In der Warteschlange mit Otto Normalbürger: Nach der Verschärfung des Passgesetzes zieht das Außenministerium 900 Diplomatenpässe ein. Ab sofort müssen sich auch Ex-Politiker wieder volksnah geben und einen Reisepass beantragen.
Warten, anstellen, durchleuchtet und durchsucht werden – wer mit einem Diplomatenpass reist, wird mit solchen Unannehmlichkeiten am Flughafen eher selten konfrontiert. Schließlich bringt das leuchtend rote Dokument seinem Besitzer einige Vorteile: keine Visumspflicht und somit auch keine teuren Gebühren, keine Gepäckkontrollen und nur ein freundliches Winken des Zollbeamten anstatt einer langen Schlange. Und falls es der Diplomat erst mal wieder in letzter Minute zum Flughafen geschafft und unterwegs eine rote Ampel übersehen hat, schützt Immunität zumindest im Ausland vor der weiteren Verfolgung des Verkehrsdelikts.
Für 900 österreichische Besitzer von Diplomatenpässen hat es mit diesen Annehmlichkeiten ab dem 26. Oktober 2012 jedoch ein Ende. Dann tritt eine im Frühjahr beschlossene Novelle des Passgesetzes in Kraft, die die Vergabe von Diplomatenpässen deutlich strenger regelt als bisher. Die Pässe - ob zurückgesendet oder nicht - verlieren ihre Gültigkeit.
Nach dem bisher geltenden Gesetz erhielten nicht nur der Bundespräsident, Mitglieder der Bundesregierung, Angehörige der Volksanwaltschaft und die Präsidenten des Nationalrates, des Rechnungshofes und der Höchstgerichte einen Diplomatenpass, sondern auch Bischöfe, ehemalige Minister und Abgeordnete sowie deren Angehörige. Wäre ja schließlich unpraktisch, wenn Ehefrau und Kinder sich am Flughafen ordentlich in die Schlange stellen müssten, anstatt die Diplomaten-Überholspur zu nutzen - etwa im Fall der früheren ÖVP-Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat und ihrem Ehemann, dem Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly. Anders als in anderen Ländern musste der Pass auch nicht nach dem Ende der Dienstzeit retourniert werden.
Doch damit soll jetzt Schluss sein. Mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes erhalten nur noch aktive Mitglieder der Regierung und Beamte im höheren auswärtigen Dienst einen Diplomatenpass. Pässe ehemaliger Politiker und sonstiger Würdenträger werden innerhalb eines Monats ungültig. Wer dann noch im Auftrag der Republik reist, um Österreich im Ausland zu vertreten, erhält einen genau für die Dauer der Mission gültigen Eintrag im Reisepass, der zur Sonderbehandlung bei Ein- und Ausreise führt.
Ins Rollen gebracht hatte die Debatte um den Diplomatenpass Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, wenn auch unfreiwillig. Grasser hatte sich im Herbst 2011 seinen Diplomatenpass verlängern lassen - über vier Jahre, nachdem er aus der Regierung ausgeschieden war.
Wer nicht das Glück hat, Politiker oder Angehöriger eines Regierungsmitglieds zu sein, hat sich die mit dem Diplomatenpass verbundenen Vorrechte im Regelfall hart verdient. Am Beginn einer Karriere im Diplomatischen Korps steht ein mindestens einjähriger Lehrgang an der Diplomatischen Akademie in Wien. Die Ausbildung dort ist mit rund 12.000 Euro pro Jahr nicht nur teuer, die Aufnahmekriterien sind extrem streng. Nur wer ein abgeschlossenes Studium, Sprachkenntnisse in Deutsch, Englisch und Französisch sowie zwei Empfehlungsschreiben vorweisen kann und mit seinem Motivationsschreiben überzeugt, darf sich überhaupt der Aufnahmeprüfung stellen. Dort werden dann in mehrstündigen Examen Sprachkenntnisse und Fachwissen in den Bereichen Wirtschaft, Recht und Geschichte geprüft.
Klingt anstrengend. Da ist es für die 900 ehemaligen Würdenträger, die demnächst ihren Diplomatenpass verlieren, doch viel einfacher, stattdessen einen Dienstpass zu beantragen. Der wird im Gegensatz zum Diplomatenpass vom Innen- und nicht vom Außenministerium ausgestellt - und zwar recht großzügig: In Österreich sind derzeit nach Angaben von BZÖ-Justizsprecher Gerald Grosz knapp 11.000 solcher Dokumente im Umlauf, was auch hier Rufe nach einer Reform bei der Vergabe laut werden lässt.
Der Dienstpass bringt zwar nicht dieselben Privilegien wie ein Diplomatenpass, dafür ist er für fast jeden erhältlich: So haben unter anderem auch Nationalrats-, Bundesrats-, Landtagsmandatare und Landesräte sowie Beamte und Privatpersonen, die im öffentlichen Auftrag unterwegs sind, Anspruch auf das blaue Reisedokument. Selbst so mancher Journalist soll im Besitz eines Dienstpasses sein.
Dieser enthält auf Deutsch, Englisch und Französisch den Hinweis, ausländische Behörden mögen dem Inhaber "Schutz und Hilfe" gewähren und sorgen so ebenfalls für Visumsfreiheit und bevorzugtes Reisen. Allerdings muss der Dienstpass nach Ausscheiden aus dem Amt zurückgegeben werden. Dann müssen sich auch Ex-Politiker ordentlich in die Schlange stellen und Pass-und Visagebühren zahlen.
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