Illegale Parteispenden, gekaufte Gesetze: War was dran an dem, was Österreichs Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache einst auf Ibiza ausplauderte? Im Untersuchungsausschuss bleibt das zunächst offen, doch im Herbst kommen weitere kuriose Stränge der Polit-Saga auf den Tisch.

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Der Ibiza-Untersuchungsausschuss in Österreich zu Korruptionsvorwürfen gegen die vorige Regierung geht nach Runde eins in die Sommerpause.

Im Zusammenhang mit dem im Mai 2019 veröffentlichten Skandal-Video um den früheren Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wurden seit Juni mehr als zwei Dutzend Zeugen gehört, darunter Strache selbst und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Klar entkräftet wurde der Verdacht auf "mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung", so der Titel des U-Ausschusses, bislang nicht. Die offenen Fragen wurden eher mehr.

Mehr als eine "b'soffene G'schicht'"

Eine "b'soffene G'schicht'" nannte Strache einst den berüchtigten Juliabend 2017 in einer Villa auf Ibiza, an dem er einer angeblichen russischen Investorin unter anderem den Weg illegaler Parteispenden erklärte und, so schien es jedenfalls, lukrative Geschäfte versprach. Eine von Hintermännern sorgfältig gelegte Falle, die mit der Veröffentlichung des Videos im Mai 2019 zuschnappte. Die rechtskonservative ÖVP-FPÖ-Regierung zerbrach.

Die zentralen Fragen, ob es Postengeschacher und Gegenleistungen für Parteispenden an die FPÖ und die damals wie heute regierende ÖVP gab, sollen die Parlamentarier laut Plan noch mindestens bis April 2021 beschäftigen. Längst ist das Dickicht weit über die Video-Affäre hinausgewachsen, es geht um jahrealte, komplexe Verwicklungen zwischen Glücksspiel-Konzernen, Managern, Politikern und alten Partei-Seilschaften. Aber auch Weisungsketten, Interessenskonflikte und Ermittlungspannen in der Justiz bleiben Thema.

Manche Zeugen im Untersuchungsausschuss schienen so wenig auskunftsfreudig, dass eine Diskussion über die Missachtung des Ausschusses folgte. "Bei der Fülle an Dingen, die wir gefunden haben, darf man trotzdem nicht vergessen, was alles bisher eben nicht gesagt worden ist", resümierte die Grünen-Abgeordnete Nina Tomaselli, deren Partei seit der Neuwahl mit Kurz' ÖVP regiert. Kai Jan Krainer von der SPÖ sah nach zehn Tagen mehrere Bereiche, die "sehr, sehr eindeutig" in Richtung Gesetzeskauf zeigten. FPÖ und ÖVP interpretierten die Hinweislage beide als günstig für die jeweils eigene Partei.

Viele Gedächtnislücken bei Kanzler Kurz

Entscheidende Zeugen im Ausschuss verwiesen oft auf ihr Recht, sich nicht selbst zu belasten. Für Ärger - und Häme - sorgten auch Gedächtnislücken: 29 Mal gab Kanzler Kurz laut Opposition an, sich nicht zu erinnern. Der ÖVP-Finanzminister und frühere Regierungskoordinator Gernot Blümel kam gar auf 86 Lücken. Die SPÖ kündigte eine Strafanzeige wegen Falschaussage gegen ihn an. Auch Aussagen anderer Zeugen wurden im Nachhinein in Frage gestellt.

Für die zweite Runde ab September haben alle Parteien bis auf die ÖVP eine Live-Übertragung des Ausschusses gefordert, auch um den öffentlichen Druck zu erhöhen. Auf der geplanten Ladungsliste für Herbst stehen auch finanzschwere Namen, die Strache im Video als Großspender via parteinaher Vereine bezeichnet hatte - einige von ihnen hatten sich bereits in dieser Runde per Attest entschuldigen lassen.

U-Ausschuss wird mit kurioser Posse weitergehen

Mit der "Schredder-Affäre" steht im Herbst außerdem die kuriose Posse um einen Kurz-Mitarbeiter auf dem Plan, der unter falschem Namen Festplatten aus dem Kanzleramt vernichten ließ. Er flog auf, als ihn ein Mitarbeiter der Firma nach Kurz' Abwahl im Fernsehen erkannte - weil er die Rechnung über knapp 80 Euro nicht beglichen hatte.

Nicht zuletzt sollen die Abgeordneten im Herbst endlich Ibiza-Videomaterial ansehen dürfen - denn noch kennt auch der Untersuchungsausschuss von den rund sieben Stunden umspannenden Aufzeichnungen nur die rund sechsminütige Fassung, die "Süddeutsche Zeitung" und der "Spiegel" als Zusammenfassung veröffentlicht hatten. Strittig bleibt, ob sie das volle Material oder nur den laut Justiz für strafrechtlich relevant beschiedenen Teil zu sehen bekommen.  © dpa

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