Die Bundesregierung handelt mit Hilfe der Grünen, was die zahlreich ankommenden Flüchtlinge betrifft. Das neue Gesetz im Faktencheck.

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Was genau ist das Durchgriffsrecht?

SPÖ, ÖVP und Grüne haben sich auf ein Verfassungsgesetz geeinigt, das dem Bund erlaubt, auch gegen den Willen der Länder und Gemeinden Quartiere für Asylwerber zu schaffen. Allein von Jänner bis Juni 2015 gab es in Österreich 28.183 Asylanträge. Das sind 4.697 pro Monat. Auf Basis dieser hohen Zahlen stellt das Durchgriffsrecht eine Art Notmaßnahme dar, um handlungsfähig zu bleiben. Zahlreiche Gemeinden haben nämlich Argumente gefunden, um keine Flüchtlinge aufnehmen zu müssen.

Wann tritt das Durchgriffsrecht in Kraft?

Das Durchgriffsrecht greift ab 1. Oktober 2015. Der Bund kann dann in den kommenden drei Jahren Flüchtlingsquartiere errichten, ohne sich an bisher bestehende Gesetze halten zu müssen. Wenn alle Länder ihre Quoten erfüllen würden, bräuchte es laut Regierung kein Durchgriffsrecht. In der Praxis wehren sich zahlreiche Gemeinden dagegen, Asylwerber aufzunehmen.

Welche Länder erfüllen die Asylquote und welche nicht?

Wien und Niederösterreich nehmen sogar mehr Flüchtlinge auf, als vom Innenministerium verlangt. Mit dem vereinbarten Stichtag am 3. August lagen Vorarlberg und nach eigenen Angaben auch Salzburg leicht im Plus. Im Burgenland waren zum Stichtag 180 Flüchtlinge weniger untergebracht als vereinbart. In Kärnten fehlten 250, in der Steiermark gar 530 Plätze. Oberösterreich brachte 519 Asylwerber weniger unter, als mit dem Innenministerium ausgemacht. Und Tirol erfüllte seine Quote am 3. August zu 95,68 Prozent, was 167 fehlende Plätze bedeutet.

Können sich Gemeinden und Länder gegen eine Unterbringung wehren?

Da es sich beim Durchgriffsrecht um ein Verfassungsgesetz handelt, sind Kritikern die Hände gebunden. Hans Niessl (SPÖ), Landeshauptmann des Burgenlands, spricht sich etwa gegen ein Durchgriffsrecht aus. Auch Vertreter anderer Länder und Gemeinden reagieren mit Skepsis.

Der burgenländische Landeshauptmann-Stellvertreter Johann Tschürtz (FPÖ) verlangt eine Volksbefragung darüber, ob Verfassungsklage gegen das Durchgriffsrecht eingebracht werden soll. Dem Vorschlag versetzte aber LH Niessl einen Dämpfer: "Man darf keine Schmähbefragung machen. Wenn ich eine Befragung mache und weiß, dass es schlussendlich gegen ein Verfassungsgesetz keine rechtlichen Möglichkeiten gibt, dann habe ich die Menschen hinters Licht geführt."

Wie viele Asylwerber müsste jede Gemeinde aufnehmen?

Der Gesetzesentwurf schreibt vor, dass jede Gemeinde mit über 2.000 Einwohnern 1,5 Prozent der Wohnbevölkerung aufnehmen müsste. Für eine 5.000-Einwohner-Gemeinde wären das 75 Asylplätze.

Was passiert, wenn es in den Orten keine geeigneten Unterkünfte gibt?

Dieses Problem wird sich kaum stellen. Prinzipiell hat der Bund die Möglichkeit, Asylwerber auf seinen Grundstücken und in seinen Gebäuden unterzubringen. Wie der Präsident des Österreichischen Gemeindebundes, Helmut Mödlhammer, den "Salzburger Nachrichten" sagte, ist im Entwurf aber auch die Rede davon, dass dies für alle Grundstücke gilt, über die der Bund Verfügungsgewalt hat. Darunter fallen auch Grundstücke, die der Bund von Privaten mietet.

"Da könne im Extremfall eigentlich überall hingebaut werden", sagte Mödlhammer. Zudem entdecken immer mehr Hoteliers, Unternehmer und Privatleute Möglichkeiten, Flüchtlinge unterzubringen. Sie erhalten für jeden volljährigen Flüchtling 19 Euro pro Tag ausbezahlt, exklusive Verpflegung. Bringt jemand beispielsweise 30 Flüchtlinge unter, bedeutet das pro Monat Einnahmen von rund 17.000 Euro.

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