Michael Spindelegger ist freiwillig seinen Offizierstitel los - aus gutem Grund: Der ehemalige ÖVP-Vizekanzler stellt sich gegen den Kurs der Offiziersgesellschaft im aktuellen Streit um die Miliz des österreichischen Bundesheers. Die Fronten scheinen verhärtet.
Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) ist aus der Österreichischen Offiziersgesellschaft (ÖOG) ausgetreten - aus Protest. Das melden die "Salzburger Nachrichten" (SN) in ihrer Printausgabe vom Freitag.
Spindelegger stellt sich mit dem Schritt gegen den Kurs von ÖOG-Präsident Erich Cibulka in der Bundesheer-Debatte. "Das findet nicht meine Zustimmung", wird er von den SN zitiert. "Da ich den Eindruck gewinnen musste, dass hier mehr persönliche Interessen im Vordergrund stehen und nicht die Stärkung des verfassungsmäßig verankerten Milizsystems, ziehe ich meine Konsequenzen." Es ist Spindeleggers erste innenpolitische Handlung seit seinem Rücktritt.
Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) hatte Ende März seine Pläne für das Bundesheer vorgestellt. Die Kasernen Tamsweg und Horn werden demnach - wenn auch mit Verspätung - nun doch geschlossen. Klug besetzte mit Erwin Hametseder den seit 2013 vakanten Posten des Milizbeauftragten und gab bekannt, dass das Pilotprojekt "Freiwilligenmiliz" nach Kritik des Rechnungshofs nicht weitergeführt werde.
Gerald Klug will Miliz aufwerten
Klug will die Miliz in drei Phasen stärken: In einer ersten Phase sollen bis 2018 zusätzlich rund 5.000 Milizsoldaten beordert werden. Dazu kommen zwölf neue Jägerkompanien. Auch die bestehenden Verbände will der Minister "deutlich" aufstocken.
In einer zweiten und dritten Phase kommen demnach zusätzliche 28 Kompanien, also rund 4.000 Milizsoldaten, dazu. "Die Miliz wird auch besser ausgerüstet sein", betonte der Verteidigungsminister.
Die ÖOG kritisierte Pläne und Qualität des Milizsystems: Es befinde sich in einem "desolaten Zustand". Zwar arbeite die Politik seit 2013 an einer Neuausrichtung, dennoch werde das Milizsystem "seit Jahren ausgehöhlt und untergraben".
"Meilenweit von Vorgaben entfernt"
Das neue Konzept für ein Milizsystem bezeichnete ÖOG-Präsident Erich Cibulka als "unzureichend". Es mangle an weiterer moderner Ausrüstung, Bewaffnung und insbesondere Fahrzeugen und Funkgeräten, weshalb von derzeit zehn Bataillonen der Miliz nur maximal zwei gleichzeitig eingesetzt werden könnten. "Damit sind wir meilenweit von der Vorgabe der Sicherheitsstrategie entfernt, dass Österreich 55.000 Soldaten aufbieten können soll", sagte Cibulka.
Die ÖVP macht sich indes "große Sorgen, dass das Bundesheer langsam aber sicher an die Wand gefahren wird", sagte Wehrsprecher Bernd Schönegger (ÖVP) der APA. Er habe den Eindruck, "dass die Ressortführung nichts unternimmt, damit das Bundesheer attraktiv ist". SPÖ-Sicherheitssprecher Otto Pendl konterte, die Kritik des Koalitionspartners sei "aus der Luft gegriffen und kontraproduktiv". Verteidigungsminister und Bundesheer seien bemüht, unter schwierigsten finanziellen Rahmenbedingungen Reformen umzusetzen.
Während der Grüne Peter Pilz das Bundesheer "mit Eurofightern, Kampfpanzern, leerstehenden Kasernen und Wehrpflicht" als "Zentrum der Budgetverschwendung" bezeichnet, sehen die NEOS das Heer "bald völlig handlungsunfähig". "Wenn wir jetzt das Bundesheer nicht mit einem langfristig gesicherten Budgetrahmen ausstatten, bleibt in wenigen Jahren nichts mehr für die Umsetzung der 2013 im Parlament beschlossenen Sicherheitsstrategie übrig", sagte NEOS-Wehrsprecher Christoph Vavrik. Die FPÖ fordert unterdessen eine Verjüngung des Heeres und neue Organisationspläne.
Beschwerden massiv gestiegen
Aktueller Anlass für die Kritik war die Sitzung des Landesverteidigungsausschusses am vergangenen Dienstag. Dort wurden unter anderem die Jahresberichte 2013 und 2014 der Parlamentarischen Bundesheer-Beschwerdekommission diskutiert. Die Kommission verzeichnete einen deutlichen Anstieg von 384 Beschwerden im Jahr 2013 auf über 500 im vergangenen Jahr. Am stärksten stieg die Unzufriedenheit demnach bei den Grundwehrdienern. Auch werde die Wehrdienstreform unzureichend umgesetzt.
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