21 Prozent der Österreicher wünschen sich eine Neuauflage der Koalition von ÖVP und FPÖ. Die einst umstrittene Regierung brachte Reformen auf den Weg. Doch im Nachhinein prägend waren Karl-Heinz Grassers Skandale und das giftige Erbe der Hypo.

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Das Bild im blauen Porsche ging um die Welt. Am Steuer saß Jörg Haider, daneben der von ihm inthronisierte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP). Beide lachten siegessicher in die Kamera. Das Foto entstand im Frühling 2000 in Kärnten, wo Haider als Landeshauptmann regierte.

350 Kilometer entfernt, in Wien, demonstrierten derweil Zehntausende gegen die neue schwarz-blaue Koalition. Dass eine rechtspopulistische Partei mitregierte, war um die Jahrtausendwende ein Tabubruch, der international Wellen schlug. Die Staatschefs der anderen EU-Länder distanzierten sich und verhängten diplomatische Sanktionen.


16 Jahre später sitzen Parteien wie die FPÖ in vielen Ländern am Ruder. In Ungarn und Polen stellen die Rechtspopulisten die Regierung, in Frankreich könnte Marine Le Pen Nummer eins werden, Donald Trump hat zumindest eine geringe Chance, die Präsidentschaftswahl in den USA für sich zu entscheiden.

Eine Neuauflage von Schwarz-Blau in Österreich würde heute im Ausland bloß Achselzucken hervorrufen. In Österreich steigt indes der Druck: Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Unique research für das Nachrichtenmagazin "Profil" wünschen sich 21 Prozent eine Regierung aus ÖVP und FPÖ.

Alle anderen Konstellationen sind unbeliebter, die aktuell regierende große Koalition kommt nur noch auf elf Prozent Zustimmung.

Viel Schall und Rauch

Sechs Jahre lang – von 2000 bis 2006 – regierte Schüssel mit der FPÖ. Sieht man vom politischen Tabubruch ab, ist die Bilanz von Schwarz-Blau durchwachsen.

Selbst Kritiker gestehen dem Altkanzler zu, dass er in dieser Zeit wichtige Neuerungen angestoßen hat. Auf der Habenseite von Schwarz-Blau steht die Reform des Pensionssystems und überfällige Kürzungen bei den Staatsausgaben.

Einmal schaffte der junge Finanzminister Karl-Heinz Grasser zumindest am Papier ein Nulldefizit – wenn auch mit allerhand buchhalterischen Tricks. Grasser glänzte als Minister mit PR-trächtigen Erfolgen. Dass Manches nur Schall und Rauch war, zeigte sich erst später.

Korruptionsskandale en masse

Grasser steht auch für das verhängnisvollste Erbe von Schwarz-Blau: zahlreiche Korruptionsskandale. Seit Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft in mehreren Fällen gegen den einstigen politischen Shootingstar und seine dubiosen Freunde wie Walter Meischberger oder Peter Hochegger.


Vor allem die Causa Buwog beschäftigt die Justiz. 2004 privatisierte Grasser die einst staatliche Wohnbaugesellschaft. In einem langwierigen Bieterverfahren setzte sich am Ende überraschend die Firma Immofinanz durch.

Jahre später stellte sich heraus, dass wohl beim Bieterverfahren getrickst wurde und Grassers Spezis Meischberger und Hochegger von der Immofinanz mutmaßlich fast zehn Millionen Euro kassierten.

Welche Rolle Grasser bei dem Deal spielte, wird demnächst ein Richter klären. Die Staatsanwaltschaft hält den Ex-Finanzminister für den Mastermind.

Die Anklagebehörde wittert auch bei anderen Privatisierungen Unregelmäßigkeiten. Allerdings sind die Ermittlungsverfahren zäh. Bisher konnte man Grasser nur nachweisen, dass er ausgerechnet als Finanzminister verbotene Tricks bei seinen Steuererklärungen anwandte. Fest steht außerdem, dass er Zugriff auf Konten in Millionenhöhe hatte. Woher das Geld kam, kann er kaum schlüssig erklären.

Wer kassierte die EADS-Millionen?

Nicht nur die Tätigkeit von Finanzminister Grasser erscheint rückblickend in schiefem Licht. Auch die Entscheidung der schwarz-blauen Regierung, 2002 Eurofighter im Wert von fast zwei Milliarden Euro anzuschaffen, lässt Fragen offen.

Die Causa beschäftigte einen Untersuchungsausschuss im Parlament. Fest steht, dass FPÖ-nahe Lobbyisten von der Eurofighter-Firma EADS hohe Summen kassierten. Der Rüstungskonzern hatte nachweislich bei einer italienischen Briefkastenfirma mehr als 100 Millionen Euro deponiert, die nach Österreich fließen sollten. Wer davon profitierte, ist bis heute ungeklärt.

Milliardengrab Hypo Alpe Adria

Das schwerste Vermächtnis von Schwarz-Blau ist aber das Milliardengrab Hypo Alpe Adria (heute: Heta). Mit dem Sanktus von Kanzler Schüssel und Finanzminister Grasser gab Landeshauptmann Jörg Haider den Vorständen der damaligen Kärntner Landesbank Haftungen in zweistelliger Milliardenhöhe für hochriskante und kriminelle Geschäfte am Balkan.

Nach Haiders Tod 2008 brach das Kartenhaus zusammen, für einen Teil der Milliardenverluste müssen die österreichischen Steuerzahler aufkommen. Das Land Kärnten stand kurz vor der Pleite, die Republik büßte auf den Finanzmärkten an Bonität ein.

Damit relativiert sich auch der größte Verdienst von Schwarz-Blau. Zwar gelang es der umstrittenen Regierung, die Staatsausgaben für einige Jahre deutlich zu dämpfen, demgegenüber steht aber das vergiftete Erbe korrupter Machenschaften.



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