Kaum waren die Handelszölle in Kraft, schon waren sie wieder ausgesetzt. Donald Trump hat am Mittwoch eine Zollpause von 90 Tagen verkündet. Das könnte auch mit den kommenden Zwischenwahlen zusammenhängen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Weyell sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

"It is the economy, stupid!", mit diesem Slogan gewann der ehemalige US-Präsident Bill Clinton 1992 die US-Präsidentschaftswahlen. Lose übersetzt bedeutet der Satz: "Auf die Wirtschaft kommt es an". Diese Einschätzung ist in den USA sprichwörtlich geworden und wird bei jeder größeren Wahl wieder bemüht. Es gilt: Geht es der Wirtschaft schlecht, hat auch der Amtsinhaber und seine Partei schlechte Chancen auf eine Wiederwahl.

Mehr aktuelle News

Oftmals war dieser Kausalzusammenhang unfair und hatte wenig mit dem Handeln des Amtsinhabers zu tun. Politik wirkt langsam und manche Maßnahme eines US-Präsidenten zeigte erst bei seinem Nachfolger wirklichen Effekt. Nicht so bei den jüngsten Handelszöllen des US-Präsidenten. Kaum waren diese verkündet, sackten die Börsen weltweit zusammen. Die Kurse befanden sich seither auf Talfahrt – bis der US-Präsident am vergangenen Mittwoch überraschend verkündete, dass die Zölle für 90 Tage ausgesetzt werden. Seither erholen sich die Börsen weltweit, auch der deutsche Dax. Nun soll verhandelt werden.

Drohende Auswirkungen auf die Zwischenwahlen

Grund dafür könnten auch parteistrategische Überlegungen sein. Denn in den USA finden im kommenden Jahr die sogenannten Zwischenwahlen ("Midterm-Elections") statt. Hier wird ein Drittel der Senatoren und das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt. Seit der Präsidentschaftswahl im vergangenen Herbst dominieren die Republikaner beide Kammern. Das könnte sich aber bei der nächsten Wahl grundlegend ändern – dann, wenn die Börse sich nicht von der Krise erholt, die die Handelszölle ausgelöst hat.

Dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Zölle bis zu den Zwischenwahlen verschwunden sind, hält Christian Lammert von der Freien Universität Berlin für unwahrscheinlich. "Die Unsicherheit durch Trumps Politik belastet die Märkte weiterhin. Kurzfristige Erholungen könnten auftreten, aber langfristig bleibt der Schaden bestehen", erklärt der Lehrstuhlinhaber für Nordamerikanische Politik. Die Folgen seiner Handelspolitik könnten Trump also bei den Zwischenwahlen einholen.

Die Kurskorrektur könnte also auch mit der Sorge, um die Mehrheit im Kongress zu begründen sein, denn: "Ohne Unterstützung des Kongresses wird es für den US-Präsidenten schwierig, andere politische Ziele umzusetzen, was seine Position weiter schwächen könnte", so Christian Lammert.

Das ist der Grund für Trumps Rückzieher im Zollkrieg

Gerade erst verhängte US-Präsident Donald Trump umfassende Zölle gegenüber allen Handelspartnern - nun folgte überraschend ein Rückzieher. Die Turbulenzen an den Börsen dürften der Grund sein, dass Trump kalte Füße bekam. Das legen Äußerungen vor dem Weißen Haus nahe.

Kann die EU Trumps Schwäche hier ausnutzen?

Was die Frage aufwirft, ob die drohenden Zwischenwahlen für andere Länder zum Hebel im Handelskrieg mit den USA werden können. Die EU könnte etwa durch gezielte Gegenmaßnahmen oder Verhandlungsangebote Druck ausüben, um Zugeständnisse zu erreichen, so Nordamerika-Experte Lammert: "Eine Strategie wäre, Gegenzölle auf US-Produkte zu verhängen und gleichzeitig Verhandlungsbereitschaft zu signalisieren, um nicht von Trump als Schuldiger hingestellt werden zu können."

Letztlich wäre der US-Präsident dann unter Druck, Ergebnisse zu liefern. Die vergangenen Wochen haben gezeigt, wie negativ sich Handelszölle auch auf die US-Wirtschaft und die Börse auswirken. Ein Festhalten an den Zöllen nach dem Ende der 90-tägigen Verhandlungspause müsste gut begründet sein, sonst könnten die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen Trumps Partei schaden.

Der immer noch bestehende Handelskrieg mit China könnte außerdem dazu führen, dass die Konsumentenpreise in den USA ansteigen. Trump hatte zuletzt die Zölle auf chinesische Waren auf 125 Prozent erhöht. Das könnte durch chinesische Gegenmaßnahmen auch die US-Konsumenten hart treffen. "Sollte die Inflation in den USA in den kommenden Monaten massiv steigen, wird es für die Trump-Administration unangenehm", so Julian Müller-Kaler vom US-amerikanischen Stimson Center.

Jobs im produzierenden Gewerbe zurück in die USA zu holen ist eine Herkulesaufgabe

Ein weiteres Ziel, welches Trump mit den Handelszöllen verfolgt, nämlich Jobs aus dem produzierenden Gewerbe wieder in die USA zu holen und damit die Beschäftigungsquote zu erhöhen, sei ohnehin illusorisch, so Müller-Kaler. Viele dieser Jobs seien in den USA ohnehin automatisiert und Investitionen in diesen Bereich würden, wenn, dann in automatisierte Bandproduktion fließen.

"Trumps Fokus auf das Handelsbilanzdefizit im Produktbereich übersieht die Tatsache, dass sich die USA inzwischen zu einer servicebasierten Ökonomie gewandelt hat. Das umzukehren, ist eine Herkulesaufgabe", so Müller-Kaler.

Wie weit geht die Republikanische Partei?

Am Ende hängt auch viel davon ab, inwiefern Trumps Partei, die Republikaner, bereit sind, die Politik des US-Präsidenten mitzutragen – gerade in Anbetracht der drohenden Zwischenwahlen. In der Vergangenheit haben sich die Abgeordneten der Republikaner als leidensfähig erwiesen und waren bis über die Schmerzgrenze hinaus bereit, jede noch so abstruse Entscheidung durchzuwinken. Abweichler wurden bestraft, entweder durch den US-Präsidenten oder durch die Wähler. "Die Republikanische Partei ist schon vor längerer Zeit zur Trump-Partei geworden, wo jede öffentlich vorgetragene Kritik einem politischen Selbstmord gleichkommt", so Müller-Kaler.

In der Sommerpause wird sich jedoch so mancher republikanische Abgeordnete den Unmut der eigenen Wähler im Wahlkreis anhören müssen, hinsichtlich der schlechten Wirtschaftslage. Gut möglich, dass das einige Abgeordnete zum Umdenken bringen wird und der Druck auf den US-Präsidenten innerhalb seiner eigenen Partei wächst, auch dauerhaft den Kurs zu ändern.

Die aktuelle Kurskorrektur scheint hier ein erstes Zeichen zu sein, denn es ist nicht das erste Mal, dass Donald Trump in Sachen Handelszöllen einen Rückzieher macht. In der Vergangenheit ist er oft, nach Verhandlungen einknickt. So geschah es während Trumps erster Amtszeit und so ist es auch dieses Mal im Fall von Mexiko und Kanada geschehen.

Über die Gesprächspartner

  • Christian Lammert ist Professor für Politikwissenschaft. Er hat den Lehrstuhl für Nordamerikanische Politik am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin inne.
  • Julian Müller-Kaler leitet das Programm für Strategische Vorausschau beim Stimson Center, einem unabhängigen Thinktank in der US-Hauptstadt Washington. Er ist darüber hinaus Associate Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.

Verwendete Quellen