• Florian Scheuba bereitet als "Investigativkabarettist" immer wieder Skandale humoristisch auf.
  • Mit Blick auf die Rücktritte von Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck spricht er von einer "Entbastifizierung" der Bundesregierung.
  • Als in der Öffentlichkeit noch unterbeleuchtete Themen sieht er unter anderem die Rolle von Novomatic mit Blick auf den umstrittenen Hessenthaler-Prozess.
Ein Interview

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Vergangene Woche traten zwei umstrittene Ministerinnen am gleichen Tag zurück. Zudem wurde bekannt, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen den Vorarlberger Landeshauptmann ermittelt. Alle drei sind von der ÖVP. Was passiert da gerade?

Florian Scheuba: Man könnte es als Entbastifizierung beschreiben. Es werden quasi einige der letzten Kurz-Reste aus der Regierung radiert. Und das geht natürlich nicht ohne interne Kämpfe, das war vom Timing her nämlich nicht so geplant seitens der Parteiführung. Es wirkt so, als würden da auch noch ein paar alte Rechnungen beglichen werden und natürlich ist das System Kurz jetzt nicht komplett weg aus der ÖVP. Es ist jetzt zur Seite gedrängt, aber es gibt noch einige, die darauf hoffen, dass es irgendwann ein Comeback geben wird. Momentan sind die aber zweifelsohne in der Defensive.

Ein Dauerthema, das nicht nur im "System Kurz" eine Rolle spielte, ist die Nähe zwischen Politik und Medien. Im neuen Pressefreiheits-Ranking von Reporter ohne Grenzen ist Österreich um 14 Plätze auf Nummer 31 gefallen. Warum?

Das liegt daran, dass sehr viel ans Tageslicht gekommen ist. Der vielleicht schockierendste Moment im berühmten Ibiza-Video wird immer wieder übersehen - jener, wo Strache eine Orbánisierung der Medien fordert.

Also eine politische Unterwerfung nach dem Vorbild von Ungarn.

Ja, er spricht da auch ausdrücklich über den Herrn Pecina. Das war der Investor, der für Viktor Orban die Medien eingekauft und sie ihm auf dem Silbertablett präsentiert hat. Es war also nicht einfach nur leeres Gerede: Herr Strache hat sich auf einem Landgut von Pecina in Österreich immer wieder mit Viktor Orbán getroffen. Kein Wunder, dass sich so etwas auch auf das Pressefreiheits-Ranking auswirkt - man kann nur hoffen, dass da gegengesteuert wird.

Die Ibiza-Affäre ist auch Thema eines Films, an dem Sie unter anderem mit dem Regisseur David Schalko und dem Moderator Jan Böhmermann arbeiten. Worauf darf man sich da gefasst machen?

Das wissen wir leider selbst nicht (lacht). Es gibt ein fertiges Drehbuch zu einer satirischen Bearbeitung des Themas, die viel auf fiktionale Elemente setzt – etwa darauf, was sich in den Köpfen der Beteiligten abgespielt haben könnte. Aber seitens des Senders und der Partner bei der Ko-Finanzierung geht es aktuell nicht weiter. Mehr kann ich dazu leider nicht sagen.

In den sozialen Netzwerken ist immer wieder zu lesen, dass die Politik in Österreich genug Stoff für eine Netflix-Serie mit unendlich vielen Folgen bieten würde. Wie würden Sie das umsetzen?

Man könnte daraus eine Soap Opera machen. Es könnte auch trashig sein im Stil der seit den 80ern laufenden US-Serie "Reich und schön". Wenn man sich die Chats von Thomas Schmid anschaut, könnte man die eins zu eins verwenden - für eine Softerotik-Comedy zum Beispiel.

Was ist denn aus humoristischer Sicht Ihr Lieblingschat?

Bei so vielen schönen Zitaten fällt einem die Wahl schwer. Herausragend ist sicher, was Schmid an einen Kabinettsmitarbeiter geschrieben hat: "Vergiss nicht, du hackelst im ÖVP-Kabinett. Du bist die Hure für die Reichen." Als Satiriker würde ich so eine Formulierung nie wagen, weil ich das irrsinnig platt und als Kritik zu holzhammermäßig fände. Am allerliebsten habe ich aber die Antwort des Mitarbeiters auf die Nachricht: "Danke, dass wir das so offen besprechen können." Diesem Dank kann ich mich als Konsument der Chats nur vollumfänglich anschließen (lacht).

Der Titel Ihres neuen Buchs ist auch ein Chatzitat von Schmid: "Wenn das in die Hose geht, sind wir hin." Wie weit kann es denn noch in die Hose gehen?

Es ist noch nicht alles in der Hose (lacht). Es fehlt noch die juristische Aufarbeitung und auch für die Medienszene wird interessant, wie es weitergeht. Das Thema Inseratenkorruption ist endlich in der breiten Öffentlichkeit angekommen und die meisten Leute wollen, dass sich da etwas ändert. Die Verwechslung von Pressefreiheit mit Erpresserfreiheit ist nichts, was die Österreicherinnen und Österreicher haben wollen.

Warum hat das Antikorruptionsbegehren trotz all der Skandale nur vergleichsweise wenig Unterschriften sammeln können?

Die erhobenen Forderungen sollten so selbstverständlich sein, dass sich viele Leute dachten: Das ist doch absurd, dafür extra auf eine Behörde zu gehen und mich anzustellen, um zu unterschreiben. Laut einer Umfrage sind 90 Prozent der Menschen dafür, dass sich bei der Korruptionsbekämpfung etwas entscheidend ändert. Der eigentliche Misserfolg wäre also, wenn sich politisch nichts tut. In Sachen Antikorruption sind ja diverse Änderungen geplant – und beim Thema Informationsfreiheitsgesetz, wo Österreich international Schlusslicht ist. Das ist ein untragbarer Zustand, aber da bricht gerade viel auf, wie die Inseraten-Geschichte rund um Parteimedien in Vorarlberg und ähnliche Konstruktionen in Wien und Niederösterreich zeigt. Da ist die Kuh aus dem Stall. So viel Zudeckungsjournalismus, wie nötig wäre, um das wieder einzufangen, ist nicht möglich.

Gibt es weitere aktuelle Themen, die aus Ihrer Sicht noch unterbeleuchtet sind?

Im Zusammenhang mit dem "Ibiza-Detektiv" Julian Hessenthaler wäre die Rolle des Glücksspielkonzerns Novomatic zu hinterfragen, der die ganzen Ermittlungen ja eigentlich ausgelöst hatte. Straches Aussage "Novomatic zahlt an alle drei", also ÖVP, SPÖ und FPÖ, hat ja erst dazu geführt, dass man sich diese ganzen Dinge genauer anschaut – zum Beispiel diese Vereine, die zur verdeckten Parteienfinanzierung genutzt werden. Vieles ist noch im Gange, wo wir erst am Anfang des Erkenntnisprozesses stehen: Wie hat Novomatic für Gesetzesvorschläge lobbyiert und über welche Politiker wurden diese eingebracht? Im Hessenthaler-Prozess hat sich gezeigt, dass ein Novomatic-Lobbyist einem Zeugen 50.000 Euro gezahlt haben soll. Es ist wichtig, da dranzubleiben, zumal die Regierung ein neues Glücksspielgesetz plant. Das ist keine Insidergeschichte, die nur ein paar Leute betrifft. Im Jugendgefängnis ist Automatenspielsucht Kriminalitätsmotiv Nummer eins, schlimmer als Drogen. Damit müssen wir uns beschäftigen. Ohne die Ibiza-Affäre wäre das Thema definitiv an einer größeren Öffentlichkeit vorbeigegangen.

Was ist mit der Parteienfinanzierung, die ebenfalls immer wieder in der Kritik steht?

Es gibt Absichtserklärungen, sie etwas transparenter zu gestalten und es ist ein Schritt in die richtige Richtung, dass sich der Rechnungshof die Parteifinanzen inzwischen tatsächlich anschauen kann. Aber es ist noch nicht ausreichend, der jetzige Zustand ist ja unfassbar. Die Parteien durften zuletzt ihre Wahlkampfkosten-Obergrenze überschreiten, obwohl es verboten war. Dafür mussten sie dann eine Strafe zahlen, die sie aber aus der Parteienförderung zahlen konnten, die sie durch ihr Wahlergebnis eingestrichen haben. Das ist wie bei einem Radfahrer, der gedopt gewinnt und dann nur eine Strafe zahlen muss - die er aber aus dem Preisgeld begleichen kann.

Zur Person: Florian Scheuba ist Kabarettist, Autor und Schauspieler. Im April ist sein neues Buch bei Zsolnay erschienen: "Wenn das in die Hose geht, sind wir hin: Chats, Macht und Korruption. Eine Spurensuche."
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