Ein Lüneburger Wissenschaftler hat eine Persönlichkeitsanalyse des US-Präsidenten erstellt. Seine Ergebnisse: Donald Trump hat einen extremen Charakter, ist aber keineswegs unberechenbar.
Mehr als ein Jahr ist
Der Wirtschaftspsychologe verfolgt die Geschicke Trumps seit Jahren und hat eine auf Beobachtungen basierende Persönlichkeitsanalyse erstellt. Mit Hilfe dieser, sagt Puppatz, können Trumps Entscheidungen der vergangenen zwölf Monate besser nachvollzogen und dessen zukünftiges Verhalten relativ gut vorhergesagt werden.
Die Analyse, die der Redaktion vorliegt, stützt sich auf den sogenannten "Big-Five"-Ansatz. Dieser gilt als Standardmodell der Persönlichkeitsforschung und beleuchtet fünf Faktoren: Verträglichkeit, Extraversion, Offenheit, Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus.
Trump scheint Konflikte zu suchen
Menschen mit geringer Verträglichkeit gelten als wettbewerbsorientert. Sie stellen die eigenen Ziele in den Vordergrund und sind selten kompromissbereit. Für Puppatz ist Trump ein "geradezu lehrbuchmäßiges Beispiel für eine hochgradig unverträgliche Person".
Der US-Präsident scheine Konflikte geradezu zu suchen. "Besonders bemerkenswert dabei ist, dass es für Trump offenbar keine Rolle spielt, welche Konsequenzen dies für die öffentliche Wahrnehmung hat", sagt Puppatz im Gespräch mit unserer Redaktion.
So soll der US-Präsident kürzlich Haiti und Teile Afrikas als "Dreckslöcher" bezeichnet haben - der erwartbaren Aufruhr zum Trotz.
Zudem hat Puppatz bei Trump einen Hang zur Selbstüberschätzung beobachtet. Als Beispiel führt er die nicht haltbare Behauptung Trumps an, seine Amtseinführung hätte eine größere Menschenmenge angezogen als die Obamas.
Auch die Prahlerei über die Größe des eigenen Atomknopfes im Streit mit Nordkoreas Machthaber
"Trump liebt es, im Mittelpunkt zu stehen"
"Trump gibt sich als Mann des Volkes. Er liebt es, im Mittelpunkt zu stehen", sagt Puppatz. Die Extraversion (oder auch Extrovertiertheit) Trumps bewertet er deshalb als "extrem hoch".
Auch dessen hohes Mitteilungsbedürfnis, abzulesen an den vielen täglichen Tweets, sei ein Anzeichen für die extreme Ausprägung dieses Persönlichkeitsmerkmals, genau wie die Neigung zu riskanten Handlungen:
Vor einigen Wochen sorgte er weltweit für Aufruhr, indem er entschied, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Seine Vorgänger hatten diesen Schritt aus Angst vor einer weiteren Eskalation des Nahostkonflikts stets vermieden.
US-Präsident idealisiert die Vergangenheit
So extrovertiert Trump auch ist, an Offenheit fehlt es ihm laut Puppatz fast gänzlich. Menschen mit geringer Offenheit gelten als beständig und schätzen Dinge, die sich in der Vergangenheit als gut erwiesen haben.
Schon Trumps Wahlspruch erscheint rückwärtsgewandt. "Der Slogan 'Make America Great Again' verspricht einzig und alleine, die gute, alte Zeit zurückzuholen, in der Amerika unangefochtene wirtschaftliche und militärische Supermacht war", sagt Puppatz.
Im Gegenzug steht Trump wissenschaftlichem Fortschritt misstrauisch gegenüber. Den Klimawandel scheint er nicht ernst zu nehmen, Forschungsgelder hat er massiv gekürzt.
Mit seiner Intoleranz anderen Werten und Kulturen gegenüber erfülle Trump ein weiteres Merkmal geringer Offenheit. Schon oft musste er sich den Vorwurf gefallen lassen, ein Rassist zu sein, unter anderem, weil er Mexikaner als Drogenhändler und Vergewaltiger verunglimpft und islamfeindliche Videos auf Twitter verbreitet hat. Für letzteres hatte er sich zumindest jüngst entschuldigt.
Zielstrebig, aber wenig durchdacht
Die Gewissenhaftigkeit Trumps lasse sich dagegen nicht so leicht einordnen. Auf der einen Seite wirke er sehr zielstrebig und leistungsorientiert. Auch Ausdauer und Willensstärke zeichneten ihn aus.
Auf der anderen Seite verblüffe er immer wieder mit Unkenntnis wesentlicher politischer Zusammenhänge. So soll er sich bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin
Stressresistent, doch leicht reizbar
Auch beim Neurotizismus, der psychischen Robustheit einer Person, ist das Bild, das Trump abgibt, laut Puppaz "ambivalent".
Obwohl kaum eine Person unter so großem öffentlichen Druck steht wie Trump, wirkt dieser auf den Wissenschaftler nicht ansatzweise verunsichert. Er verfüge über hohe Stressresistenz und strahle stets hohe Zuversicht aus.
Gleichzeitig gilt Trump als impulsiv und leicht reizbar, nicht nur, weil er sich von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un zu einem Krieg der Worte anstacheln ließ.
Außergewöhnliches Persönlichkeitsprofil
Insgesamt ergibt sich für Puppatz ein außergewöhnliches Persönlichkeitsprofil: Drei zentrale Persönlichkeitsfaktoren sind extrem ausgeprägt. Eine derart geringe Verträglichkeit, gepaart mit eingeschränkter Gewissenhaftigkeit, seien für einen demokratisch gewählten Politiker in einer solchen Position ausgesprochen untypisch.
Als Gegenspiel führt der Wirtschaftspsychologe Bundeskanzlerin Angela Merkel an: "Nach allem, was man weiß, ist sie introvertiert und für eine Politikerin recht verträglich", erklärt er. Außerdem sei sie sehr gewissenhaft und psychisch robust.
Und noch etwas an Trumps Persönlichkeit sei ungewöhnlich: "Nur wenige Menschen tragen ihre Persönlichkeitsmerkmale so offen nach außen wie Trump."
Trump setzt Erfolg mit Stärke gleich
Puppatz ist überzeugt, dass seine Erkenntnisse helfen, den US-Präsidenten besser einschätzen zu können. "Es ist klar erwiesen, dass es stabile statistische Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und konkretem Verhalten gibt. Das heißt, wenn ich die Persönlichkeit eines Menschen kenne, dann kann ich recht gut vorhersagen, auch mit einer gewissen statistischen Wahrscheinlichkeit, wie er sich wohl in bestimmen Situationen verhalten wird", sagt er.
Er prophezeit: "Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird Trump auch in Zukunft Konfliktsituationen suchen oder sogar kreieren, da er politischen Erfolg mit Stärke und Dominanz gleichsetzt." Statt vermittelnd zu agieren, werde der US-Präsident mit aller Kraft versuchen, die Auseinandersetzung für sich zu entscheiden. "Sollte er sich provoziert fühlen, wird er schnell und mit großer Entschlossenheit zurückschlagen."
Außerdem werde Trump bei wichtigen Entscheidungen "mit hoher Wahrscheinlichkeit 'all in' gehen." Er werde keine kleinen Fortschritte anstreben, sondern große Lösungen, die ihm "im Erfolgsfall maximale positive Bestätigung verschaffen und einen Platz im Rampenlicht garantieren". Das Risiko zu Scheitern gehe er dafür ein.
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