Bei der FDP bleibt kein Stein auf dem anderen: Nach Parteichef Christian Lindner kündigt auch der designierte Generalsekretär Marco Buschmann seinen Rückzug an. Hinter den Kulissen droht ein Machtkampf. Die Liberalen steuern in eine ungewisse Zukunft.
Die Spuren des Vorabends sind verschwunden. Das Atrium des Hans-Dietrich-Genscher-Hauses, der FDP-Parteizentrale in Berlin, ist am Montagnachmittag längst wieder herausgeputzt.
Am Sonntag verfolgten die Liberalen von hier einen dramatischen Wahlabend, an dessen Ende feststand: Es ist vorbei für die FDP. Zum zweiten Mal in ihrer Geschichte nach 2013 fliegt die Partei aus dem Bundestag. Die geplante Wahlparty endete als liberaler Albtraum.
Am Montag stehen Noch-Parteichef
Damit tut der Ex-Justizminister es Lindner gleich, der schon am Vorabend sein politisches Ende mitgeteilt hat. Buschmann und Lindner sind eng verbunden, sie kommen beide aus Nordrhein-Westfalen, haben in verschiedenen Funktionen gedient. Hier der begnadete Rhetoriker Lindner, da der nüchterne Stratege Buschmann. Für die FDP war diese Kombination lange Zeit ein Segen.
Doch jetzt gehen beide. "Ich bleibe meiner Partei eng verbunden. Da, wo ich um Rat gefragt werde, bin ich – nach etwas Distanz – zur Stelle", sagt Lindner am Montag. Damit tritt nun etwas ein, was für viele in der FDP lange Zeit unvorstellbar war. Der große Vorsitzende macht Platz. Über elf Jahre stand Lindner an der Spitze. Er ist ein politisches Kraftwerk. Quasi im Alleingang hat er die Partei nach dem Bundestags-Aus 2013 erst zurück ins Parlament, dann in die letztlich geplatzten Jamaika-Verhandlungen und schließlich in die Ampelkoalition geführt. Als Finanzminister stand er auf dem Höhepunkt seiner Macht.
Das Problem: Lindner überstrahlte in der FDP alles. Die Partei hat zwar talentierte Fachpolitiker, doch in der zweiten und dritten Reihe gibt und gab es niemanden, der bereit war, den Parteichef herauszufordern. Selbst nach dem provozierten Ampel-Aus inklusive D-Day-Papier scharte sich die FDP um den angeschlagenen Lindner. Alles wie immer.
Der Glaube an Lindner war nahezu grenzenlos
Viele Liberale glaubten im Wahlkampf bis zum Schluss, dass der Parteichef es schon wieder irgendwie richten wird. Sie setzten auf Lindners Pointen, seine Geistesgegenwart, sein politisches Talent. Am Einsatz jedenfalls lag es nicht. Lindner spulte ein beachtliches Programm ab, er war im ganzen Land unterwegs, gab Interviews, war in Podcasts, bei YouTubern. Alles für die fünf Prozent.
Und jetzt? Hinterlässt er eine ratlose Partei. Wer soll, wer kann die FDP führen? Partei-Schlachtross
Am Montag im Genscher-Haus wollen sich weder Lindner noch Buschmann zu personellen Fragen äußern. Der Übergangsprozess werde von den Landesvorsitzenden gesteuert, sagen sie. Klar ist: Die FDP wählt im Mai einen neuen Bundesvorstand. So lange bleibt auch Lindner im Amt. Er ist jetzt offiziell eine "Lame Duck", eine lahme Ente.
Die FDP braucht einen Konsens-Kandidaten
Hinter den Kulissen dürften die Machtspiele bereits beginnen. Auch wenn FDPler immer betonen, dass es in ihrer Partei keine Flügel gebe, ringen doch sehr unterschiedliche Denkschulen um Macht und Deutungshoheit. Ein geeigneter Kandidat muss sowohl die wirtschaftsliberalen wie auch die progressiven Teile der Partei hinter sich versammeln. Das ruft eigentlich nach einer Doppelspitze.
Nur: Das ist gar nicht so einfach. Dafür, sagt Lindner am Montag, müsste erst die Satzung der Partei geändert werden. Die sieht das nämlich nicht vor. Wer kann also Konsens und hat das Zeug, die FDP durch die harten Jahre der außerparlamentarischen Opposition zu führen?
Christian Lindner wird seine Partei dann von außen beobachten. Zu seiner persönlichen Zukunft will er sich am Montag nicht äußern. Er habe keinen Plan B. "Ich schließe nichts aus", sagt er. Warum auch? Christian Lindner ist 46 Jahre. Seine Karriere geht sicherlich weiter – außerhalb der Politik.
Verwendete Quellen
- Pressekonferenz im Hans-Dietrich-Genscher-Haus am 24.02.
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