Als Ministerin konnte Barbara Prammer Ende der 1990er Jahre wichtige frauenpolitische Maßnahmen umsetzen. In dieser Zeit hatte sie aber auch eine besonders schwierige Situation zu bewältigen - den Vorwurf der sexuellen Belästigung gegen ihren damaligen Ehemann Wolfgang Prammer. 2006 wurde sie Präsidentin des Nationalrates. Sie war die erste Frau in dieser Position und öffnete die Pforten des Hohen Hauses für eine breitere Bevölkerung.
Barbara Prammer starb vergangenen Samstag in ihrer Wohnung im Kreise der Familie. Zuhause wurde sie von einem Hospizteam des Allgemeinen Krankenhauses betreut. Den letzten Sitzungen vor der Sommerpause des Nationalrats musste sie krankheitsbedingt fernbleiben. In den vergangenen Wochen waren wenige Informationen zu ihren Gesundheitszustand nach außen gedrungen.
Die Angst nehmen
Politiker aller Parteien zollten Prammer großen Respekt wegen ihres offenen Umgangs mit der Krebserkrankung. Sie hatte sich Ende Oktober letzten Jahres der Wiederwahl als Nationalratspräsidentin gestellt. "Wenn es gelingt, Betroffenen und dem Umfeld die Angst zu nehmen, würde es mich sehr freuen. Ich bin aber nicht missionarisch unterwegs", meinte sie.
Die Mutter eines Sohnes und einer Tochter besuchte die Handelsakademie im oberösterreichischen Vöcklabruck. Prammer stammte aus Ottnang, einer oberösterreichischen Bergarbeitergemeinde mit sozialdemokratischer Tradition. Eine der wenigen Sehenswürdigkeiten dort stellt das Haus von Thomas Bernhard dar, in dem er die letzten Jahre vor seinem Tod verbrachte. Ottnangs Nachbarort Wolfsegg beschrieb Bernhard als "einen Hort des Stumpfsinns".
2003 sammelte ein Ottnanger Verein 280.000 Euro, um ein Gebäude zu kaufen. Es sollte verhindert werden, dass dort 40 Asylbewerber untergebracht werden. Drei Jahre später ließ der Verein das Gebäude abreißen. "Au ja", sagte Prammer in einem Interview mit dem Magazin "Datum" auf die Frage, ob sie Bernhards Heimatbeschimpfungen nachvollziehen kann. "Auch deswegen wollte ich raus", sagte sie. 1986 schloss sie das Studium der Soziologie an der Johannes-Kepler-Universität in Linz ab.
Stark im Sinne der Frauen
Prammer war unter anderem im Arbeitsmarktservice und als Frauenreferentin tätig. 1991 avancierte sie in Oberösterreich zur Landtagsabgeordneten. 1995 wurde sie Landesrätin für Wohnbau und Naturschutz - als erste Frau in einer oberösterreichischen Landesregierung. Überregional bekannt wurde Prammer erstmals durch ihr Eintreten gegen den Bau des umstrittenen Traun-Kraftwerks Lambach. 1997 schließlich holte sie der damalige Kanzler Viktor Klima als Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Konsumentenschutz in seine Regierung.
"Selbstverständlich bin ich eine Emanze", erklärte die SPÖ-Politikerin ihre Einstellung, musste aber erkennen, dass zwischen dem roten frauenpolitischen Wunschbild und der Realität eine große Lücke klaffte. Anliegen aus dem damaligen Frauenvolksbegehren wurden nicht umgesetzt. Zwei Monate nachdem sie zur Ministerin geworden war, erlebte sie eine Krise. Der Fall einer 25-jährigen Sekretärin, die behauptete von ihrem Chef belästigt worden zu sein, landete auf ihrem Schreibtisch. Der Beschuldigte war Prammers damaliger Ehemann Wolfgang, der zu dieser Zeit in der oberösterreichischen Arbeiterkammer tätig war. Die Frauenministerin stellte sich öffentlich auf die Seite der Sekretärin. "Hätte ich nicht auf der Seite der Frau gestanden, hätte ich als Frauenministerin zurücktreten müssen. Das ist vollkommen logisch", sagte sie. Wolfgang Prammer wurde schließlich von der Disziplinarkommission der Arbeiterkammer freigesprochen. Er habe nicht verstanden, dass seine Frau sich gegen ihn gestellt hatte. "Das habe ich ihm leider nicht vermitteln können", sagte Barbara Prammer dazu. 2001 trennte sich das Paar.
Erfolge
Blickt man zurück auf ihre drei Jahre als Frauenministerin stehen einige Erfolge zu Buche. Unter anderem wurde das Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie umgesetzt, zusätzliche Fördermittel für Kinderbetreuungseinrichtungen und Frauenprojekte wurden ausgeschüttet und der verschuldungsunabhängige Unterhalt beim Scheidungsrecht wurde eingeführt. Nach dem Wechsel Heinz Fischers in die Hofburg im Jahr 2004, stieg Prammer zur Zweiten Nationalratspräsidentin auf. Unterstützt durch den Wahlsieg der SPÖ im Jahr 2006 kletterte sie noch eine Stufe höher und wurde als erste Frau der Geschichte auch zur Ersten Nationalratspräsidentin in Österreich. Sie bemühte sich, das Hohe Haus durch Veranstaltungen für die breitere Bevölkerung zu öffnen. Die größte Weichenstellung der kommenden Jahre, die überfällige Sanierung und den Umbau des Parlamentsgebäudes am Ring, leitete Barbara Prammer in den letzten Jahren mit viel Mühe in die Wege.
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