Bei den kommenden Präsidenten- und Parlamentswahlen will Recep Tayyip Erdogan seine Macht weiter festigen. Bauen kann er auf die Unterstützung vieler wahlberechtigter Austrotürken.
Eigentlich fallen sie als Wählergruppe nicht ins Gewicht. Nur fünf Prozent der türkischen Wahlberechtigten leben im Ausland, und ihre Teilnahmebereitschaft ist eher gering.
Doch sind die Auslandswähler, auch jene in Österreich, treue Anhänger von Präsident Recep Tayyip Erdogan, der seine Macht bei Präsidenten- und Parlamentswahlen am 24. Juni festigen will. Die Auslandswahl beginnt am Donnerstag.
In Österreich leben gut 100.000 wahlberechtigte türkische Staatsbürger. Sie können ihre Stimme vom 7. bis 19. Juni an den drei Generalkonsulaten in Wien, Salzburg und Bregenz abgeben. Die Austrotürken gerieten in jüngster Zeit wegen Doppelstaatsbürgerschaften ins Visier der österreichischen Behörden, die in mehreren Fällen Verwaltungsverfahren einleiteten.
Der Wahlbeteiligung fügte dies aber keinen Schaden zu. Sie lag beim jüngsten Urnengang, dem Verfassungsreferendum im April 2017, bei 47 Prozent, um sieben Prozentpunkte höher als bei der Parlamentswahl 2015.
Höhere Zustimmung für Erdogan als in der Türkei
Drei Viertel der drei Millionen wahlberechtigten Auslandstürken lebt in fünf europäischen Ländern: Deutschland, Frankreich, Niederlande, Belgien und Österreich.
Bei der Parlamentswahl im November 2015 schnitt die Erdogan-Partei AKP in diesen fünf Ländern deutlich besser ab als im Mutterland. Die besten Ergebnisse wurden in den Niederlanden (69,7 Prozent), Belgien (69,4 Prozent) und Österreich (69 Prozent) verbucht.
In Deutschland, wo 1,4 Millionen Auslandstürken registriert sind, kam die AKP auf 59,7 Prozent, in Frankreich auf 58,4 Prozent.
Das starke Ergebnis in den "Gastarbeiter"-Ländern ist dafür verantwortlich, dass die Erdogan-Partei bei den Auslandstürken auch insgesamt deutlich besser abschnitt als im Mutterland. 55,8 Prozent der 1,16 Millionen Auslandsstimmen entfielen auf die AKP.
Auch beim umstrittenen Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems im Vorjahr, das Erdogan in der Endabrechnung mit 51,5 Prozent gewann, konnte er sich auf einen "Stimmen-Turbo" aus dem Ausland verlassen. 59,5 Prozent der teilnehmenden Auslandstürken votierten mit Ja.
Erdogan ließ es sich nicht nehmen, auch in der türkischen Diaspora die Werbetrommel zu rühren. Weil er in Staaten wie Deutschland, den Niederlanden und Österreich für Wahlkampfauftritte nicht erwünscht ist, trat er am 20. Mai im bosnischen Sarajevo auf.
Auch zahlreiche in Österreich lebende Auslandstürken wurden mit Bussen zum Erdogan-Auftritt gebracht. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) legte diesen Austrotürken ein Verlassen des Landes nahe. "Alle, die Erdogan zujubeln, sind in der Türkei eindeutig besser aufgehoben als in Österreich", schrieb er auf Twitter.
Nach Einschätzung von Experten spielt die kritische innenpolitische Diskussion über Erdogan dem türkischen Machthaber in die Hände. Der Politikwissenschafter Cengiz Günay konstatiert gegenüber der APA einen "Jetzt-erst-recht-Effekt" und zieht einen Vergleich zur Reaktion vieler Österreicher auf die Waldheim-Affäre.
Experten erklären die hohe Unterstützung für Erdogan und seine AKP unter den Auslandstürken in Österreich auch mit deren regionaler Herkunft. Die meisten in Österreich lebenden Türken kommen nämlich aus Regionen, in denen das Erdogan-Lager traditionell stark sei.
Wahlbeteiligung in anderen Ländern meist höher
Die vergleichsweise niedrige Wahlbeteiligung wirft auch die Frage auf, wie repräsentativ die Wahlergebnisse für die Stimmungslage der in Österreich lebenden Türken sind. Bei der Mobilisierung der Auslandstürken gibt es nämlich noch Luft nach oben.
In Deutschland nahmen an der jüngsten Parlamentswahl nur knapp 41 Prozent der 1,4 Millionen Wahlberechtigten teil, in Österreich waren es 40,6 Prozent von 107.880, in Belgien 42,1 Prozent von 133.315.
Etwas höher war die Beteiligung in den Niederlanden (46,7 Prozent von 245.523 Wahlberechtigten) und Frankreich (45 Prozent von 317.997 Wahlberechtigten).
Freilich sind nicht alle Länder mit einer großen türkischen Community AKP-Hochburgen. In der Schweiz und in Großbritannien, wo 93.259 bzw. 86.855 Menschen im türkischen Wahlregister stehen, schnitt bei der jüngsten Parlamentswahl die pro-kurdische HDP am besten ab.
In den USA (93.329 Wahlberechtigte) war es die kemalistische Mitte-Links-Partei CHP. Die Erdogan-Partei kam in keinem dieser Länder über 30 Prozent hinaus.
Besonders schlecht schnitt die AKP übrigens in Thailand ab. Dort erhielt sie bei der jüngsten Wahl nur 18 Stimmen, oder 6,7 Prozent. Das Rekordergebnis wurde in Libanon mit 87,7 Prozent (808 Stimmen) verbucht. © APA
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