Rund ein Drittel der Österreicher hat bei einer der vergangenen Wahlen nicht gewählt. Frauen fehlt das Interesse für Politik, Männer gehen aus Protest nicht zur Wahl. Warum will die Bevölkerung nicht mitentscheiden, wer sie künftig regiert?
Österreichs Parteien geht die Glaubwürdigkeitsverlust flöten: Gebrochene Wahlversprechen, Proteststimmung und Desinteresse bringen immer mehr Bürger dazu, von ihrem Wahlrecht gar nicht erst Gebrauch zu machen: Laut einer aktuellen IMAS-Studie hat rund ein Drittel der Österreicher bei einer der vergangenen Wahlen nicht gewählt - tendenziell eher jüngere und einfach gebildete Personen.
Die "Politikverdrossenen" sind der am weitesten verbreitete Nichtwählertypus. Die Gründe macht die Befragung des IMAS-Instituts deutlich: 33 Prozent der "Politikverdrossenen" kreiden den Politikern an, sie würden Wortbruch begehen und ihre Versprechen nicht halten. Zweitgrößter Frustbringer sind mit 19 Prozent Korruption und Betrügereien.
Knapp 30 Prozent der Nichtwähler sagen, die heimischen Parteien seien nicht mehr glaubwürdig in der Vertretung der Bevölkerungsinteressen. Ein gutes Fünftel dieser Gruppe nimmt aus Protest an gar keinen Wahlen mehr teil - sie hält von der Politik im Allgemeinen nichts mehr. Daneben gibt es die "Protestierenden", gefolgt von den "Systementtäuschten".
"Gleichgültigkeit" gegenüber der Politik spielt eine geringere Rolle als die anderen Nichtwählertypen - allerdings geben Frauen häufiger mangelndes Interesse an Politik als Grund an, weshalb sie nicht wählen gehen. Männer sehen ihr Fernbleiben als Zeichen des Protests. Besonders schmerzhaft: Die jüngere Bevölkerung gibt fehlende Neugier auf politische Zusammenhänge als primäres Nichtwahlmotiv an. Es herrscht also null Bock bei den Jungen und Frust bei den Älteren.
Über 40 Prozent sind "politikverdrossen"
Generell bezeichnen sich mehr als zwei Fünftel der Bevölkerung als "politikverdrossen" - quer durch alle gesellschaftlichen Schichten hindurch. Allzu oft war das Wort Unschuldsvermutung in Medienberichten zu vernehmen. Die Affären rund um Hypo Alpe Adria, Telekom, Bawag und Buwog oder die skandalösen Finanzspekulationen in Salzburg wirken sich nicht gerade erfrischend auf die Demokratie aus. Vor allem bei Wählerinnen und Wählern über 50 Jahren haben die Parteien überdurchschnittlich stark an Glaubwürdigkeit eingebüßt.
Das politische System und der österreichische Wählermarkt haben sich in den vergangenen drei Jahrzehnten deutlich verändert: Es gibt immer weniger Stammwähler, dafür eine stärker werdende Fraktion von Wechselwählern sowie ein größeres Angebot an politischen Parteien. Zwischen 1945 und 1986 nahmen stets über 90 Prozent der Wahlberechtigten an der Nationalratswahl teil. 1956 waren es gar 96,0 Prozent. Im Vergleich waren es bei den vergangenen Nationalratswahlen im Herbst 2013 magere 74,4 Prozent.
Besonders niedrig war die Beteiligung mit 46,0 Prozent als es 2009 darum ging, ein Europäisches Parlament zu wählen. Bei der EU-Wahl am 25. Mai dürfte es nicht viel besser aussehen: Nur rund ein Fünftel der Wahlberechtigten will sicher teilnehmen, ein weiteres Fünftel plant, "ziemlich fix" seine europäische Vertretung zu wählen.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.