Vor wenigen Tagen wurde das Todesurteil gegen einen Deutschen in Belarus bekannt. Wer ist Rico K., was wird dem 30-Jährigen vorgeworfen – und was will Belarus mit diesem Urteil bezwecken? Ein Überblick über den aktuellen Erkenntnisstand.

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Ein Deutscher namens Rico K. ist in Belarus zum Tode verurteilt worden. Das Urteil soll bereits am 21. Juni in Minsk gesprochen worden sein, doch erst jetzt – über einen Monat später – ist der Vorfall an die Öffentlichkeit gelangt.

Wer ist der zum Tode verurteilte Deutsche?

Doch wer ist Rico K.? Und wieso wurde er in Belarus vom Tode verurteilt?

Dem früheren Rettungshelfer des Deutschen Roten Kreuzes werden Söldnertum, Spionage, Terrorismus, Gründung einer extremistischen Vereinigung, Zerstörung eines Verkehrsobjekts sowie illegaler Umgang mit Waffen, Sprengstoff und Munition vorgeworfen, berichtet die im Exil arbeitende Menschenrechtsgruppe Wjasna. Die Verurteilung hängt demnach mit dem Kastus-Kalinouski-Regiment zusammen – einer Vereinigung von belarussischen Bürgern, die an der Seite der Ukraine gegen die russische Armee kämpfen.

Laut der Organisation sei derzeit noch unklar, ob gegen das Urteil Berufung eingelegt wurde oder es schon in Kraft getreten ist.

"Ich bekenne mich schuldig, definitiv."

Rico K. im belarussischen Staatsfernsehen

Belarus führt Rico K. öffentlich vor

In einem am Donnerstag vom belarussischen Staatsfernsehen ausgestrahlten Video bittet Rico K. Machthaber Alexander Lukaschenko nun öffentlich um Gnade. Die deutsche Regierung tue nichts für seine Rettung, sagt der Deutsche: "Ich bekenne mich schuldig, definitiv."

Nur die eigene Familie kämpfe noch um sein Leben, von offizieller Seite setze sich niemand für ihn ein, klagt der 30-Jährige in dem Video. "Noch lebe ich, noch hat man die Zeit zu verhandeln, noch ist es nicht zu spät", fleht er. "Die Regierung sollte um mich kämpfen."

"Ich kann nur hoffen, dass der Präsident dieses Landes, Herr Lukaschenko, mir verzeiht."

Rico K. im belarussischen Staatsfernsehen

Der Verurteilte bittet in dem offensichtlich von der belarussischen Führung lancierten Video unter Tränen darum, seine Tochter, seine Freundin und seinen Vater wiedersehen zu können.

Immer wieder betont er, dass er den größten Fehler seines Lebens gemacht habe. "Ich bereue jede einzelne Sekunde." Seine letzte Hoffnung sei eine Begnadigung durch Lukaschenko, der als letzter Diktator Europas gilt und auch schon Todesurteile gegen Ausländer vollstrecken ließ. "Ich kann nur hoffen, dass der Präsident dieses Landes, Herr Lukaschenko, mir verzeiht", sagt er.

Wie kam Rico K. nach Belarus?

In den veröffentlichten Fernsehaufnahmen erklärt der 30-Jährige außerdem, er sei im Oktober vergangenen Jahres vom ukrainischen Geheimdienst SBU als Söldner angeworben und beauftragt worden, Militärstandorte in Belarus zu fotografieren. Zudem habe er auf dessen Befehl hin einen Sprengsatz auf einer Eisenbahnstrecke in der Nähe von Minsk platziert.

Er bedaure zutiefst, was er getan habe, und sei erleichtert, dass es bei der Detonation keine Opfer gegeben habe.

Dem Auswärtigen Amt zufolge gibt es erhebliche Fragen, unter welchen Umständen das Video zustande gekommen ist.

Berlin besorgt über Schicksal des verurteilten Deutschen

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte in Berlin, es sei "in Belarus wohl leider gängige Praxis, Menschen entsprechend auch in Videos oder im Fernsehen vorzuführen". Sie könne nur an die Regierung in Minsk appellieren, "so etwas zu unterlassen".

Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann betonte, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei "wie die ganze Bundesregierung besorgt über die Vorgänge".

Lässt sich Deutschland auf Verhandlungen ein?

Das Außenministerium in Minsk hatte mitgeteilt, Berlin bereits Vorschläge zur Lösung der Situation unterbreitet zu haben. Details dazu gab es nicht.

Spekuliert wurde, dass das mit Russland verbündete Belarus es auf einen Gefangenenaustausch abgesehen haben könnte. So ist Kremlchef Wladimir Putin an der Rückholung eines Russen interessiert, der in Deutschland wegen des Mordes im Berliner Tiergarten im Auftrag russischer Behörden verurteilt wurde.

Auch ZDF-Korrespondent Armin Coerper ist davon überzeugt, dass Rico K. als "wichtiges Faustpfand" genutzt wird, das Putin in Verhandlungen mit Deutschland einsetzen will. "Die Rede ist in unabhängigen russischen Medien von einem groß angelegten Austausch mit in Deutschland oder in Europa einsitzenden Russen", berichtet Coerper aus Moskau.

Über 400 Hinrichtungen in Belarus seit 1990

Belarus wird seit 1994 von Machthaber Lukaschenko mit harter Hand regiert, der ist ein enger Verbündeter von Kremlchef Wladimir Putin. Es ist das einzige europäische Land, in dem die Todesstrafe noch verhängt und vollstreckt wird – meist per Genickschuss.

Laut Amnesty International wurden seit Anfang der 1990er-Jahre bis zu 400 Menschen hingerichtet, allerdings nur selten ausländische Staatsbürger.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wurden zahlreiche Menschen in Russland und Belarus wegen des Vorwurfs festgenommen, ukrainische Agenten oder von Kiew bezahlte Saboteure zu sein.

Verwendete Quellen

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