Das Rennen um den Chefposten bei der CDU dürfte sich zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz entscheiden. Für sie spricht die große Zustimmung der Bevölkerung - für ihn das Wahlsystem.

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Zum ersten Mal seit 1971 hat die CDU eine echte Wahl: Beim Parteitag in Hamburg müssen sich 1.001 Delegierte für die oder den neuen Vorsitzenden entscheiden.

Enthält keiner von ihnen im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit, kommt es zur Stichwahl zwischen den beiden ersten. Wie stehen die Chancen der drei Bewerber?

Jens Spahn

Was für ihn spricht

Der 38-Jährige hat sich in den vergangenen Jahren als Kritiker der Kanzlerin profiliert - er verkörpert den Wunsch vieler CDU-Mitglieder nach einer Besinnung auf konservative Standpunkte.

Als Gesundheitsminister hat Spahn zudem mit einer Reihe von Initiativen auf sich aufmerksam gemacht. Zum Beispiel zur Neuregelung der Organspende.

Was gegen ihn spricht

"Sein größtes Handicap ist, dass er gerade den älteren Mitgliedern noch zu jung erscheint", sagt Oskar Niedermayer, emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, im Gespräch mit unserer Redaktion. Hinzu kommt, dass die Distanz zur Kanzlerin kein Alleinstellungsmerkmal mehr ist.

Mit Friedrich Merz hat er einen Konkurrenten, der ebenfalls den konservativen Flügel bedient. Im Dreier-Rennen um den Vorsitz gilt Spahn als Außenseiter.

Bleibt die Frage: Warum steigt er nicht aus?

"Sich zurückzuziehen, entspricht wahrscheinlich nicht seinem Naturell", sagt Niedermayer. "Er würde sich auch nicht unbedingt für höhere Aufgaben qualifizieren, wenn er jetzt aufgibt."

Chancen

Gering. Im ZDF-Politbarometer sprachen sich nur sechs Prozent der Befragten für ihn als Parteichef aus.

Möglicherweise wird Spahn aber eine Schlüsselrolle zukommen: Wenn es zur Stichwahl zwischen seinen Konkurrenten kommt, könnte eine Wahlempfehlung von ihm entscheidend sein.

Annegret Kramp-Karrenbauer

Was für sie spricht

Kramp-Karrenbauer kenne die CDU besser als ihr Hauptkonkurrent Friedrich Merz, sagt Oskar Niedermayer.

"Sie vermeidet Fettnäpfchen und streichelt permanent die Seele der Partei." Die Saarländerin gilt als Sozialpolitikerin, gesellschaftspolitisch bezeichnet sie sich selbst als konservativ.

In einem Interview mit dem "Münchner Merkur" forderte sie gerade eine Verschärfung der Asylpolitik. "Sie ist vielleicht die Kandidatin, die am ehesten die ganze Partei mitnehmen kann", sagt Niedermayer.

Mit der Frauen-Union hat sich eine wichtige Gruppierung für "AKK" ausgesprochen. Und wenn ganz Deutschland abstimmen dürfte, würde sie laut ZDF-Politbarometer auf dem ersten Platz landen.

"Die Medienberichterstattung über die Chancen der Kandidaten bei der Bevölkerung hat Einfluss auf die Delegierten", erklärt Niedermayer.

"Sie orientieren sich bei ihrer Entscheidung ja auch an der Frage, wem sie am ehesten zutrauen, Bundeskanzler zu werden."

Was gegen sie spricht

Auch wenn sich AKK spürbar um Distanz zur Kanzlerin bemüht: Unter den drei Bewerbern steht sie am ehesten für eine Fortsetzung ihrer Politik.

"Von Anfang an bestand die Gefahr, dass sie zu sehr als Merkel-Anhängerin wahrgenommen wird", sagt Oskar Niedermayer. Zudem entscheidet nicht das deutsche Volk, sondern die CDU-Delegierten über den Vorsitz.

Chancen

AKK ist eine der beiden Favoriten. Kramp-Karrenbauer hat gute Chancen, dort im ersten Wahlgang die meisten Stimmen zu bekommen.

Dass sie in der ersten Runde mehr als 50 Prozent erhält, ist nach Niedermayers Einschätzung aber eher unwahrscheinlich. Und eine Stichwahl zwischen ihr und Merz dürfte spannend werden.

Friedrich Merz

Was für ihn spricht

Der frühere Fraktionschef kann damit werben, reichlich Erfahrung außerhalb der Politik gesammelt zu haben. "Seine Wirtschaftskompetenz nimmt Merz jeder ab", sagt Oskar Niedermayer. "Im gesellschaftlichen Bereich präsentiert er sich als Konservativer - ohne die Zeit zurückdrehen zu wollen, wie ihm einige vorwerfen."

In der Partei kommt das an: In den großen Landesverbänden Baden-Württemberg und Hessen gebe es eine leichte Präferenz für Merz, schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Auch die CDU-Mittelstandsvereinigung hat sich für den Sauerländer ausgesprochen.

Hinzu kommt eine Umfrage der "Bild am Sonntag": Die hatte bei Hunderten CDU-Delegierten abgefragt, wen sie wählen wollen. Merz lag dabei vorne. Zudem gelte er als guter Redner, der die Stimmung auf einem Parteitag drehen kann, sagt Oskar Niedermayer.

Was gegen ihn spricht

Gefährlich könne Merz vor allem die Diskussion um seine eigene wirtschaftliche Situation werden, so Niedermayer: "Viele fragen sich, ob er sich als Millionär glaubhaft in die Lage der kleinen Leute hineinversetzen kann. Merz hat bei dieser Frage auch nicht besonders glücklich agiert."

Auch neue Enthüllungen zum gigantischen Cum-Ex-Skandal könnten ihn noch durch seine Tätigkeiten bei Blackrock, der Privatbank HSBC Trinkaus sowie der Anwalts-Kanzlei Mayer Brown in Erklärungsnot bringen.

Die Namen aller drei Unternehmen fielen im Kontext der Cum-Ex-Geschäfte.

Chancen

Merz ist neben AKK der Favorit. Falls es zu einer Stichwahl kommt, dürfte er gute Chancen haben - falls er die Anhänger Spahns auf seine Seite zieht.

Insgesamt sei das Rennen vor allem zwischen Kramp-Karrenbauer und Merz offen, sagt Oskar Niedermayer. "Man darf nicht vergessen: Nur wenige Gruppierungen innerhalb der Partei und keiner der großen Landesverbände haben bisher eine Empfehlung ausgesprochen. Es wird auch auf die Tagesform ankommen - also auf die Reden der Kandidaten."


Verwendete Quellen:

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