Das Verhältnis der FPÖ zu Teilen der heimischen Medienlandschaft ist seit langer Zeit angespannt. Mit Blick auf FPÖ-Chef Herbert Kickl als möglichen Bundeskanzler und die medienpolitischen Vorhaben der Partei, spitzt sich die Lage weiter zu.
Medienvertretern wurde der Zugang zu einer Pressekonferenz verwehrt, dem "Standard" von Wiens FPÖ-Obmann Dominik Nepp das Aus gewünscht. Und die FPÖ setzt zusehends auf eigene Kanäle. Von der APA kontaktierte Expertinnen und Experten für Medienpolitik in Österreich zeigen sich alarmiert.
Dass Vertreter kritischer Medien von FPÖ-Pressekonferenzen und -Parteiveranstaltungen ausgeschlossen werden, kam bereits des Öfteren vor. Zuletzt traf es das Magazin "profil" und die Nachrichtenagentur AFP mit Verweis auf Platzmangel.
Ist man erst zugelassen, sind gerade bei heiklen Themen - nicht nur bei der FPÖ, auch bei so manch anderer Partei - mitunter keine Fragen zugelassen. "Das ist Message Control von autoritär Fortgeschrittenen", sagt Medienforscher und Politikwissenschafter Andy Kaltenbrunner. Ein Verweis auf Platzmangel bei Pressekonferenzen sei zudem "eine Verhöhnung des Journalismus und damit der Öffentlichkeit", argumentiert der Medienhaus-Wien-Geschäftsführer.
Österreich-Chef von Reporter ohne Grenzen fürchtet Verschärfung der Lage
Auch Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclub Concordia, sieht das Vorgehen der FPÖ kritisch. "Ein Ausschluss von journalistischen Medien oder das Untersagen von Fragen untergräbt die demokratische Kontrollfunktion der Presse. Dass die FPÖ nicht imstande ist, einen Raum zu organisieren, der groß genug für alle Vertreter der journalistischen Medien ist, halte ich doch für eher unwahrscheinlich."
Fritz Hausjell, Präsident von Reporter ohne Grenzen Österreich, fürchtet, dass sich die Problematik weiter verschärfen werde. Er empfiehlt eine "deutlichere Thematisierung dieses politischen Fehlverhaltens" und die Einrichtung von regelmäßigen Bundespressekonferenzen, die maßgeblich von journalistischer Seite organisiert werden.
"Faktenarme Politikpropaganda" auf dem Vormarsch
Dabei weichen FPÖ-Politiker Interviews mit kritischen Journalistinnen und Journalisten zusehends aus, vertrauen lieber auf ihre eigenen - reichweitenstarken - Medienkanäle rund um den Youtube-Kanal FPÖ TV oder der FPÖ nahestehenden, weit rechts angesiedelten Medien, die mit Fake News und Verschwörungserzählungen auffällig werden.
Erst am Mittwoch sprach FPÖ-Generalsekretär und -Mediensprecher Christian Hafenecker davon, dass die eigenen Parteimedien zuletzt vergrößert und modernisiert wurden. An einem Radiosender werde gearbeitet, um "Defizite in der Medienlandschaft" auszugleichen. Konkret bemängelte Hafenecker, dass sich "ein Großteil der Medien auf die FPÖ stürzt". Auch wenn die FPÖ Medien grundsätzlich offen gegenüberstehe, könne es das nicht sein, monierte er.
"Faktenarme Politikpropaganda auf den parteieigenen und -nahen Medienkanälen wird zunehmen und faktenorientierte Politikinformation und Einordnungsangebote durch Analyse und Kommentare in journalistischen Medien noch stärker konkurrenzieren", befürchtet Hausjell.
Kraus sieht einen Versuch, kritische Fragen zu vermeiden und den eigenen Kanälen Publikum zuzuführen. "Natürlich geht es nicht ohne den Auftritt in seriösen journalistischen Medien, besonders, wenn man ernst genommen werden und sich als regierungsfähig präsentieren will", so Kraus. "Noch nicht", warnt Kaltenbrunner.
Studien von Medienhaus Wien und Gallup Institut zeigen, dass zirka ein Drittel der Bevölkerung sogar in politisch bewegten Zeiten Traditionsmedien ganz negiere und andere "meinungsstarke, aber informationsschwache" Foren aufsuche. Hausjell empfiehlt eine gesetzliche Begrenzung für Regierungs- und Parteiausgaben für Selbstdarstellungszwecke - was unter Blau-Türkis aber kaum zu erwarten sei, wie er einräumt. Damit bleibe den journalistischen Medien, Inszenierungsstrategien "stärker und kontinuierlich dem journalistischen Faktencheck zu unterziehen".
ORF ist häufig Zielscheibe für die FPÖ
Speziell der ORF ist häufig Zielscheibe der FPÖ. Das öffentlich-rechtliche Medienhaus solle auf einen "Grundfunk" reduziert werden, der ORF-Beitrag in Form einer Haushaltsabgabe abgeschafft werden, fordern die Freiheitlichen, da ein Ungleichgewicht zu anderen Medien am Markt existiere.
Radikale Kürzungen beim ORF hätten weitreichende Folgen, warnt die Generalsekretärin des Presseclub Concordia: "Erstens für den Journalismus selbst, der als Informationsinfrastruktur und Faktenbasis für unseren öffentlichen Diskurs unverzichtbar ist. Zweitens für die Berichterstattung aus den Regionen und das kulturelle Angebot. Und drittens für die gesamte Medienbranche - von der Filmwirtschaft bis zur Werbeindustrie."
Es sei ein "Irrglaube", dass viele private, womöglich internationale Anbieter subsidiär einspringen würden, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einem kleinen Land wie Österreich sein Programm zurückfahre, sagt Kaltenbrunner. Internationale Erfahrungen zeigten, dass es in so einem Fall zu einem "Abfluss an genereller Medienwertschöpfung zu Berlusconis MediaForEurope, zu Amazon, Netflix, Meta, Googles Youtube und anderem mehr gäbe", die aber nur Bruchteile in Österreich reinvestieren würden.
Den Geldhahn könnte die FPÖ dagegen für "alternative Medien" öffnen, die derzeit - aus Sicht der FPÖ unfairerweise - nicht in den Genuss von Fördergeldern kommen. Die Förderstruktur rund um Presse- und Qualitätsjournalismusförderung sei auf "linke Postillen hingezimmert", bemängelte Hafenecker am Mittwoch.
Aufwertung von FPÖ-nahen "Alternativmedien"
Profitieren könnte von einer Medienpolitik der Freiheitlichen etwa Auf1. Der Onlinesender von Gründer Stefan Magnet, der sich einst im mittlerweile aufgelösten rechtsextremen "Bund freier Jugend" betätigte, wird im Verfassungsschutzbericht als rechtsextremistisch eingestuft und ist für die Verbreitung von Verschwörungstheorien bekannt.
Eine Unterstützung für derartige Medien durch die öffentliche Hand wäre "höchst unerfreulich", aber mit entsprechendem Regelwerk "rasch umsetzbar", sagt Kaltenbrunner. "Wenn gleichzeitig die Decke des seriösen Journalismus schmilzt und darunter der ideologisch motivierte Medienaktivismus mit Appell an unsere niedrigsten Instinkte ausapert, dann wird das zur größten demokratischen Klimakatastrophe im Land", warnt der Medienexperte und Politikwissenschafter.
Werden Auf1 und ähnliche Medien in Fördermaßnahmen einbezogen, würden sie nicht nur von der FPÖ, sondern auch von der ÖVP als möglichen Koalitionspartner "hoffähig gemacht und aufgewertet", gibt Hausjell zu bedenken. Die Vergabe von Regierungsinseraten an derartige Medien unter Kickl als Innenminister zeige, dass "mit einer Stärkung dieses Propagandasegments jedenfalls zu rechnen sein wird", sagt der Reporter-ohne-Grenzen-Präsident. Wie stark die medienpolitische Reise in diese Richtung gehen werde, hänge aber auch davon ab, welche Partei die medienpolitischen Agenden in der künftigen Regierung führen werde. (APA/bearbeitet von ank)
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