Der Konflikt mit dem Iran ist ins Zentrum der US-Außenpolitik gerückt. Die Wortwahl in beiden Ländern wird deutlich schärfer – Beobachter sprechen gar von Kriegsrhetorik. Was passiert, wenn die Strategie des Drucks von US-Präsident Donald Trump nicht wirkt?
Der iranische Präsident Hassan Ruhani hat etwas geschafft, was er vielleicht gar nicht angestrebt hatte: Kein anderes Land macht bei den Vereinten Nationen in der Woche der Generalversammlung so viele Schlagzeilen wie das von ihm repräsentierte Land - vom Gastgeber USA einmal abgesehen.
Trump vs. Ruhani
Die Sitzungswoche der 73. Generalversammlung der Vereinten Nationen, die am 18. September eröffnet wurde, ist zu einer Art Stellvertreterveranstaltung für einen der großen Konflikte der Weltpolitik geworden: die Vereinigten Staaten gegen den Iran. Christliches Abendland gegen islamisches Morgenland. Ölexporteur gegen Ölexporteur.
Der Konflikt mit dem Iran ist für US-Präsident Donald Trump zur wichtigsten außenpolitischen Fragestellung geworden. Entsprechend große Geschütze fahren die Amerikaner in New York auf.
Der Iran ist der Hauptbestandteil in Trumps UN-Rede, er wird wichtiges Thema im Weltsicherheitsrat, dessen Sitzung Trump leitet. Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo geben ihre Sicht auf die Dinge bei einem eigens einberufenen Iran-Gipfel zum Besten. Am Freitag will das US-Außenministerium noch einmal die Menschenrechtslage thematisieren.
Dass auch Benjamin Netanjahu, Israels streitbarer Ministerpräsident, bei seiner Rede am Donnerstag einen Gutteil der Zeit auf den Erzfeind verwenden wird, gilt als sicher. Schließlich ist Israel eines der wenigen der 193 Länder der Vereinten Nationen, die hinter Trumps extrem konfrontativer Iran-Politik stehen. Neben Israel kann Trump auf Saudi-Arabien setzen. Auf die Verbündeten aus Europa eher nicht.
Isolation sieht anders aus
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini organisierte noch kurz vor der Vollversammlung eine Zusammenkunft der Mitglieder des Atomabkommens mit der Islamischen Republik.
Mit Hilfe eines Finanzvehikels soll den wieder eingeführten US-Sanktionen die Wirkung zumindest für diejenigen genommen werden, die mit dem Iran Geschäfte machen wollen.
Als Mogherini das verkündete, stand Mohammed Dschawad Sarif neben ihr auf dem Podium, der iranische Außenminister. Ein Bild, das der Führung in Teheran in die Karten spielen dürfte: Der Iran eingebettet in die Gemeinschaft, Amerika die Stirn bietend - so könnte man es zumindest interpretieren. "Isolation" jedenfalls, wie sie Trump von den Verbündeten fordert, sieht anders aus.
Die Europäer, vom Atomdeal und seiner zähmenden Wirkung auf den Iran überzeugt, stehen vor einer Herausforderung. Sie wollen den Pakt aufrechterhalten und sind bereit, dafür viel zu tun. Aber sie wollen auch nicht verschwiegen haben, dass die US-Kritik am Iran nicht völlig unberechtigt ist - wenngleich in Teilen rhetorisch überzogen.
In Berlin, London oder Paris rollen die Augen, wenn Trumps Sicherheitsberater John Bolton am Rande der UN-Vollversammlung Sätze sagt, wie: "Der Atomdeal ist das schlimmste Debakel in der Geschichte der US-Diplomatie." Aber dort weiß man auch: Der Iran ist nicht gerade zimperlich, wenn es um die Unterstützung von Terroristen geht, wenn die Einmischung in Syrien und im Jemen zu diskutieren ist, wenn man über Provokationen und Drohgebärden gegenüber Israel spricht.
Konflikt erreicht "nächste Eskalationsstufe"
US-Außenminister Mike Pompeo zeigte am Dienstag offen, was er von der Haltung der Europäer hält: nichts. "Das ist eine der denkbar kontraproduktivsten Maßnahmen für regionalen und globalen Frieden und Sicherheit", sagte er über den Umgang der EU mit dem "Verbrecherregime".
Sicherheitsberater Bolton stößt sogar offene Drohungen aus: "Das mörderische Regime und seine Unterstützer werden bedeutenden Konsequenzen gegenüberstehen, wenn sie ihr Verhalten nicht ändern. Lassen sie meine Botschaft heute deutlich sein: Wir beobachten und wir werden hinter euch her sein."
Für einige Beobachter klingt das alles schon wie Kriegsrhetorik. Österreichs Präsident Alexander Van der Bellen zeigte sich im Gespräch mit Journalisten äußerst besorgt. Aus der Rhetorik des US-Präsidenten schließe er, "dass ein Krieg mit dem Iran früher oder später ins Auge gefasst wird". Mit seiner Wortwahl habe Trump "die nächste Eskalationsstufe" gezündet, zitiert ihn die Tageszeitung "Der Standard".
Jamal Abdi, vom Nationalen Iranisch-Amerikanischen Rat, einer Lobbyorganisation für die gegenseitigen Beziehungen, sagte, Trump behaupte zwar, er wolle gute Beziehungen. "Aber mit dem Versprechen neuer Sanktionen und der Aufforderung zur Isolation hat er nicht viel mehr getan, als die Vereinigten Staaten weiter auf dem Weg in Richtung eines Krieges zu ziehen", sagt Abdi.
"Iran vor Alternative: Kapitulation oder Krieg"
Tatsächlich zwingt sich Trump mit seiner Politik des Drucks auf Teheran selbst in eine Eskalationsspirale. Eine Gruppe von mehr als 50 ehemaligen Politikern, Botschaftern, Militärs und Fachleuten, darunter Ex-Außenministerin Madeleine Albright, hat einen sorgenvollen Brief in Sachen Iran veröffentlicht.
Der Rückzug aus dem Atomabkommen habe für die USA keinerlei strategischen Vorteil gebracht. "Weil es keine politischen Versuche gibt, den Iran zur Erfüllung von zwölf Forderungen zu bringen, stellt man den Iran vor die Alternative: Kapitulation oder Krieg", heißt es in dem Papier. (jwo/dpa) © dpa
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