Die EU berät über Gegenmaßnahmen zu Trumps Zöllen. Eine Digitalsteuer wäre dabei ein mächtiges Instrument. Doch was würde das bedeuten – für Tech-Konzerne, Wirtschaft und Verbraucher?
450 Millionen Menschen leben in der EU, und die meisten davon nutzen Dienste der US-Techkonzerne. Sie schreiben auf Whatsapp, bestellen auf Amazon und vertreiben sich die Zeit mit Youtube, Netflix und Instagram.
Es liegt also auf der Hand, dass die EU die US-Wirtschaft hier im Handelskrieg empfindlich treffen kann – wenn sie denn will. Zum Beispiel mit einer Digitalsteuer für alle großen Tech-Unternehmen.
Noch hat die EU nichts dergleichen angekündigt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen schlägt leise Töne an und setzt auf Verhandlungen. Da ist es ganz nützlich, dass man die Digitalsteuer als große Waffe noch in der Hinterhand hat.
Digitalfirmen zahlen bislang deutlich weniger Steuern
Zumal es auch ohne den Handelskrieg genug Argumente für eine solche Steuer gäbe. Das zeigt ein Gutachten des Center for European Policy Studies (CEPS): Demnach führten die Tech-Konzerne zuletzt lediglich 9,5 Prozent ihrer Gewinne aus dem Europageschäft an den Fiskus ab. Bei klassischen Unternehmen aus dem Handel oder der Industrie lag der Steuersatz dagegen bei 23,3 Prozent.
Deshalb halten Grüne und Linke eine Besteuerung auch unabhängig vom Handelskrieg für überfällig. Trumps Zölle gegen die ganze Welt sind für sie ein günstiger Moment, um die Digitalsteuer wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Und so ist die Diskussion in vollem Gange, wie eine solche Steuer aussehen könnte.
Im Gutachten des CEPS, das von den europäischen Grünen in Auftrag gegeben wurde, wird eine Variante präsentiert. Das CESP errechnet, dass die EU mit einem Steuersatz von fünf Prozent auf alle Online-Umsätze der großen Tech-Firmen jährlich 37,5 Milliarden Euro einnehmen könnte. "Eine stärkere Besteuerung der Techkonzerne ist fair und weist Musk und seine Freunde in die Schranken", sagte deshalb der Grünen-Europaabgeordnete Rasmus Andresen im Spiegel (Bezahlinhalt).
"Die Milliardäre sollen zahlen, auch wenn sie in Kalifornien sitzen."
Auch Linken-Chef
Eine andere Variante präsentiert die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, in der Rheinischen Post. Sie schlägt vor, die Steuer nur auf die Werbeeinnahmen von Plattformunternehmen zu erheben anstatt auf den Umsatz. Das wäre laut Schnitzer "eine besonders effektive Maßnahme". Eine solche Steuer würde vor allem Meta, X und Alphabet treffen, die auf das Werbegeschäft angewiesen sind.
Digitalsteuer trifft auch Werbekunden und Konsumenten
Doch führende EU-Politiker wie der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei,
Auch in Teilen der europäischen Wirtschaft gibt es Bedenken. Der Präsident des Digitalverbandes Bitkom, Ralf Wintergerst sagte am Freitag: "Insbesondere bei einer Digitalsteuer würden die Zeche eines solchen in den digitalen Raum verlagerten Handelskrieges dann die hiesigen Unternehmen, Verwaltungen und Bürgerinnen und Bürger zahlen."
Die Befürchtung ist, dass die Tech-Konzerne die Kosten weitergeben – an ihre Werbekunden, Handelspartner und Kunden in der EU. Das bedeutet für die Verbraucher konkret: Streaming könnte teurer werden, und auch das Bestellen auf Amazon würde mehr kosten.
Trotzdem würde eine solche Steuer die Tech-Unternehmen hart treffen, da sie durch die höheren Preise einen Wettbewerbsvorteil in der EU einbüßen würden.
Zweimal verhinderten die USA bereits eine Digitalsteuer
Doch es ist fraglich, ob die EU ihre größte Waffe wirklich scharf stellt. Bereits zweimal war eine Digitalsteuer der EU geplant. Beide Male wurde doch nichts daraus. Beim ersten Versuch 2019 scheiterte die Einführung unter anderem an Deutschland. Der damalige Finanzminister Olaf Scholz fürchtete wohl Gegenmaßnahmen der USA, die die deutsche Autoindustrie treffen könnten. Der US-Präsident damals:
Beim zweiten Anlauf 2021 saß die EU mit Joe Biden am Verhandlungstisch. Dort opferte sie die Digitalsteuer, um die USA bei einem globalen Mindeststeuerabkommen ins Boot zu holen. Die Mindeststeuer sollte auch Tech-Konzerne dazu verpflichten, 15 Prozent Steuern auf ihre Gewinne zu zahlen – und zwar an die Länder, in denen die Gewinne gemacht werden. Allerdings entfaltete das Abkommen nie seine Wirkung. Der US-Kongress zögerte eine Umsetzung immer weiter hinaus.
Als Trump schließlich als Präsident zurückkehrte, erklärte er direkt den Ausstieg der USA aus dem Mindeststeuerabkommen. Sehr zur Freude der Tech-Giganten um Musk, Bezos und Zuckerberg, die für ihre Produkte in der EU weiterhin deutlich weniger Steuern zahlen als andere.
So bleibt die Digitalsteuer weiter vor allem ein Druckmittel. Trumps enge Verbündete im Silicon Valley wollen sie unbedingt verhindern. Wenn ihnen das gelingt, wiederholt sich die Geschichte, und die Digitalsteuer wird wieder auf dem Verhandlungstisch geopfert.
Verwendete Quellen:
- spiegel.de: Mit der Steuerkeule gegen Trumps Zollhammer
- t-online.de: "Die Milliardäre sollen zahlen – auch wenn sie in Kalifornien sitzen"
- zdf.de: Kommt die Digitalsteuer für Tech-Giganten?
- netzpolitik.org: Wie Deutschland die EU-Digitalsteuer mitverhinderte
- dpa
- afp