Christian Kern ist ab sofort offiziell Österreichs Bundeskanzler, spart in seiner ersten Pressekonferenz nicht mit kritischen Worten und macht seine Ziele für die kommenden Monate deutlich.
Bundespräsident Heinz Fischer hat
Pressekonferenz mit harschen Worten
Seinen ersten Auftritt hatte der designierte SPÖ-Chef schon am Nachmittag. Und was für eine erste Pressekonferenz von Christian Kern! Ihm sei es so gegangen wie anderen Bürgern: Er habe die politischen Floskeln der Regierung - etwa, dass man sich "in den Gremien beraten" müsse - "einfach nicht mehr hören können", sagt er vor Journalisten.
Das sei auch der Grund, weshalb er sich für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt habe. Er wolle seine Chance nutzen, "das Land wieder stark und zum europäischen Vorbild" zu machen.
Kern: "Schauspiel der Machtversessenheit"
Kern spart bei der Pressekonferenz nicht mit markigen Sagern, spricht in Bezug auf die Kabbeleien der vergangenen Monate von einem "Schauspiel der Machtversessenheit und der Zukunftsvergessenheit". Er habe nicht vor, im selben Tenor weiterzumachen, bis die Zustimmung der Bürger "restlos verbraucht" sei.
Mit politischen Ritualen und der Sprache sei er nicht bis ins Detail vertraut, kokettiert Kern, um den von einigen Medien hochstilisierten Kern-Zeiler-Plan, Werner Faymann zu stürzen, wenig später als "House of Cards für Arme" zu brandmarken.
In den österreichischen Zitateschatz eingehen dürfte der Satz: "Als Bahnchef ist man geeicht, was pararationale Diskussionen betrifft."
Inhaltlich will Kern in den kommenden Monaten mehrere Punkte angehen:
- Die politische Stilfrage - "in der Regierung, aber auch im eigenen politischen Freundeskreis": Es ergebe keinen Sinn, "dem anderen keinen Millimeter Erfolg zu gönnen" und nicht für eine sinnvolle Diskussion zu sorgen.
- Die Hoffnung nähren und nicht die Sorgen und Ängste: Ziel sei es, die schlechte Stimmung im Land zu drehen. Diese sei die größte Wachstumsbremse. Vorrangig will Kern "reale Politikvorschläge, Einkommen, von denen man leben kann", und ein funktionierendes Bildungssystem.
- Österreich zukunftsfit machen: Ein Plan für 2020 ist dem neuen Bundeskanzler zu wenig. Das Land soll 2025 "wieder auf die Überholspur" kommen. Man müsse diskutieren: "In welcher Art von Gesellschaft, in welcher Art von Wirtschaft wollen wir leben?"
- Die ÖVP als Koalitionspartner behalten: Kern spricht sich gegen Neuwahlen aus. Die SPÖ wolle gemeinsam mit der ÖVP bis 2018 weiterregieren und er habe volles Vertrauen in Vizekanzler
Reinhold Mitterlehner , "dass der das ebenfalls so sieht".
In der Flüchtlingsfrage will Kern Menschlichkeit und den Wunsch nach Sicherheit und Ordnung zusammenbringen. "Wir werden mit größtem Augenmaß überlegen, welche Maßnahmen wir brauchen", sagte Kern im Hinblick auf die kürzlich geschaffene gesetzliche Möglichkeit, bei großer Zuwanderung den "Notstand" zu erklären.
Wie hält es Kern mit der FPÖ?
Sein Plan sei es, die SPÖ nicht in die Mitte, sondern in die Breite zu führen, sagt Kern. Man müsse "wieder anschlussfähig werden gegenüber bestimmten Zielgruppen".
Ganz so kategorisch wie einige Parteikollegen schließt Kern eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen nicht aus. Auf eine mögliche Koalition mit der FPÖ angesprochen, verweist Kern auf einen Kriterienkatalog, der Koalitionsbedingungen festschreiben solle - und noch erarbeitet werden müsse.
Allerdings betont Kern: "Wir arbeiten nicht mit Parteien zusammen, die gegen Menschen und Minderheiten hetzen. Punkt."
Grundsätze vor Machterhalt
Gleichzeitig stellt er klar, dass er die Koalition mit der ÖVP nicht um jeden Preis aufrechterhalten wolle. "Aus meiner Sicht ist sonnenklar, dass Grundsätze vor reinem Machterhalt stehen."
Vizekanzler Mitterlehner schreibt in einer ersten Reaktion auf Facebook, er setze auf eine gute Zusammenarbeit mit dem umgebildeten SPÖ-Regierungsteam. Man müsse "neue Akzente setzen und für das Land gemeinsam etwas weiterbringen, dann können beide Partner profitieren".
Das neue Regierungsteam
Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser kümmert sich ab sofort um die Frauenagenden, die bisher im Ressort von Gabriele Heinisch-Hosek gebündelt waren. Das Bildungsministerium übernimmt Sonja Hammerschmid, die Vorsitzende der Rektoren-Konferenz. Heinisch-Hosek kehrt zurück in den Nationalrat.
Thomas Drozda, Generaldirektor der Vereinigten Bühnen, löst Josef Ostermayer als Kanzleramtsminister ab und soll sich künftig unter anderem um die Kulturagenden kümmern.
Der langjährige EU-Parlamentarier und bisherige steirische Verkehrslandesrat Jörg Leichtfried übernimmt das Infrastrukturministerium von Gerald Klug. Auch im Staatssekretariat gibt es einen Wechsel: Die Juristin und Wiener Landtagsabgeordnete Muna Duzdar ersetzt Sonja Steßl.
Sozialminister Alois Stöger und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil behalten ihre Ressorts.
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