Kandidieren oder das Amt abschaffen? Die Frage nach der Bundespräsidentenwahl scheint für den niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll immer noch nicht entschieden zu sein. 2008 wurde er als Kandidat gehandelt, verzichtete aber. 2012 schlug er vor, den Bundespräsidenten nicht mehr vom Volk wählen zu lassen, sondern turnusmäßig durchzuwechseln. Für die Wahl 2016 ist er nun wieder als Kandidat im Gespräch.
Wer ist er?
Erwin Pröll ist ein Urgestein der österreichischen Politik. Bereits seit 1992 ist der ÖVP-Politiker Landeshauptmann von Niederösterreich, davor war er elf Jahre lang Landeshauptmann-Stellvertreter. Erwin Pröll ist ein echtes "Christkindl" – er wurde am 24. Dezember 1946 im niederösterreichischen Ziersdorf geboren. Er stammt aus einer Weinbauernfamilie und studierte vor seiner politischen Karriere an der Universität für Bodenkultur in Wien. Pröll ist verheiratet mit Elisabeth "Sissy" Pröll, mit der er vier Kinder hat. Immer wieder werden auch Gerüchte über angebliche außereheliche Kinder von Erwin Pröll laut. Erwin Pröll ist der Onkel des ehemaligen Vizekanzlers und Finanzministers Josef Pröll.
Hat er das Zeug zum obersten Staatsmann?
Vom Bundespräsidenten wird erwartet, dass er staatsmännisch und überparteilich agiert. Sein Interesse sollte dem Wohl des Landes und nicht der Partei gelten. Als Landeshauptmann hat Pröll sich in den vergangenen Jahren immer wieder öffentlich gegen die Bundes-ÖVP gestellt. Stets betont Pröll, jeder müsse über seinen parteipolitischen Schatten springen, wenn es das Interesse des Landes erfordere. Er gilt als Verfechter der großen Koalition auf Bundesebene, herrscht in Niederösterreich allerdings bereits seit 2003 ununterbrochen mit absoluter Mehrheit. Sein Erfolg in Niederösterreich und sein Machtanspruch verleiten Pröll immer wieder zu eigenwilligen Aktionen. So beschimpfte er beispielsweise den ehemaligen Chef der Finanzmarktaufsicht, Kurt Pribil, öffentlich und drohte ihm mit Entlassung. Im Internet kursiert ein Video, in dem er sich zu Beginn seiner Karriere als Landeshauptmann mit einem kritischen Pfarrer anlegte. Mit solchen Episoden zeigt Pröll trotz seiner politischen Erfolge Persönlichkeitszüge, die eher zu einem Feudalherren als zu einem souveränen Staatsmann passen.
Welche Positionen vertritt er?
Umweltschutz: Unter seiner Regierung wurde unter anderem die erste Biospritanlage Österreichs gebaut.
Bildung: Pröll führte die Senkung der Schülerhöchstzahl auf 25 ein.
Wirtschaft: Während seiner Amtszeit sind zahlreiche Industriegebiete und Forschungseinrichtungen entstanden. Niederösterreich wurde von der EU-Kommission als "innovativste Region Europas" ausgezeichnet.
Asylpolitik: Im Wahlkampf 2008 bezeichnete er Minarette in Österreich als "artfremd" und forderte, Vorstrafen von Asylbewerbern publik zu machen.
Familie: Pröll und seine Frau leben die klassische Rollenverteilung vor – er verdient das Geld, sie kümmert sich um Haushalt und Kinder. In einem Ö3-Interview bekannte er, dass er keinen Kaffee kochen kann und seine Sissy immer in "Telefonbereitschaft" steht, falls er sich einmal allein zuhause zurechtfinden muss.
Wie medientauglich ist er?
Immer wieder wird Pröll vorgeworfen, durch seine engen Kontakte zum Kaufmännischen Direktor des ORF, Richard Grasl, die Medien zu beeinflussen. Pröll gilt im Umgang mit Journalisten als schwierig, Kritik und Widerspruch duldet er kaum. Mehrfach soll er Medien mit dem Entzug von Anzeigen befreundeter Wirtschaftsunternehmen gedroht haben, wenn ihm die Berichterstattung nicht gefallen hat.
Wie stehen seine Chancen?
Erwin Pröll selbst behauptet immer wieder, die Hofburg spiele in seiner Lebensplanung keine Rolle. Gleichzeitig bezeichnete er das Amt als "schöne Aufgabe". Für einen Machtpolitiker wie Pröll wäre das höchste Amt im Staat sicher die Krönung der Karriere. In der ÖVP wird allerdings immer öfter auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl als Kandidat genannt. Einer aktuellen Umfrage zufolge wollen 31 Prozent der Befragten Erwin Pröll als Bundespräsidenten sehen, für Leitl sprachen sich 27 Prozent aus.
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