Julija Nawalnaja habe ihren verstorbenen Ehemann Alexej Nawalny mit einem Neuen "ersetzt", heißt es in sozialen Netzwerken. Als Beleg dient ein Foto von Nawalnaja und einem Mann in einer innigen Umarmung. Doch das Foto ist bearbeitet.

Am 16. Februar wurde der Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny bekannt – er war seit 2021 im Gefängnis und einer der prominentesten Kritiker Putins. Seine Anhänger hatten ihn 2017 gar zum Gegenkandidaten für die russische Präsidentschaftswahl aufstellen lassen. Seine Frau Julija Nawalnaja will nun für ihren Mann gegen die aktuelle Regierung Russlands und für freie Wahlen kämpfen.

Doch über Nawalnaja verbreiten sich seit dem Tod ihres Ehemanns mehrere falsche Behauptungen. Pro-russische Profile streuten einen mutmaßlichen Audio-Deepfake von Nawalnys Mutter, in dem sie angeblich schwere Vorwürfe gegen die Frau ihres Sohnes erhebt – CORRECTIV.Faktencheck berichtete.

In sozialen Netzwerken kursiert ein Foto, auf dem Julija Nawalnaja einen Mann innig umarmt, der einen Joint in der Hand hält. Das Foto verbreitet sich in verschiedenen Sprachen auf X, zum Beispiel auf Deutsch, Englisch und Japanisch. Auf Facebook schreibt ein Nutzer dazu: "Mittlerweile hat die fröhliche Witwe Spaß mit ihrem reichen Liebhaber." Doch das Bild zeigt das nicht, es wurde nachträglich bearbeitet.

Manipuliertes Bild von Julija Nawalnaja
Ein Nutzer verbreitet auf X das manipulierte Bild (links) und nennt Julija Nawalnaja eine "falsche Witwe". © Quelle: X; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck

Wer ist auf dem Bild neben Julija Nawalnaja zu sehen?

Über eine Bilderrückwärtssuche mit der russischen Suchmaschine Yandex fand CORRECTIV.Faktencheck zunächst heraus, wer der Mann auf dem Bild ist. Es handelt sich um den im Exil lebenden russischen Milliardär Jewgeni Tschitschwarkin. Er positioniert sich entschlossen gegen Putin und hat für Nawalny 2020 einen Teil seiner Behandlungskosten übernommen, als dieser nach einem Giftanschlag im Berliner Krankenhaus Charité lag.

Tschitschwarkin und Nawalnaja kennen sich. Am 17. August 2021 veröffentlichte der Milliardär auf Instagram ein Foto mit ihr und schrieb dazu: "Mit der First Lady des schönen Russlands der Zukunft", wohl eine Anspielung auf die Präsidentschaftskandidatur von Alexej Nawalny. Tschitschwarkin schrieb im Beitrag zudem "Freiheit für Nawalny". Auch dieses echte Foto wird aktuell in sozialen Netzwerken verbreitet, um eine intime Beziehung zwischen den beiden zu suggerieren.

Eine weitere Bilderrückwärtssuche zeigt aber: Das Foto mit der Umarmung ist bearbeitet. Darauf ist gar nicht Tschitschwarkin in einer Umarmung mit Julija Nawalnaja zu sehen, sondern Alexej Nawalny – ohne Joint. Das Original ist mehr als zehn Jahre alt, es erschien etwa im New Yorker und der Voice of America am 19. Juli 2013. Es zeigt demnach Nawalny und seine Frau im Gerichtssaal in Russland nach seiner damaligen kurzen Inhaftierung im selben Jahr.

Originalbild von Nawalnaja und ihrem Mann
Dieses Bild von Nawalnaja und ihrem Mann ist schon mehr als zehn Jahre alt. Es findet sich in diversen Medienberichten aus dem Jahr 2013. Details, wie die Körperhaltung von Nawalnaja, die Person im blauen Anzug im Hintergrund oder die Spiegelung zeigen, dass es sich um das Originalbild handelt. © Quelle: Voice of America; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck

Das echte Foto kam im Jahr 2013 zustande, als Alexej Nawalny vor Gericht stand

Als Quelle ist die AFP angegeben. Das Bild findet sich auch in der Datenbank der Agentur. Dort sind mehrere weitere Perspektiven derselben Situation zu finden, auf denen Nawalny und seine Frau deutlich zu erkennen sind. Es besteht also kein Zweifel daran, dass es sich bei diesem Bild um das Original handelt.

Aktuell laufe eine große, "wahrscheinlich koordinierte" Desinformationskampagne gegen Julija Nawalnaja, schrieb uns KI-Experte Anton Tarasyuk in Bezug auf den mutmaßlichen Deepfake von Nawalnys Mutter, in der sie die Ehefrau ihres verstorbenen Sohns angeblich scharf kritisiert. Tarasyuk ist Mitbegründer von Mantis Analytics, einer ukrainischen Plattform, die mithilfe von KI russische Propaganda und Desinformation bekämpft.

Die Kampagne sei geschlechtsspezifisch, also gezielt gegen Nawalnaja als Frau gerichtet. Zu den Hauptbotschaften gehöre die Hervorhebung ihrer angeblichen "Unmoral, Unanständigkeit und Untreue".

Laut einem Faktencheck der AFP streut ein Netzwerk pro-russischer Webseiten aktuell regelmäßig Behauptungen zum Narrativ, Nawalnaja sei schon mit anderen Männern als dem verstorbenen Nawalny zusammen. Dazu gehören unterschiedliche Domains mit dem Namen Pravda, unter anderem "pravda-de.com" – diese Seite ist in der Vergangenheit bereits mit Desinformation aufgefallen. Es besteht keine Verbindung zur ukrainischen Online-Zeitung Ukrainska Pravda, die eine ähnliche Internetadresse hat: "pravda.com.ua".

Mehr aktuelle News

Verwendete Quellen:

Über CORRECTIV

  • CORRECTIV ist ein gemeinnütziges, unabhängiges und vielfach ausgezeichnetes Recherchezentrum. Die investigativen Journalisten recherchieren langfristig zu Missständen in der Gesellschaft, wie dem Cum-Ex-Steuerraub oder illegaler Parteifinanzierung.
  • Eine eigene Faktencheck-Redaktion - CORRECTIV.Faktencheck - überprüft irreführende Behauptungen und Gerüchte in den sozialen Medien. Die Faktenchecker erklären, wie Falschmeldungen unsere Wahrnehmung beeinflussen und wie Sie sich vor gezielten Falschmeldungen schützen können.
  • Immer freitags erhalten Sie die neuesten Faktenchecks zu Gerüchten im Netz direkt in Ihr Postfach: Abonnieren Sie hier den CORRECTIV Newsletter.
  • Wenn Sie auf mögliche Falschmeldungen oder Gerüchte stoßen, können Sie diese CORRECTIV.Faktencheck zur Überprüfung schicken — entweder über den CrowdNewsroom oder über WhatsApp an die +49-151-17535184.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © Quelle: X; Collage: CORRECTIV.Faktencheck