US-Präsident Donald Trump will vom Kongress seit Monaten Gelder für die Grenzmauer zu Mexiko bewilligt bekommen - erfolglos. Nun könnte ihm die Hurrikan-Saison endgültig einen Strich durch die Rechnung machen. Warum die Wirbelstürme Harvey und Irma die Politik des mächtigsten Mannes der Welt beeinflussen.
Wenn sich Staatschefs in Zeiten nationaler Krisen präsidial verhalten und den Menschen Mut zusprechen, nehmen ihre Beliebtheitswerte gewöhnlich zu.
Man denke an Gerd Schröder, dem die Oderflut seine Wiederwahl 2002 sicherte, oder George W. Bush, der in den Monaten nach dem 11. September 2001 so beliebt war wie zu keinem anderen Zeitpunkt seiner Präsidentschaft.
Auch
Abseits der Umfragewerte könnten die Wirbelstürme, denen schon Dutzende Menschen zum Opfer gefallen sind, auch Trumps weitere Politik beeinflussen. Wird er die Gelder für sein milliardenschweres Mauerprojekt von Kongress erhalten, wenn gerade rund acht Milliarden Dollar Soforthilfe für Betroffene von Harvey bewilligt wurden?
"In einer Zwickmühle, was die Mauer betrifft"
Trumps lange angekündigter Bau einer "großen, mächtigen und wunderschönen Mauer" an der Grenze zwischen den USA und Mexiko stand schon vor den aktuellen Naturkatastrophen auf der Kippe.
Ein durchgehender Zaun zwischen Golf von Mexiko und Pazifik - 3.200 Kilometer durch teils unwegsame Berg- und Wüstenabschnitte - würde nach Schätzungen bis zu 40 Milliarden Dollar (rund 37 Mrd. Euro) kosten.
Selbst Trumps früherer Heimatschutzminister und jetziger Stabschef
Der von den Republikanern dominierte Kongress bewilligte Trump nicht einmal 1,6 Milliarden US-Dollar (rund 1,35 Millionen Euro) für die Startfinanzierung sowie neue Personalstellen für Grenzschutz- und Abschiebungsbeamte.
Diese Summe konnte erst durch Umschichtungen im Budget des Heimatschutzministeriums bereitgestellt werden.
Nun scheint die Lage für den Präsidenten noch verfahrener. "Trump ist aufgrund der hohen Kosten für Hurrikan Harvey jetzt in einer Zwickmühle, was die Mauer betrifft", sagt Prof. Boris Vormann vom Bard College Berlin im Gespräch mit unserer Redaktion.
"Das hat Konsequenzen für die Besprechung des Budgets und die Verteilung der Mittel, ganz klar." Auch große Teile der amerikanischen Öffentlichkeit dürften in einer der schlimmsten Hurrikan-Saisons der US-Geschichte wenig Verständnis haben, wenn eine Mauer Priorität besäße.
"Harvey hat diesem wahnsinnigen Traum einen harten Schlag versetzt", kommentiert Paul Waldman in der Washington Post.
Krise als Chance für Trump
Eine andere Lesart der politischen Folgen der Stürme bietet Michael Meier an, der Direktor der Friedrich-Ebert-Stiftung USA und Kanada.
"Vielleicht ergibt sich für Trump daraus ja sogar eine Chance, um doch noch eins der mehreren großen Gesetzesvorhaben in diesem Jahr durchzubekommen", teilte der US-Kenner auf Anfrage unserer Redaktion mit.
Grund für Meiers Annahme ist die Abwendung des sogenannten Government Shutdown. Den konnte Trump Mitte der Woche nach Verhandlungen mit den hochrangigen Demokraten Chuck Schumer und Nancy Pelosi verhindern. Ohne Einigung hätten viele Bundesbehörden aus Geldmangel den Betrieb einstellen müssen.
Nun sind die Gelder bis Mitte Dezember freigegeben, auch die Erhöhung der Schuldenobergrenze im US-Haushalt ist bis dahin gesichert. Kurz vor Weihnachten muss neu verhandelt werden.
Trump habe damit "Handlungsfähigkeit bewiesen", erklärt Meier, "und dass er ein Dealmaker ist". Der Präsident hatte zuvor mit der Stilllegung der Regierung gedroht, sollte der Kongress keine Gelder für sein Mauerprojekt bewilligen.
Meier ist überzeugt, dass es auch im Dezember "auf keinen Fall" zum Shutdown kommen werde. Trump könne die Finanzierung der Mauer in "ein paar kleinere Projekte packen" und "mit Verweis auf den Notstand in Texas und Florida den eigentlichen Bau ins kommende Jahr verschieben." 2018 wird das Repräsentantenhaus neu gewählt, dann werden die Karten neu gemischt.
Weitere Folgen für Trumps Politik?
Dazu könnte auch eine großzügige Ausgabenpolitik Trumps beitragen. "Der Bau der Mauer, die Aufrüstung des Militärs, der Ausbau von Veteranenprogrammen - das alles wäre mit erheblichen Kosten verbunden", sagt Boris Vormann.
"Die Ausgaben für die Sturmschäden werden die Diskussion im Kongress anheizen, ob man das Budget nicht doch klein halten muss." Besonders der rechte Flügel der Republikaner streitet energisch für einen schlanken Staat mit niedrigen Ausgaben.
In Sachen Obamacare, der verhassten Gesundheitsreform, und der lange angekündigten Steuerreform will Trump ebenfalls noch liefern.
Auch wenn Erfolge bei diesen Themen angesichts seiner zerstrittenen Partei eher unwahrscheinlich sind, wird der US-Präsident immer wieder beweisen wollen, so Michael Meier, "dass er als Unternehmer-Präsident handlungsfähig ist und den großen Wurf wagt".
Ob er wie im Fall des abgewendeten Government Shutdowns Teile der eigenen Partei bloßstellt, ist für Trump offenbar unwichtig. Auf klassische Mehrheiten gibt er offenbar nicht viel.
"Mal sehen, wen er beim nächsten Mal vor den Kopf stößt", blickt Meier voraus. Trump sei sehr viel mehr ergebnisorientiert als ideologiebehaftet. "Da könnte es also noch Überraschungen geben."
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