Christian Kern hat sich klar gegen das EU-Umverteilungsprogramm ausgesprochen. Jetzt hat sich die Parteibasis gegen den Kanzler gestellt und kritisiert dessen Haltung in Flüchtlingsfragen - eine der Forderungen lautet "her mit lösungsorientierter Europapolitik".

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Christian Kern hat sich in einem Brief an Jean-Claude Juncker gewandt, um den Ausstieg aus dem EU-Programm zur Umverteilung von Flüchtlingen nochmals zu unterstützen - und eckt damit in der eigenen Partei gehörig an. Der Kanzler argumentiert in dem zweiseitigen Schreiben damit, dass in den Jahren 2015 und 2016 in Österreich viermal mehr Asylerstanträge gestellt worden seien als beispielsweise in Italien.

Eine Reihe von SPÖ-Funktionären attackiert Kerns Kurs nun in einem Offenen Brief. Es wird Kritik laut: Der Kanzler vertrete die Interessen seiner Partei nicht wirklich und mache eine für Sozialdemokraten untypische Politik. "Stopp der Kraftmeierei, her mit lösungsorientierter Europapolitik im Sinne der Realität und Vernunft" heißt es in dem Schreiben, das der "Presse" vorliegt.

Doskozil: Österreich erfüllt Pflichten überproportional

Österreich erfülle angesichts der hohen Asylwerberzahlen bereits überproportional seine Pflichten, sagte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ). "Verfolgen wir dieses Prinzip oder nicht? Ich bin schon dafür, dass wird das verfolgen," sagte er am Montag.

Die SPÖ-Politiker gehen mit den Plänen der Regierung hart ins Gericht. In dem Brief, der von Eva Maltschnig (Sektion 8), Ilkim Erdost (Bildungsvorsitzende SPÖ Ottakring) , Laura Schoch (Vorsitzende Sektion 5) und Markus Netter (Sektion am Wasserturm) unterzeichnet wurde, prangern die Sozialdemokraten die Vorgänge innerhalb der Regierung an. "Es entspinnt sich ein unwürdiges Schauspiel vom Innenminister, der versucht den Bundeskanzler ausrutschen zu lassen, dem Verteidigungsminister – oder wahlweise auch 'Burgenlandminister' (sic!) – der versucht wiederum dem Innenminister ein Haxl zu stellen."

Weiters werden in dem Schreiben die Zustände in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln kritisiert - vor allem der Umgang mit Kindern und Jugendlichen. "Wir fragen uns: Was erzählen sie ihren Kindern vorm Einschlafen? (...)Wie können sie ihre traumatischen Erlebnisse verarbeiten?"

Die Verfasser fordern Kern auf, Verantwortung zu übernehmen: "Jahrelang haben Vertreter der SPÖ um europäische Zusammenarbeit und internationale Solidarität geworben. Wenn die eigenen politischen Forderungen endlich – nach langer Anlaufzeit auf Kosten von Menschen – ins Rollen kommen, darf man sich nicht zurück nehmen und auf vergangene Leistungen zeigen. (...) Trotzdem haben wir Aufgaben im Sinne einer solidarischen Europäischen Union und im Sinne von Menschen, die sich ihre Situation nicht ausgesucht haben, zu erfüllen. "

Laut EU müsste Österreich 2.000 Flüchtlinge aufnehmen

Das EU-Programm war 2015 beschlossen worden. Bis zu 160.000 in Italien und Griechenland gestrandete Migranten sollten "umverteilt" und in anderen EU-Staaten eine neue Heimat finden.

Österreich hatte wegen seiner besonderen Asyllast 2016 nicht an dem Programm teilnehmen müssen. Dieser einjährige Aufschub ist nun abgelaufen. Laut EU müsste Österreich knapp 2.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland übernehmen.

Die Zusagen für das 2015 beschlossene Programm hatten sich in Grenzen gehalten. Nach einem Überblick der EU hat auch Deutschland von eigentlich 24.400 umzusiedelnden Migranten bisher lediglich 3.000 ins Land gelassen. Insgesamt sind erst rund 15.000 Flüchtlinge in Europa auf diesem Weg verteilt worden.

Mit Material der dpa
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