Donald Trump hat Ernst gemacht und gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien Angriffe auf syrische Ziele ausgeführt. Dabei hatte er gerade erst den Rückzug der USA aus Syrien angekündigt. Ist die Unberechenbarkeit und Sprunghaftigkeit taktisches Kalkül? Politikwissenschaftler sind sich uneinig.

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Die Syrienpolitik von Donald Trump wirkt chaotisch. Nach angekündigtem Rückzug und Drohungen Richtung Russland und Syrien haben die USA nun einen Militäreinsatz gegen Syrien gestartet.

Gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien führten die Amerikaner in der Nacht auf Samstag Präzisionsschläge auf Ziele aus, die laut US-Verteidigungsministerium in Verbindung mit Baschar al-Assads Chemiewaffenprogramm stehen. Konkret handle es sich um eine Forschungseinrichtung des Militärs in Barsah bei Damaskus, eine Lagerstätte für Chemiewaffen westlich der Stadt Homs sowie ein weiteres Depot nahe Homs.

Im Präsidentschaftswahlkampf hatte Donald Trump versprochen, die USA möglichst aus Kriegen herauszuhalten und in Bezug auf die amerikanische Außenpolitik gefordert: "Wir brauchen Unberechenbarkeit."

Zumindest letzteres Versprechen löst der Präsident immer wieder ein, wenn er twittert, droht und für Verwirrung sorgt: Noch Ende März hatte Donald Trump in einer Rede vor Industriearbeitern im Bundesstaat Ohio ein baldiges Ende des Syrien-Einsatzes angekündigt.

"Wir werden sehr bald aus Syrien abziehen", sagte Trump. Die US-Soldaten sollten "zurück in unser Land kommen, wo sie auch hingehören".

Keine zwei Wochen später drohte er Syrien offen mit Militärschlägen, sollte sich der Verdacht bestätigen, dass es einen erneuten Giftgasanschlag gegeben hat. Richtung Putin gewandt erklärte er: "Mach dich bereit, Russland. Die Raketen werden kommen, nett und neu und smart."

Später relativierte Trump seine Aussage und twitterte: "Habe nie gesagt, wann ein Angriff auf Syrien stattfinden würde. Könnte sehr bald sein oder gar nicht so bald!". Es war dann doch recht bald.

Syrien-Strategie oder Handeln im Affekt?

Ist Trumps sprunghaftes Verhalten als taktisches Kalkül zu werten oder nur Ausdruck der Unerfahrenheit eines Politik-Neulings? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es nicht.

"Trump hat keine Strategie für die Lösung des Konflikts. Weder für Syrien, noch für die anderen Probleme in der Region", ist sich Prof. Dr. Christiane Lemke sicher. Sie leitet den Arbeitsbereich Internationale Beziehungen am Institut für Politische Wissenschaft der Leibniz Universität Hannover.

Lemke bewertet Trumps Handeln als "ad-hoc"-Reaktion. "Er handelt aus einem Impuls heraus und nicht strategisch. Dafür spricht auch die Art seiner Kommunikation", erläutert die Politikwissenschaftlerin.

Trump teile sich der Weltöffentlichkeit nicht über im Team abgesprochene, wohlüberlegte Reden mit, sondern mittels schnell verfasster Tweets. Einen Militärschlag muss jedoch auch ein US-Präsident mit seinen Beratern besprechen.

Militaristische Außenpolitik

Lemke erinnert daran, dass Trump ohne jegliche politische Erfahrung in das Präsidentenamt gekommen ist. "Er hat sich zwar mit Beratern umgeben, die teilweise mehr Erfahrung haben, aber das Grundproblem bleibt: Trump fehlen die Kenntnisse und strategischen Fähigkeiten, die man für das Präsidentenamt in einer so komplizierten Welt braucht", sagt die Politikwissenschaftlerin. Hinzu komme, dass Trump wenig Rat und Expertise annehme.

Seine Aussagen, Drohungen und Tweets seien in sich widersprüchlich. "Die tiefere militärische Verstrickung steht im völligen Widerspruch zur Rückzugsstrategie. Das ist keine Strategie, sondern zeigt die Konzeptionslosigkeit. Die Folgen eines Militärschlags sind nur schwer abzuschätzen", mahnt Lemke.

Trump vertrete generell eine sehr militaristische Außenpolitik: Lemke: "Er setzt auf militärische Stärke anstatt auf diplomatische Verhandlungen."

Unterschied zum Vorgänger Obama

Damit unterscheidet sich Trump deutlich von seinem Vorgänger Barack Obama. Dieser hatte während seiner Amtszeit zwar angekündigt, Syrien zu bestrafen, solle es "die rote Linie" überschreiten und Giftgasangriffe gegen die eigene Bevölkerung ausführen, aber anschließend nicht durchgegriffen.

"An unseren sehr dämlichen Anführer" twitterte Trump noch 2013 an Obama gerichtet, "greifen Sie Syrien nicht an – wenn Sie das tun werden viele schlimme Dinge passieren."

Fünf Jahre später ist es Trump, der den Befehl zum Militärschlag in Syrien gibt.

"Nach der massiven Warnung wird Trump nicht mehr hinter seine Drohungen zurückkönnen", hatte der ehemalige US-Botschafter John Kornblum am Freitag im Gespräch mit den Zeitungen der "Funke Mediengruppe" prophezeit. "Jetzt gar nichts zu machen, käme einem Gesichtsverlust gleich."

Syrien nur Nebenkriegsschauplatz

Politikwissenschaftler Dr. Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) erkennt in Trumps Handeln hingegen sehr wohl eine Strategie.

"Man muss verstehen, dass Trump einem anderen Leitbild folgt. Es geht nicht mehr um ein liberal-internationalistisches Weltbild und darum, dass Amerika eine regelbasierte Ordnung aufrechterhalten will", erklärt der Experte.

Im Gegenteil wolle das aktuelle Amerika unter Trump die bisherige Ordnung einreißen. "Wenn man alles Verlässliche zerstört, dann hat derjenige in der Welt das Sagen, der die größte Militärmacht hat – und das sind die USA", führt er aus.

Man müsse das Weltbild nicht teilen, aber in der Lage sein, sich hineinzuversetzen. "Im Kosmos dieser Ideen ist Trumps Handeln durchaus logisch und verständlich", sagt Braml.

Experte: Trump hat anderes Weltbild

Der Politikwissenschaftler will das aber nicht allein auf Trumps Person beziehen. "Dieses personalisierte Denken ist wie Küchenpsychologie", warnt Braml.

"Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass es nur Trump als mächtigen Entscheider gibt. An seiner Seite sitzt als Nationaler Sicherheitsberater John Bolton", führt er aus.

Dieser habe seine Agenda bereits vor drei Jahren in der "New York Times " empfohlen: "To stop Iran’s Bomb, bomb Iran " – "Um die iranische Bombe zu stoppen, bombardiert den Iran."

Hinter dem Handeln der USA steckt für Braml klar eine geostrategische Agenda: "Syrien ist nur ein Nebenkriegsschauplatz für die künftig wohl härtere Gangart gegenüber dem Iran", vermutet er. Durch die moralische und strategische Begründung der Militäreinsätze in Syrien sei der Iran jetzt schon gebrandmarkt worden.

Konflikt könnte sich ausweiten

"Wir dürfen nicht den Fehler machen, Trump weiterhin zu unterschätzen", warnt Braml. "Es geht um Geopolitik. Das ganze Getwittere kann auch stellenweise bewusste Ablenkung sein".

Trump stelle sich ein Kriegskabinett zusammen. Für die Alliierten, die als Verbündete auf Vertrauen setzen, sei das aktuelle Handeln des Präsidenten denkbar problematisch.

Durch die Umsetzung des angedrohten Militärschlags in Syrien wurden die Karten neu gemischt. "Die Region wird destabilisiert, der Konflikt weitet sich aus", prognostiziert Braml.

Aber: "Das ist nicht das Problem der USA, sie sind weit weg. Es wird Europas Problem werden, wenn erneut Flüchtlinge zu uns kommen."

Prof. Dr. Christiane Lemke ist Leiterin des Arbeitsbereichs Internationale Beziehungen am Institut für Politische Wissenschaft der Leibniz Universität Hannover. Sie lehrt und forscht im Bereich der Internationalen Beziehungen, der europäischen Integrationsforschung, der Transatlantischen Beziehungen und der US-Politik.
Dr. Josef Braml ist USA-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch in seinem Blog usaexperte.com.
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