiger Angespanntheit: Von einer ernsthaften Verstimmung auf politischer Ebene will Bauer nicht sprechen. "Das Ganze hat auf österreichischer Seite mit latenten Ressentiments gegen Deutschland zu tun. Das bricht bei solchen Gelegenheiten immer wieder auf und wird dann von den Medien angeheizt."

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