• Wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 10.500 Fällen hat das Landgericht Itzehoe eine ehemalige Sekretärin im NS-Konzentrationslager Stutthof bei Danzig schuldig gesprochen.
  • Die Strafkammer verurteilte die 97 Jahre alte Irmgard F. am Dienstag zu einer Strafe von zwei Jahren auf Bewährung.

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Das Landgericht im schleswig-holsteinischen Itzehoe hat eine frühere Sekretärin des NS-Konzentrationslagers (KZ) Stutthof zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Das Gericht sprach die inzwischen 97-jährige Irmgard F. am Dienstag der Beihilfe zum Mord in tausenden Fällen schuldig. F. hatte laut Anklage in den Jahren 1943 bis 1945 als Stenotypistin für den Kommandanten im KZ Stutthof gearbeitet, sie war in dieser Zeit zunächst 18, dann 19 Jahre alt.

Deshalb fand das Verfahren gegen sie vor einer Jugendkammer statt. Diese folgte mit ihrem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die 15 Nebenklagevertreter hatten sich zum großen Teil der Strafforderung der Staatsanwaltschaft angeschlossen.

"Die im 98. Lebensjahr stehende Angeklagte hat ihre gerichtliche Schuldig-Sprechung wegen Beihilfe zum mehrtausendfachen Mord erhalten. Mehr kann staatliches Strafrecht inhaltlich nicht leisten", erklärte Rechtsanwalt Hans-Jürgen Förster, der vier Stutthof-Überlebende als Nebenkläger vertrat.

Urteil gegen KZ-Sekretärin: Angeklagte wollte sich Verfahren nicht stellen

Die beiden Verteidiger hatten hingegen einen Freispruch für ihre Mandantin gefordert. Sie begründeten dies damit, dass nicht zweifelsfrei habe nachgewiesen werden können, dass F. von den systematischen Tötungen im Lager gewusst habe.

Die Angeklagte hatte sich anfangs dem Verfahren nicht stellen wollen. Am ersten Verhandlungstag verschwand sie frühmorgens aus ihrem Seniorenheim in Quickborn (Kreis Pinneberg). Die Polizei griff sie Stunden später auf einer Straße in Hamburg auf. Das Gericht erließ einen Haftbefehl. Die damals 96-Jährige verbrachte fünf Tage in Untersuchungshaft.

Erst ganz zum Schluss des Prozesses hatte sie ihr Schweigen gebrochen. "Es tut mir leid, was alles geschehen ist", sagte sie in ihrem letzten Wort. Die 97-Jährige fügte hinzu: "Ich bereue, dass ich zu der Zeit gerade in Stutthof war. Mehr kann ich nicht sagen."

Prozess gegen Ex-KZ-Sekretärin begann im September 2021

Der Prozess hatte am 30. September 2021 begonnen. An den 40 Verhandlungstagen hörte das Gericht acht der zeitweise 31 Nebenkläger als Zeugen. Die Überlebenden des Lagers berichteten vom Leiden und massenhaften Sterben in Stutthof.

Wichtigster Zeuge war jedoch der historische Sachverständige Stefan Hördler, der sein Gutachten in 14 Sitzungen vorstellte. Die Verteidigung hatte einen Befangenheitsantrag gegen ihn gestellt, den das Gericht aber ablehnte.

Im Lager Stutthof bei Danzig hatte die SS während des Zweiten Weltkriegs mehr als hunderttausend Menschen unter erbärmlichen Bedingungen gefangen gehalten, darunter viele Juden. Etwa 65.000 starben nach Erkenntnissen von Historikern.

Das Lager war berüchtigt für die absichtlich völlig unzureichende Versorgung der Gefangenen. Die meisten Menschen starben an Seuchen, Entkräftung und Misshandlung. Es gab jedoch auch eine Gaskammer und eine Genickschussanlage. (AFP/dpa/ank)

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