Neue Töne von Christian Lindner im Gespräch mit "Zeit Online" und dem "ZEITmagazin": Einerseits lobt er Merkels Verhalten im September 2015 als sie tausende in Ungarn festsitzende Flüchtlinge nach Deutschland geholt hat. Andererseits spricht er über ein lange zurückliegendes ganz persönliches Problem sowie seine größte Charakterschwäche.

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Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schon oft für ihre Linie auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 kritisiert. Im aktuellen Podcast von "Zeit Online" und dem "ZEITmagazin" sagte er nun aber, dass er tausenden in Ungarn festsitzenden Flüchtlingen ebenfalls die Einreise nach Deutschland erlaubt hätte.

Der FDP-Chef kritisiert jedoch weiterhin, dass die Bundesregierung nach der Ausnahmesituation nicht schnell wieder zum üblichen Verfahren zurückgekehrt sei.

So antwortete Lindner auf die Frage, ob er Anfang September 2015 wie Merkel das so genannte Dublin-Verfahren ausgesetzt hätte, mit "Ja". Auf die Frage, ob dieses Handeln ein humanitärer Schritt gewesen sei, fügte er hinzu: "So ist es." Die Entscheidung der Kanzlerin sei "richtig und vertretbar" gewesen.

Lindner: "Merkel hat nicht rechtswidrig gehandelt"

Erst im Juni diesen Jahres verlangte die FDP, es müssten die Umstände geklärt werden, unter denen damals auf die Zurückweisung von Flüchtlingen verzichtet worden sei. Ein Untersuchungsausschuss solle prüfen, warum und auf welcher rechtlichen Grundlage die Grenzöffnung für Flüchtlinge seinerzeit erfolgt sei und warum zumindest zeitweise auf die Identitätsfeststellung verzichtet worden sei.

"Es wird ja immer gesagt, Frau Merkel habe rechtswidrig gehandelt - hat sie nicht", sagte Lindner nun in dem Interview.

Die europäischen Dublin-Verträge erlaubten, "dass ein Land souverän entscheidet" und eintrete in die Verpflichtung eines anderen EU-Landes. "Und das machen wir aus humanitären Gründen an diesem Wochenende, weil wir die Zustände, die wir dort am Bahnhof sehen, nicht zulassen können", fügte Lindner im Hinblick auf die im September 2015 in der ungarischen Hauptstadt Budapest gestrandeten Flüchtlinge hinzu.

Der FDP-Vorsitzende kritisierte jedoch weiterhin, dass die am Freitag, den 4. September 2017, getroffene Regelung so lange Bestand hatte: "Am Montag hätte man sagen müssen: Ab jetzt gelten die alten Dublin-Regeln. Wir weisen ab jetzt wieder an der deutschen Grenze Asylbewerber aus europäischen Nachbarstaaten ab."

Seine grundsätzliche Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik erneuerte Lindner. "Der Weg Merkel nach drei Jahren ist gescheitert", sagte er.

Lindner: "Bin nicht immer so entspannt und elegant und cremig"

Lindner sprach in dem Podcast auch über persönliches. So kritisiert er die Berichterstattung mancher Medien über sein vorsichtiges Essverhalten. "Wenn man wie ich mal in der Jugendzeit sehr schwer, sehr fett war und das weghungert, dann muss man natürlich aufs Essen achten", sagte Lindner im aktuellen Podcast von "Zeit Online" und "ZEITmagazin".

"Ich finde es schon ein bisschen mies von Journalisten, auf solche körperlichen Probleme fortwährend zurückzukommen",fügte der Liberalen-Chef hinzu. "Ich finde das persönlich übergriffig. Warum esse ich keine Pommes? Weil ich als Pubertierender so fett war, dass natürlich das Körpergedächtnis auch eines 40-Jährigen sich daran erinnert und man schneller zunimmt."

Über seinen Charakter sagte der FDP-Vorsitzende: "Ich kann mich nicht davon freimachen, dass ich mitunter eine gewisse Aggressivität habe." Er begreife Politik nicht als Schreibtischjob, "deshalb bin ich manchmal auch überscharf und aggressiv. Weiß ich ja auch. Ich bin nicht immer so entspannt und elegant und cremig." Er wolle sich dieses Verhalten aber nicht abtrainieren: "Das gehört auch zu mir." (cai/afp)

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