Erwin Pröll tritt zurück. Der niederösterreichische Landeshauptmann regierte praktisch im Alleingang und drückte der Bundespolitik immer wieder seinen Stempel auf. Von einer solchen Machtfülle wird sein Nachfolger nur träumen können.
Nein, die "Falter"-Enthüllungen über die undurchsichtige Erwin-Pröll-Stiftung haben schwerlich zum Rücktritt des am längsten dienenden Landeshauptmannes Österreichs geführt. Der starke Mann in St. Pölten hat schon größere Skandale weggesteckt wie nichts. Erwin Pröll war der große Unantastbare der österreichischen Innenpolitik.
Wenn seine Parteifreunde in den letzten Tagen die Recherchen von "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk zu Unrecht als "Fakenews" denunzierten, dann wohl eher deshalb: Es sollte nicht den Funken eines Verdachts geben, dass die Affäre im Zusammenhang mit dem Rücktritt steht, den Pröll am Dienstagvormittag bei einer Pressekonferenz verkündet hat. Legendenbildung ist ihm wichtig. Welchen Wert Pröll auf seinen Platz in den Landes-Geschichtsbüchern legt, zeigt ein nach ihm benannter Kindergarten in Haag oder die Erwin-Pröll-Warte in den Wiener Alpen.
Prölls Wort ist Gesetz
Beim vorgezogenen Parteitag der ÖVP Niederösterreich wird er nicht mehr als Vorsitzender kandidieren und in der Folge auch als Landeshauptmann abtreten. Seine Nachfolge ist noch nicht geklärt, aber vieles deutet auf seine Stellvertreterin Johanna Mikl-Leitner hin. Im Vorjahr holte Pröll die damalige Innenministerin von Wien nach St. Pölten – erklärtermaßen, um sie als seine Nachfolgerin aufzubauen. Und eines darf als sicher angenommen werden: Pröll wird seine Nachfolge selbst bestimmen. Wen auch immer er vorschlägt, die Partei wird ihm folgen.
Der 70-Jährige verfügt über eine Machtfülle, von der andere Landeshauptleute nur träumen können. Niederösterreich ist das letzte Bundesland, in dem eine Partei mit absoluter Mehrheit regiert und ihre Beschlüsse nicht mit einem Koalitionspartner abstimmen muss. Zudem muss sich Pröll vor der niederösterreichischen Opposition nicht fürchten: Die Subventionen an seine Stiftung wurden von allen Parteien in der niederösterreichischen Proporzregierung mitgetragen. In der Vergangenheit hat kaum wer in Niederösterreich aufgemuckt: Prölls Wort war Gesetz.
Und das nicht nur in Niederösterreich. Der Landeshauptmann mit dem markanten Haarkranz gilt seit Jahrzehnten als graue Eminenz der Volkspartei, die bei wichtigen Personalentscheidungen fast immer das letzte Wort hatte. Zuletzt hat sich Pröll hinter den Kulissen für Sebastian Kurz (ÖVP) stark gemacht: Es ist kein Geheimnis, dass er den jungen Außenminister für den besseren Parteichef hält als Reinhold Mitterlehner. Mit Prölls Abgang könnte die schwarze Nachwuchshoffnung seinen mit Abstand mächtigsten Mentor verlieren.
Denn eines ist klar: Prölls Fußstapfen werden für jeden seiner Nachfolger zu groß sein. Der Noch-Landeshauptmann von Niederösterreich ist ein Relikt einer Zeit, als Parteichefs noch mit harter Hand regieren konnten und innerparteiliche Demokratie klein geschrieben wurde. Pröll hatte die Autorität, die verschiedenen Flügel seiner Partei hinter sich zu einen. Gut möglich, dass sich nach seinem Abgang der Druck im Kessel entlädt und Diadochenkämpfe ausbrechen.
Steht ein unrühmliches Ende noch aus?
Was dann passiert, lässt sich im Nachbarbundesland Wien beobachten. Dort herrscht zwischen den verschiedenen Flügeln der regierenden SPÖ längst Krieg. Inzwischen ist auch Pröll langjähriger Amtskollege und Freund, Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), massiv unter Druck geraten. Der einst Unantastbare muss sich mit kaum verhohlenen Rücktrittsaufforderungen seiner Parteifreunde herumschlagen. Ein so unrühmliches Ende hat sich Pröll mit seinem freiwilligen Abgang erspart.
Das Urteil der Geschichte über den mächtigsten Landeshauptmann Österreichs ist aber noch nicht geschrieben. Denn die Affäre rund um die Pröll-Stiftung zeigt vor allem, wie in Niederösterreich Politik gemacht wird: hinter Tapetentüren, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Erst wenn auch im flächenmäßig größten Bundesland ein Minimum an politischer Transparenz herrscht, wird man die Ära Pröll objektiv beurteilen können.
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