Cocktails trinken mit Plastikstrohhalm? Picknicken mit Wegwerfbesteck? Luftballonpost bei der Hochzeit? All das könnte bald der Vergangenheit angehören. Die EU will zum Schutz von Umwelt und Meerestieren bestimmte Kunststoffprodukte verbieten – und die Liste umfasst noch mehr.

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Plastik ist praktisch und günstig in der Herstellung. Daher werden viele Kunststoffprodukte oft nur einmal benutzt und dann weggeworfen - mit schlimmen Folgen für die Umwelt. Dagegen will die EU nun vorgehen.

Bereits im Mai legte die EU-Kommission einen Vorschlag dazu vor. An diesem Mittwoch soll sich das EU-Parlament in einer Abstimmung auf eine Position beim Thema Plastik einigen. Danach muss mit den EU-Mitgliedstaaten um einen Kompromiss gerungen werden.

Ob die neuen Plastikregeln noch vor der Europawahl im Mai 2019 durchgebracht werden können, ist fraglich.

Vermüllung der Meere: Die Lage ist ernst

Notwendig wäre es, denn die Lage ist ernst. Weltweit, speziell aber auch in Europa, werden enorme Mengen Kunststoff produziert, benutzt - und anschließend weggeworfen. Nur knapp ein Drittel des Plastikmülls wird nach Angaben der EU-Kommission eingesammelt und wiederverwertet.

Ein Großteil des Rests landet auf Müllkippen oder in der Umwelt. Plastik zerfällt aber sehr langsam und häuft sich besonders im Meer und an Stränden. Bis zu 85 Prozent aller in der EU angespülten Abfälle sind aus Kunststoff - dabei handelt es sich in etwa der Hälfte der Fälle um weggeschmissene Einwegprodukte.

Für Vögel, Fische und andere Meerestiere ist Plastik eine große Gefahr. Sie fressen es oder verheddern sich darin. Plastikspuren in Fischen gelangen auch auf Teller von Menschen. Erstmals wurde nun Mikroplastik in menschlichem Stuhl nachgewiesen – mit unabsehbaren Folgen.

Kommt ein komplettes Verbot von Wegwerfplastik?

Die EU-Kommission und der Umweltausschuss im Parlament haben nun eine Reihe an Maßnahmen ins Rennen gebracht, um Plastikmüll in Europa einzudämmen.

Am deutlichsten spürbar für Verbraucher wären wohl geplante Verbote von Wegwer-Plastikprodukten, die nur einmal benutzt werden. Darunter fallen Strohhalme, Plastikgeschirr und -besteck, Wattestäbchen und Ballonhalter.

Verbannt werden sollen dabei nur Gegenstände, für die es aus Sicht der EU-Kommission bereits Alternativen gibt. Als Ersatz für Plastik-Trinkhalme kommen zum Beispiel solche aus Papier oder wiederverwendbare aus härterem Kunststoff oder Metall in Frage.

Der Umweltausschuss im EU-Parlament will aber zusätzlich unter anderem leichte Plastiktüten und bestimmte aufgeschäumte Kunststoffe auf die Verbotsliste setzen, wie man sie zum Beispiel von den weißen Boxen für Essen zum Mitnehmen kennt.

Es könnte Ausnahmen geben

Minderungsziele sollen die EU-Staaten einführen für Plastikprodukte, die bislang nicht ohne Weiteres durch andere Materialien ersetzbar sind. Das betrifft vor allem Behälter für Lebensmittel: zum Beispiel Boxen für Sandwiches sowie Verpackungen für Früchte, Gemüse, Desserts oder Eis.

Alle Mitgliedstaaten sollen zudem bis 2025 mindestens 90 Prozent der Plastikgetränkeflaschen zur Wiederverwertung sammeln, etwa mit Hilfe eines Einwegpfands wie in Deutschland.

Ein weiterer Ansatz ist die Aufklärung der Verbraucher. Dazu sollen künftig auf vielen Verpackungen Hinweise stehen: zur richtigen Entsorgung und zu den potenziellen Schäden, die das Produkt anrichten könnte, wenn es in der Umwelt landet.

Zum Beispiel könnten Verbraucher künftig per Schild darum gebeten werden, keine Luftballons mehr aufsteigen zu lassen. Das aber lehnt der CDU-Abgeordnete Peter Liese ab. Luftballons machten einen statistisch nicht messbaren Anteil an der Verschmutzung der Weltmeere aus, sagt er. "Ich finde es deshalb unverhältnismäßig, wenn wir den Menschen, insbesondere den Kindern, den Spaß verderben."

Der Umweltausschuss will zudem Zigarettenabfall reduzieren. In den Filtern ist oft Kunststoff enthalten, ein einziger Stummel kann bis zu 1.000 Liter Wasser verschmutzen. Die Abgeordneten wollen, dass die Müllmenge aus plastikhaltigen Zigarettenfiltern bis 2030 um 80 Prozent sinkt.

Zudem ist eine Kostenbeteiligung der Hersteller für das Säubern der Umwelt vorgesehen. Bisher zahlen dafür vor allem der Steuerzahler oder die Tourismusbranche. Die Hersteller von Fischernetzen mit Plastikkomponenten sollen ebenfalls für die Entsorgung zur Kasse gebeten werden.

Greenpeace sieht Schlupfloch

Greenpeace sieht vor allem einen gravierenden Mangel in den Vorschlägen: Die Definition von Einwegplastik sei viel zu eng, kritisiert Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack.

Damit öffne sich ein Schlupfloch für die Plastikindustrie: "Die Konzerne könnten nach aktuellem Vorschlag die Reduktionsziele schlicht ignorieren, wenn sie ihre Produkte, sei es ein Wegwerf-Plastikbecher oder ein Strohhalm, als wiederverwendbar kennzeichnen."

Die Plastikindustrie hingegen warnt vor Schnellschüssen. Hier würden wichtige Gesetze durchgepeitscht, ohne die Folgen abzuschätzen, erklärte der europäische Verpackungsverband pack2go.

Es drohten Einbußen im Lebensmittel-Sektor oder Probleme bei der Lebensmittelhygiene, wenn der Plastikverbrauch drastisch gesenkt werde. Bislang nutzten Millionen von Europäern täglich Verpackungen für Essen oder Getränke zum Mitnehmen, betonte der Verband. (jwo/dpa)

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