Es ist ein Treffen der besonders emotionalen Art: Eine seit 2020 inhaftierte belarussische Oppositionspolitikerin durfte ihren Vater treffen.

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"Unser Vater durfte Maria endlich besuchen. Ich kann es nicht glauben." Mit diesen Worten gab die Schwester der seit 2020 inhaftierten belarussischen Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa am Dienstagabend den Besuch ihres Vaters im Gefängnis bekannt. Dazu postete Tatjana Chomitsch im sozialen Netzwerk X ein Bild von dem Treffen, das Vater und Tochter in enger Umarmung zeigt. Kolesnikowa lächelt und wirkt fröhlich.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), der Chomitsch am Vortag getroffen hatte, zeigte sich auf X "sehr erleichtert". Nach 600 Tagen in Einzelhaft habe Kolesnikowa ihren Vater sehen dürfen. "Worte können die Qualen, die sie ertragen haben muss, nicht beschreiben. Die Isolation aller politischen Gefangenen muss jetzt beendet werden - sie müssen sofort und bedingungslos freigelassen werden!", forderte Schallenberg.

Aufenthalt in Wien

Sie und ihre Familie hatten zuvor zuletzt im Februar 2023 von ihrer Schwester Maria gehört, berichtete Chomitsch der APA. Die Menschenrechtsaktivistin hatte sich am Montag in Wien aufgehalten. Im Schauspielhaus wurde am Abend die Performance der belarussischen Künstlerin Martina Jakubowitsch (Maryna Yakubovich) gezeigt, die auf den Geschichten und Briefen weiblicher Gefangener basiert und die Kolesnikowa gewidmet ist.

Die 1982 geborene Künstlerin und Politikerin Kolesnikowa gehört zu den bekanntesten belarussischen Oppositionellen. Kolesnikowa bildete mit Weronika Zepkalo und Swetlana Tichanowskaja als formaler Präsidentschaftskandidatin jenes legendäre Frauentrio, das im Sommer 2020 eine äußerst erfolgreiche Wahlkampfkampagne hinlegte.

Massive Wahlfälschungen sorgten nach den Wahlen am 9. August 2020 für Massenproteste, die vom Regime des seit 1994 herrschenden Präsidenten Alexander Lukaschenko brutal niedergeschlagen wurden. Die EU-Staaten erkennen seither Lukaschenkos Legitimität nicht mehr an. Viele sehen Tichanowskaja als Siegerin des Urnengangs in der mit Russland verbündeten Ex-Sowjetrepublik.

Menschenrechtsorganisation: 1.300 politische Gefangene

Während Tichanowskaja und Zepkalo die Möglichkeit nutzten, ins Ausland zu fliehen, widersetzte sich Kolesnikowa äußerst mutig. Nachdem sie am 7. September 2020 von Vertretern des Regimes entführt worden war, vereitelte die belarussische Staatsbürgerin eine Abschiebung in die Ukraine, indem sie ihren Reisepass zerriss. Kurz danach wurde sie offiziell festgenommen und ein Jahr später für "Aufrufe zu Handlungen gegen die nationale Sicherheit" zu elf Jahren Haft verurteilt.

Laut Chomitsch wurden seit dem Sommer rund 150 politische Gefangene freigelassen. In allen Fällen hatte Lukaschenko versichert, dass sie Reue gezeigt und um Gnade gebeten hätten. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Wjasna sind aber weiterhin etwa 1.300 politische Gefangene inhaftiert. Gleichzeitig fänden wieder Verhaftungen statt.

Lukaschenko will sich demnächst wieder wählen lassen. Er hatte den Wahltermin auf den 26. Jänner 2025 vorgezogen. Beobachter gehen davon aus, dass mit der Wahl im Winter Proteste der Bevölkerung erschwert werden sollten. Chomitsch ist überzeugt, dass es diesmal keine Proteste geben werde. "Das würde nur Menschen gefährden." Auch sei es nicht notwendig. "Die Belarussen haben bereits ihre Wahl 2020 getroffen", sagt sie. "Die Perspektiven für einen Regimewechsel sind nicht so optimistisch. Deswegen denke ich, dass es in dieser Situation einen pragmatischen Zugang geben sollte", sagte sie. (APA/bearbeitet von phs)

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