Bekämpfung der Corona-Folgen, verschärfte Klimaziele, Unsicherheit über den neuen Haushalt: Die Erwartungen waren groß, als Deutschland Anfang Juli den Vorsitz unter den 27 EU-Regierungen einnahm. Wie fällt die Zwischenbilanz nach drei Monaten Ratspräsidentschaft aus?

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Zum Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag ist für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft Halbzeit. Die Bundesregierung war am 1. Juli mit ehrgeizigen Zielen in die sechs Monate gestartet, in denen sie für die Koordinierung der Europapolitik unter den 27 Ländern zuständig ist. Ein Zwischenstand:

1. Corona, der EU-Haushalt und die Frage der Rechtsstaatlichkeit:

Riesige Summen sollen in den kommenden Jahren in die Stabilisierung der Volkswirtschaften und sozialen Sicherungssysteme fließen, um die Corona-Folgen abzufedern. In seinem Programm betonte Berlin: "Nur wenn wir das SARS-CoV-2-Virus nachhaltig eindämmen und den Zusammenhalt stärken, können die EU und ihre Mitgliedstaaten die Krise dauerhaft überwinden." Aus dem Kurzarbeitsprogramm Sure im Umfang von 100 Milliarden Euro stehen inzwischen Kredite bereit.

Hinzu kommt das gigantische Konjunkturpaket von 750 Milliarden Euro, das auf den nächsten siebenjährigen Haushaltsplan 2021 bis 2027 draufgesattelt werden soll. Insgesamt geht es um 1,8 Billionen Euro. Eine rasche Verabschiedung des Haushalts habe "hohe Priorität", hieß es im Sommer in den Budget-Leitlinien für die deutsche Ratsführung.

"Auch wenn die Umsetzung des Gesamthaushalts im Parlament jetzt noch hängt, ist der Grundsatzbeschluss im Rat aus dem Juli schon ein wesentlicher Erfolg für die deutsche Präsidentschaft", meint die Chefin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Daniela Schwarzer.

Ein Knackpunkt ist noch der sogenannte Rechtsstaats-Mechanismus. Abgeordnete im EU-Parlament bemängeln einen deutschen Vorschlag, Gelder nur bei "direkten Auswirkungen" von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit zu kürzen, als Kuschelkurs gegenüber Ungarn und Polen. Der Grünen-Finanzexperte Sven Giegold sieht "eine Aufweichung des ohnehin weichen Kompromisses".

2. Neue Geldquellen und Digitales

Gerungen wird auch um neue Finanzquellen für die EU. Bisher wird der Haushalt vor allem aus Außenzöllen, Beiträgen der Staaten und der Teilhabe an nationalen Einnahmen aus der Mehrwertsteuer bestritten. In der Diskussion sind nun neue Abgaben von Digitalkonzernen, die oft wenig Steuern zahlen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte Mitte September, die Entscheidungen für neue EU-Eigenmittel müssten relativ bald fallen.

Verabredet ist ab Januar 2021 schon eine Abgabe für nicht recycletes Plastik. Weitere Einnahmearten sollen folgen - etwa aus erweitertem Emissionshandel sowie CO2- und womöglich neuen Finanzmarktsteuern. Schwarzer sagt: "Auch ohne Corona-Krise stieß das Finanzierungssystem der EU an seine Grenzen. Vor allem die Diskussion über CO2-Steuern ist wichtig. Es könnte aber ein Konfliktpotenzial mit den USA geben."

3. Wer soll später all die Schulden bezahlen?

Die neuen EU-Finanzquellen sollen auch dazu dienen, den Corona-Aufbauplan abzustottern, für den erstmals in der EU-Geschichte im großen Stil gemeinsame Schulden aufgenommen werden. Darüber hinaus geht es um die riesigen Schuldenberge, die die EU-Staaten selbst im Kampf gegen Corona auftürmen.

Die gemeinsamen Schulden- und Defizitregeln sind wegen der Krise vorerst außer Kraft gesetzt. "Sobald die wirtschaftlichen Bedingungen dies zulassen, sollte die Haushaltspolitik erneut auf die mittelfristige Erreichung einer vorsichtigen Haushaltslage ausgerichtet werden", hieß es.

Schwarzer betont: "Wichtig wird, wie auch die Regierungen künftig mit ihrer eigenen Schuldenpolitik umgehen. In den nächsten Jahren könnte eine Debatte einsetzen: Wie bekommen wir den Geist zurück in die Flasche?"

4. Auch der Green Deal wird viel kosten – ist er anspruchsvoll genug?

Bei der Verschärfung der CO2-Reduktionen hat Kommissionschefin Ursula von der Leyen den Bund an ihrer Seite. Schon im Sommer hieß es zu den Plänen: "Wir begrüßen, dass die Kommission angekündigt hat, das Ziel für 2030 auf 50 bis 55 Prozent im Vergleich zu 1990 anzuheben."

Der offizielle Vorschlag lautet nun "mindestens 55 Prozent". Doch will der Umweltausschuss im Europaparlament sogar auf 60 Prozent gehen. Deutschland soll noch vor dem Jahresende einen Kompromiss schmieden. "Wir sollten realistisch sein", meint Schwarzer. "Jetzt müssen wir erst einmal schnell an die Umsetzung des bestehenden Ziels gehen und auch internationale Koalitionen etwa mit China und den USA schaffen, bevor über weitere Verschärfungen nachgedacht wird."

5. Und dann ist da – immer noch – der Brexit:

Dass London Teile des schon geschlossenen Austrittsabkommens durch ein eigenes britisches "Binnenmarktgesetz" aushebeln will, um den Handel mit Nordirland zu erleichtern, konnte im Juni noch niemand vermuten. Allgemeines Ziel damals: die "vollständige Umsetzung des Austrittsabkommens".

Zuletzt war die Ernüchterung allerdings auch auf deutscher Seite groß. "Liebe Freunde, lasst die Spielereien sein", sagte Europa-Staatsminister Michael Roth. Er sieht einen "dunklen Schatten" auf den Gesprächen.  © dpa

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