Am Donnerstagabend gelang Kanzlerin Merkel, Innenminister Seehofer und der Spitze der SPD der Durchbruch in den Verhandlungen in der Asylfrage. Ziel war dabei vor allem der Kampf gegen illegale Migration. Da es auch künftig weder "Transitzentren" noch sonstige "Lager" geben wird, verbucht die SPD das Ergebnis der Verhandlungen als ihren Erfolg - doch in Umfragen punkten andere Parteien.

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Weniger Zurückweisungen als ursprünglich erwartet und der Verzicht auf den umstrittenen Begriff "Transitzentren": Beim Koalitionsausschuss am Donnerstagabend wurden die Vorhaben von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) noch einmal abgespeckt.

Am Ende bleibt es eigentlich nur noch beim Ziel, Flüchtlinge, die an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden und in anderen Ländern bereits einen Asylantrag gestellt haben, möglichst schnell zurückzuschicken.

Was sieht die gefundene Regelung vor?

Anstatt der bisher geplanten Transitzentren ist jetzt von "Transitverfahren" die Rede. Sie sollen am Münchner Flughafen oder in bestehenden Einrichtungen der Bundespolizei vorgenommen werden. Damit sei auch klar, dass es "keinerlei Lager" geben werde, sagte SPD-Chefin Andrea Nahles.

Die betroffenen Flüchtlinge sollen binnen 48 Stunden in das zuständige Land zurückgeschickt werden, soweit mit diesem eine entsprechende Vereinbarung für Rückführungen besteht.

Im Koalitionsbeschluss vom Donnerstag ist aber nur noch von jenen Flüchtlingen die Rede, die anderswo bereits einem Asylantrag gestellt haben - nicht mehr auch von Registrierten, wie es noch in Seehofers Masterplan hieß.

Allerdings hatte es schon in der Vereinbarung der Unionsparteien allgemeiner geheißen, es gehe um Asylbewerber, "für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind".

Um wieviele Menschen geht es?

Damit geht es um wesentlich weniger Menschen als bislang angenommen.

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) spricht von vier bis sieben pro Tag. Damit dürften es pro Halbjahr kaum mehr als 1.000 werden.

Zum Vergleich: Die Gesamtzahl der in anderen Ländern bereits Registrierten, die an der Grenze festgestellt werden, wird für den Zeitraum von Januar bis Mitte Juni diesen Jahres mit gut 18.000 angegeben.

Für diejenigen Asylsuchenden, die erst hinter der Grenze angetroffen werden, wird ein "besonderes, beschleunigtes Verfahren" in den geplanten Ankerzentren eingeführt. Laut Seehofer gehe es dabei um 46.000 Asylbewerber.

Kann Deutschland die betroffenen Flüchtlinge zurückschicken?

Um überhaupt zurückweisen zu können, müssen die jeweiligen Erstankunftsländer mitspielen. Die Bundesregierung will dafür entsprechende Vereinbarungen treffen.

Doch vor allem das dafür wichtige Italien sperrt sich bislang dagegen. Unklar ist, was geschieht, wenn es beim Nein Roms bleibt.

In der Koalitionsvereinbarung vom Donnerstagabend heißt es dazu: "In den Fällen, in denen sich Länder Verwaltungsabkommen über die direkte Zurückweisung verweigern, findet die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich statt."

Ein solches Abkommen ist mit Wien aber ebenfalls nicht in Sicht. Der österreichische Kanzler betonte nach der Einigung in Berlin, Er vertraue auf die Zusicherung von Seehofer, dass Deutschland keine Flüchtlinge an die Alpenrepublik zurückweisen werde, für die sein Land nicht zuständig sei.

"Darüber hinaus gilt festzuhalten, dass wir ohnehin nicht bereit gewesen wären, Verträge zulasten unseres Landes abzuschließen", so Kurz.

Warum verbucht die SPD das Ergebnis als Erfolg?

Die SPD verbucht die endgültige Einigung im Asylstreit als Erfolg für sich. Statt einseitiger Zurückweisungen an der Grenze werde nun an einer europäischen Lösung gearbeitet, sagte der Sprecher der Parteilinken, Matthias Miersch, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Und statt geschlossener Lager werden die Rechte der Asylbewerber gewahrt."

Mit einem Einwanderungsgesetz würden zudem noch in diesem Jahr legale Möglichkeiten zur Einwanderung von Fachkräften geschaffen.

Vizekanzler Olaf Scholz sagte nach der Einigung trocken. "Ich glaube, dass wir da eine pragmatische Lösung für die fünf Leute gefunden haben, um die es da pro Tag geht."

In den Tagesthemen ergänzte er: "Wir haben es hinbekommen, dass wieder gearbeitet wird. Das Sommertheater ist jetzt hoffentlich vorbei."

Wem hat der Streit laut Umfragen genützt?

Auch wenn sich die SPD selbst als Sieger sieht, in den jüngsten Umfragen - die jedoch vor dem Donnerstag vorgenommen wurden - kann die Partei nicht profitieren. Sie schwächelt weiterhin, aber auch die Union profitiert nicht.

Ganz im Gegenteil: Seehofer verliert etwa im aktuellen "Deutschlandtrend" der ARD massiv an Zustimmung, die Union büßt in der Wählergunst einen Punkt ein und kommt nur noch auf 30 Prozent.

Grüne und AfD legen einen Punkt zu - mit letzterer also jene Partei, die Seehofer mit seinem Konfrontationskurs bekämpfen will. (dh/cai/dpa/afp)

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