Ist der Kern-Effekt tatsächlich schon verpufft, wie Kritiker behaupten? Ganz so ist es nicht: Zumindest was die eigene Partei betrifft, ist das Vertrauen in den neuen Mann fast grenzenlos.

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96,8 Prozent stimmten beim Bundesparteitag der SPÖ vergangenen Sonntag für Christian Kern. Mit solchen Vorschusslorbeeren ausgestattet, gilt es nun, die Bevölkerung zu überzeugen, dass der 50-Jährige der richtige Mann an der Spitze ist.

Baustellen gibt es in in Österreich, das einst als Insel der Seligen galt, zu genüge. Die Arbeitslosigkeit ist mit 9,1 Prozent auf einem neuen Rekordhoch und das Wirtschaftswachstum nicht besser als das der Griechen. Hinzu kommt, dass die Integration der 110.000 Flüchtlinge eine große Herausforderung darstellt. Wie kann das bewältigt werden?

Schaffung von Arbeitsplätzen

Kerns Ziel ist es, in den kommenden Monaten einen Plan aufzustellen, der die 8,7 Millionen-Einwohner-Nation bis 2025 wieder auf Vordermann bringt. Einen Schwerpunkt bildet die Schaffung neuer Arbeitsplätze in Verbindung mit einer Ankurbelung der Wirtschaft.

Der Kanzler spricht von einem "New Deal", der vor allem den Optimismus von Vorarlberg bis ins Burgenland wieder steigern soll. "Die größte Wachstumsbremse ist die schlechte Laune", hatte Kern in seiner Antrittsrede betont.

Für ihn das beste Beispiel ist die Entwicklung des Smartphones, das zum Inbegriff marktwirtschaftlicher Innovationskraft geworden ist: Erst durch staatliche Förderungen wurde es auf den Weg gebracht.

Der Kanzler verknüpft damit eine ganz bestimmte Vorstellung: die eines Staates, der einen konsequenten Plan hat, in welchen Sektoren er wirklich gut werden will - und der dort ohne Kompromisse investiert und Impulse gibt. Auf diese Weise könne der öffentliche Sektor zum Wachstum beitragen.

Dazu ist der Kanzler sogar bereit, die Maastricht-Kriterien aufzuweichen und beispielsweise eine höhere Staatsverschuldung in Kauf zu nehmen, als sie die EU für ihre Mitgliedsstaaten vorsieht.

Nicht alles auf Kurs

Arbeitsplätze sind das eine, höhere Löhne das andere. Tatsache ist, dass die Abgabenquote in Österreich zu den höchsten in Europa zählt. Doch der Sozialstaat muss finanziert werden, zumal die Ausgaben jährlich steigen. Zumal es an Reformbereitschaft bisher an allen Ecken und Enden fehlte.

Und mit dem Regierungspartner ÖVP über (neue) Steuern zu reden, heißt aktuell, sich die Zähne auszubeißen. Der Neo-Politiker erfuhr rasch, dass im Hohen Haus nicht alles so verläuft wie bei den ÖBB, die Kern in den vergangenen Jahren auf Kurs brachte. "Ich habe in den letzten fünf Wochen sehr gut verstanden, wie schwierig es ist, in dieser Position Fortschritte für das Land zu erreichen", klagt der Kanzler.

"Dringender Bedarf, etwas zu tun"

Dennoch lässt er sich von der Idee einer Maschinensteuer oder Wertschöpfungsabgabe, die bei der ÖVP die Wellen hohe Wellen schlugen, nicht abbringen. Kern bekräftigt, damit nicht die Wirtschaft schädigen zu wollen, sondern vielmehr für die zukünftigen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarktsektor gewappnet zu sein.

"Was wir heute an digitalen Investitionen erleben, wird in vielen Bereichen klassische Lohnarbeit kosten. Aber seit Bismarck vor 150 Jahren sind die ganzen sozialen Absicherungssysteme auf Löhne abgestellt. Da haben wir dringend Bedarf, etwas zu tun", sagt Kern.

Was so viel heißt, dass Unternehmen, die viel Personal benötigen, weniger Abgaben zahlen sollen, und jene, die kaum menschliche Arbeitskraft brauchen, einen höheren Steuerbeitrag leisten sollen. Auch eine Erhöhung der Vermögenssteuern ist angedacht.

Für Kern ist das nicht mehr als Steuergerechtigkeit. Der Koalitionspartner sieht das freilich aus einem anderen Blickwinkel und fürchtet eine weitere Abwanderung von Unternehmen.

Regierungsparteien kämen aktuell auf 46 Prozent

Noch ist Österreich weit von besseren Zeiten entfernt. Auch das Vertrauen in die Regierungsparteien ist in der Bevölkerung nach wie vor gering. Wären jetzt Wahlen, kämen Umfragen zufolge die SPÖ und ÖVP zusammen gerade einmal auf 46 Prozent der Stimmen und bräuchten damit einen dritten Koalitionspartner, um zu regieren.

Ob sich daran etwas ändern wird, hängt davon ab, ob Rot und Schwarz einen Konsens in den entscheidenden Fragen finden – und nicht nur aus Angst vor einem Wahlsieg der FPÖ aneinander gekettet bleiben, wie das unter Kerns Vorgänger Werner Faymann der Fall war.

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