Christian Kern gibt sich in seinem ersten ORF-Sommergespräch besonnen und charmant. Zu den großen Herausforderungen wie Arbeitslosigkeit und Migration äußert er sich sehr allgemein. Die ganz großen Ideen hat auch er nicht parat.
Nach exakt 111 Tagen als Bundeskanzler stellt sich Christin
Anschließend geht es um die Themenblöcke Wirtschaft und Migration, bei welchen er sehr allgemein bleibt. Man müsse Investitionsanreize für die Wirtschaft schaffen, die Kaufkraft der Konsumenten stärken und kleinere Steuersenkungen vornehmen. Für die Migranten gehe es darum, die Sprache zu lernen und sich unserer Kultur anzupassen.
Konkreter wird Christian Kern ab der Mitte des Gesprächs. Bis 2020 soll in Österreich die Vollbeschäftigung erreicht sein. Bezüglich der Flüchtlingswelle stehe der Zusammenhalt unserer Gesellschaft auf dem Spiel, zum Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei stehe er: "Ich halte es für die richtige Position. Seit Jahren erleben wir, dass sich dort die Menschenrechte verschlechtern." Und dem Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) steht er sehr skeptisch gegenüber.
Worum geht es Christian Kern?
In erster Linie vermeidet es der Bundeskanzler den Koalitionspartner schlecht zu machen. In seinem ersten großen Live-Interview verzichtet er auf Angriffe gegen die ÖVP. Er versteht, dass die Bürgerinnen und Bürger keine weiteren Konflikte mehr wollen. Er möchte vermitteln, dass es ihm tatsächlich darum gehe, große Reformen anzupacken. Wie genau das funktionieren soll, dafür bleibt er eine Erklärung schuldig.
Dennoch, es gelingt ihm gut, glaubhaft zu machen, dass er weniger machtbesessen ist als viele seiner Kollegen. Dafür spricht etwa, dass er ohne Umschweife auch in der Opposition SPÖ-Chef bleiben würde. Kern wirkt trotz seines Verdienstes, seiner ehemaligen Machtposition in der Wirtschaft und der jetzigen in der Politik bodenständig. Er will vor allem als Nachfolger von Werner Faymann wieder die Sympathien der Wählerinnen und Wähler gewinnen.
Dialog des Abends
Es gibt keinen Dialog der besonders hervorsticht. Generell fällt auf, dass Christian Kern im Vergleich zu vielen Kollegen aus der Politik auf eine besondere Dialog-Kultur zurückgreift. Wenn ihn Susanne Schnabl oder Personen in den Einspielern des ORF angreifen, so gibt er ihnen trotzdem in jeder seiner Antworten zu einem bestimmten Teil Recht. Er macht viele Zugeständnisse, was ihn charakterstark und einsichtig erscheinen lässt.
Drei seiner Wähler werden in einem kurzen Beitrag vorgestellt. Ein Student, ein Pensionist und eine Pädagogin. "Nur eine Person glaubt, Sie können die SPÖ retten, welche?", fragt Schnabl. Kern verzichtet - wie des öfteren im Gespräch - auf ausweichende Antworten. Er tippt auf den Studenten, behält recht und meint mit einem Lachen im Gesicht: "Wenn Sie mir die Nummer der beiden anderen geben, versuche ich mein Bestes, um sie zu gewinnen."
Größter Aufreger
Fehlanzeige. Susanne Schnabl und Christian Kern führen ein kultiviertes Gespräch auf Augenhöhe. Von einem Eklat, auch einem kleineren, ist man meilenweit entfernt. Ebenso inhaltlich gibt es nichts, was irgendjemanden besonders überrascht oder aufgeregt hätte.
Wie schlägt sich Susanne Schnabl?
Nicht schlecht. Das Interview wird prinzipiell von gegenseitiger Wertschätzung getragen. Vorwerfen könnte man der ORF-Journalistin am ehesten, dass sie zu wenig kritisch gegenüber Kern agiert. Eine Frage dazu, dass er als Kanzler eigentlich nicht direkt demokratisch legitimiert, sondern von der SPÖ installiert wurde, bleibt völlig aus.
Es hätte auch andere Angriffspunkte gegeben. Kern ist jedoch ein charmanter Gesprächspartner und schafft es dadurch womöglich verbale Härte – wie sie in anderen Diskussionen vorkommt – zu vermeiden.
Das Wesentliche des Sommergesprächs
Christian Kern spricht viele eigentlich ÖVP-typische Themen an. Das Ziel sei Vollbeschäftigung. Funktionieren soll das über eine Stärkung der Konjunktur auf der einen und eine Bekämpfung der strukturellen Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite. Die Ausbildungspflicht soll zukünftig bis 25 Jahre ausgedehnt werden.
Die FPÖ sieht er nicht als künftigen Partner der SPÖ, auch wenn es beispielsweise im Burgenland und in Gemeinden eine derartige Zusammenarbeit gibt. Konkretes zur "Notverordnung", wenn die 37.500 Asylwerber an Österreichs Grenzen erreicht seien, lässt er vermissen. Bezüglich der ausstehenden Zustimmung Ungarns, Asylwerber wieder zurückzunehmen, spricht Kern von einer möglichen Grenzpatrouille auf ungarischer Seite. Gemeinsam mit österreichischen Polizisten und Bundesheersoldaten.
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