Wer durch die Wiener Innenstadt schlendert oder in den Tiroler Bergen Urlaub macht bekommt den Eindruck einer prosperierenden Nation. Doch jüngste Zahlen könnten dem Image der wirtschaftlich gesunden Alpenrepublik empfindlichen Schaden zufügen. Die Große Koalition aus SPÖ und ÖVP hat vor der Wahl im September offenbar ihre Wähler getäuscht. Anders ist kaum zu erklären, dass die Parteien sich erst mit dem Versprechen von Steuersenkungen wiederwählen ließen, um nach der Wahl der erstaunten Öffentlichkeit ein offizielles Budget-Loch zu präsentieren: Der Sparbedarf liegt bis zum Jahr 2018 bei mindestens 18,44 Milliarden Euro.

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Experten sind nicht überrascht
Das Budgetloch tauchte angeblich erst beim Kassensturz in den Koalitionsverhandlungen auf. Experten hatten mit bis zu 40 Milliarden Euro Defizit gerechnet, aus Sicht der Regierung müssen bis 2018 18,44 Milliarden Euro gespart werden. "Das Budgetloch ist nicht überraschend. Wir haben schon länger davor gewarnt", zitiert "Focus.de" Margret Schratzenstaller vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung. Es erscheint wenig glaubwürdig, dass ausgerechnet die Experten der österreichischen Regierung davon nichts gewusst haben sollen.

Ruhestand mit 58Zumal die Gründe nicht schwer nachzuvollziehen sind. Wegen der lahmenden Konjunktur bewegen sich die Arbeitslosenzahlen in Österreich auf ein Rekordhoch zu. Im kommenden Jahr soll in Österreich mehr Menschen auf Arbeitssuche sein, als im Krisenjahr 2009. Zu den Problemen am Arbeitsmarkt kommt hinzu, dass viele Österreicher zu früh in den Ruhestand zu gehen. Mit 58,5 Jahren geht man in der Alpenrepublik Durchschnitt in Rente, während der Durchschnitt in Deutschland bei 61 Jahren liegt. Mit Mehrkosten von 8,7 Milliarden Euro rechnet Österreich bis 2018, sollte es der Politik nicht gelingen Anreize für eine längere Arbeitszeit zu schaffen - oder den frühen Ruhestand unattraktiver zu gestalten.Baufälliges ParlamentsgebäudeAngesichts des Defizits haben die künftigen Koalitionäre bereits von ersten Wohltaten Abstand genommen. Das sanierungsbedürftige Parlamentsgebäude soll nicht renoviert werden. Es bleibt im Inneren baufällig. Auch die geplante Anhebung der Familienbeihilfe, eine Art österreichisches Kindergeld, soll ausfallen. Ebenso wie die seit langem von Experten geforderte Steuerreform. "Wir können uns gewisse Dinge nicht leisten und haben sie daher nicht eingestellt", sagte Kanzler Werner Faymann" (SPÖ).Top-Rating trotz Milliarden-DefizitDass die Situation in Österreich trotz der besorgniserregenden Zahlen eine andere ist, als die von Griechenland oder Portugal, zeigt ein Vergleich: Die österreichische Staatsverschuldung ist mit gut 75 Prozent des Brutto-Inlandsproduktes (BIP) sogar geringer als die deutsche (2012: 81,9 Prozent). Beim Haushaltsdefizit lag Österreich in den vergangenen Jahren mit 2,5 Prozent des BIP konstant unter der erlaubten EU-Grenze von drei Prozent. Griechenland dagegen kämpft einen nahezu aussichtslosen Kampf gegen eine Staatsverschuldung von 156,9 Prozent des BIP (2012). Auch in Staaten wie Portugal 123,6 Prozent (2012) oder Italien (127,0 Prozent) ist die Situation viel angespannter als in der Alpenrepublik.Sparen auf hohem NiveauDass Österreich bei der Rating-Agentur Fitch immer noch das Top-Rating "AAA" genießt und auch bei den anderen Instituten weiterhin im oberen Bereich bewertet wird, liegt auch an einer grundsätzlich positiven Wirtschaftsprognose. Die EU-Kommission prophezeite dem Land für 2014 ein Wachstum von 1,6 Prozent.

In Österreich muss in den kommenden Jahren gespart und wichtige Reformen sollten nicht länger aufgeschoben werden. Aber auch wenn die Österreicher jetzt Einschnitte befürchten: Gemessen an den europäischen Krisenstaaten bewegt sich das Sparen immer noch auf einem sehr hohen Niveau. Es kommt eben immer auf den Blickwinkel an.

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