Im französischen Präsidentschaftswahlkampf hat sich ein Außenseiter zum Favoriten gemausert. Emmanuel Macron, der einstige Wirtschaftsminister, will die Rechtspopulistin Marine Le Pen mit ihren eigenen Waffen schlagen – mit einer Prise Populismus. Kann das gutgehen?

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Emmanuel Macron kann sehr gut dagegen sein. Der charismatische Linksliberale kritisiert schon mal das Establishment, wettert gegen die verkrustete französische Parteienlandschaft, sagt, er sei weder rechts noch links.

Allerdings positioniert sich der 39-Jährige auch als überzeugter Europäer und Unterstützer einer liberalen Flüchtlingspolitik.

Mit seiner 2016 gegründeten Partei "En Marche!" ("Vorwärts!") will er die politische Landschaft in Frankreich umkrempeln – und im Mai als Präsident der Republik in den Elysée-Palast einziehen. Die Tageszeitung "Liberation" nennt ihn "eines der erstaunlichsten Phänomene der französischen Politik".

Wie groß sind Macrons Chancen auf die Präsidentschaft? Und wie glaubwürdig ist er eigentlich?

Populismus für Linksliberale

Die Politikwissenschaftlerin Sabine von Oppeln von der Freien Universität Berlin sieht gute Chancen für einen "Président Macron" - wenn er in der Vorwahl den konservativen Kandidaten François Fillon hinter sich lässt. In einer Stichwahl hätte die Rechtspopulistin Marine Le Pen laut Umfragen gegen keinen der beiden eine Chance.

Einen Populisten sieht von Oppeln in dem Präsidentschaftsbewerber nicht. "Emmanuel Macron ist der politischen Mitte, dem Zentrum zuzuordnen", sagt die stellvertretende Leiterin der Arbeitsstelle Europäische Integration im Gespräch mit unserer Redaktion.

Auch der Politikjournalist Philipp Daum bemängelt, das Etikett Populist würde derzeit "generell zu oft benutzt". Macron habe es aber nicht verdient, so Daum. Zum einen, weil in jedem Wahlkampf Dinge versprochen würden, die nicht jeder Überprüfung standhielten.

Zum anderen, weil Macrons Unterstützung für eine liberale Flüchtlingspolitik und für die europäische Idee für einen Populisten äußerst ungewöhnlich sei.

Und schließlich sorgte auch seine Kritik an der blutigen Algerien-Vergangenheit der Franzosen nicht gerade für populäre Pluspunkte. "Ein Populist wird nicht auf offener Bühne ausgebuht, wie Macron nach seiner Kritik an der französischen Kolonialvergangenheit", stellt Daum klar.

Zumindest eine Prise Populismus scheint Macron dem Volk aber doch in die Suppe zu mischen. "Liberation" bescheinigt dem Aufsteiger das Talent "zu sagen, was viele hören wollen" und eine "Anpassungsfähigkeit, die weit über eine an die Mitte gerichtete Politik hinausgeht".

Macron biete den "Hirngespinsten und Ängsten" jener ein Sammelbecken, die nicht mehr an die althergebrachten Parteien glaubten und nicht ganz rechts oder ganz links ihr Kreuz machen wollten. "Zeit Online" nennt Macrons Methode "Populismus für Linksliberale".

Das kommt offenbar gut an: Seine Wahlkampfveranstaltungen sind bestens besucht, mittlerweile gilt er nicht mehr nur als Geheimtipp für den Einzug in den Elysée-Palast.

Zu konkreten Themen noch kaum positioniert

Auch wenn sich Macron zu einigen konkreten und richtungsweisenden Sachfragen bisher eher ausweichend geäußert hat. Ein Umstand, der ihm noch auf die Füße fallen könnte.

Der im nordfranzösischen Amiens geborene Ex-Wirtschaftsminister hat sich auch bei der Vorstellung seiner Wahlkampf-Eckpunkte eher mit großen Leitlinien, denn mit Details beschäftigt.

Konkret wurde er, als er einen Umbau der Renten- und Arbeitslosenversicherung im Stile der deutschen Hartz-IV-Reform und das Beschneiden von Politiker-Privilegien in Aussicht stellte. Letzteres richtet sich direkt gegen Fillon und Le Pen, die mit Amtsmissbrauch in Verbindung gebracht werden.

Wirtschaftlich vertritt der Ex-Banker ein unternehmerfreundliches Programm. Volkstümlich wirkt dagegen sein Vorschlag, jedem Bürger 500 Euro zum 18. Geburtstag zu schenken – ausschließlich für Bücher, CDs, DVDs und Konzerte.

Macron gibt sich wie Le Pen anti-elitär

Ein schwieriger Spagat: Obwohl Macron als Absolvent der französischen Kaderschule ENA wie auch Marine Le Pen selbst zum Establishment gehört, hat wohl jener Kandidat bessere Siegchancen, der sich glaubwürdiger als anti-elitär inszenieren kann.

Philipp Daum ist sicher, Macron könne Wähler in einer Stichwahl gegen die Rechtspopulistin am besten mobilisieren. "Weil er überzeugend europäische Werte vertritt und damit genau das Gegenteil von Le Pen symbolisiert."

Für das italienische Wirtschaftsblatt "Il Sole 24 Ore" ist Macron schon jetzt "der Star einer neuen Ära, in der die Übermacht der Parteien gebrochen und die Politik offener und beweglicher ist". Macron habe gezeigt, dass es in Frankreich "einen politischen Raum außerhalb der traditionellen Parteienlandschaft" gebe.

Nicht nur dort. "En Marche!" erinnert trotz inhaltlicher Unterschiede an andere junge Politikbewegungen wie die italienische Fünf-Sterne-Bewegung oder die spanische Podemos.

Für Sabine von Oppeln steht "En Marche!" mehr in der Tradition der sogenannten "Ressemblements". Bewegungen oder Parteien, die in Frankreich zur Mobilisierung von Wählern häufig vor Präsidentschaftswahlen gegründet werden, oft eigens auf den Kandidaten zugeschnitten sind – und dann schnell wieder von der Bildfläche verschwinden. "Das könnte auch mit Macrons Bewegung passieren, wenn er die Wahl nicht gewinnt", meint die Expertin.

Die Frage wird sein, wie viele Stimmen der Kandidat mit seiner pro-europäischen, liberalen Agenda auf sich vereinen kann. "Eine klare Position", heißt es auf "Zeit Online", "birgt das Risiko, anderen nicht zu gefallen."

Allen Wählern wird es Macron nicht recht machen können. Aber die Mehrheit würde ihm schon reichen.

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