Wo liegt der Schlüssel zum Sieg gegen den Islamischen Staat? Nach den Luftschlägen sieht US-Präsident Barack Obama eine neue Phase im Kampf gegen die Terrormiliz gekommen. Er will seine Truppen im Irak verdoppeln. Kämpfen sollen diese jedoch nicht, sondern ihr militärisches Know-how weitergeben. Die US-Bevölkerung indes fürchtet bereits eine "Mission Creep" - eine unkontrollierte Ausweitung der Anti-Terror-Mission.

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Seit Wochen fliegt eine Koalition rund um die USA Luftangriffe gegen die IS-Milizen. Diese seien "sehr wirksam" gewesen, beteuerte US-Präsident Barack Obama in einem TV-Interview, nun sei es an der Zeit, weiter in die Offensive zu gehen. "Was wir jetzt brauchen, sind Bodentruppen, irakische Bodentruppen, die damit beginnen, sie zurückzudrängen." Kann das funktionieren?

Als die IS-Milizen vorrückten, streckte die irakische Armee vielerorts die Waffen. Einige sunnitische Kämpfer liefen über. Sie sahen keinen Grund, ihr Leben für die damalige schiitische Regierung aufs Spiel zu setzen, die sie unterdrückte. Anfang September wurde nun eine neue irakische Regierung vereidigt. Obama nennt sie "inklusiv und glaubwürdig". Für ihn ist damit "Phase eins" im Kampf gegen den IS beendet.

Kampf gegen IS kostet mehr als acht Millionen Dollar pro Tag

In Phase zwei sollen nun bis zu 1.500 zusätzliche US-Truppen in den Irak geschickt werden. 50 davon sind bereits in der Provinz Anbar eingetroffen, wie ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums dem Sender Fox News bestätigte.

Unterstützt von einigen hundert Ausbildern der anderen Koalitionstruppen sollen diese 1.500 Soldaten zwölf irakische Brigaden ausbilden, darunter auch drei der kurdischen Peschmerga. Dafür sollen verschiedene neue Ausbildungslager im Land entstehen, unter anderem in der umkämpften Anbar-Provinz. In der Nähe von Bagdad und dem kurdischen Erbil will die USA zwei Operationszentren aufschlagen.

Für die USA bedeutet das einiges an Aufwand: Zwei Monate werden benötigt, um die Trainingslager zu errichten. Die Ausbildung selbst soll sechs bis sieben Monate dauern. 5,6 Milliarden Dollar will Obama dafür vom Kongress erbitten, 1,6 Milliarden davon sollen in das Training der irakischen Truppen fließen. Laut der New York Times kostete der Kampf gegen IS das US-Verteidigungsministerium Mitte Oktober mehr als acht Millionen Dollar pro Tag. Mit zusätzlichen Truppen vor Ort wird der Einsatz noch teurer werden – und das bei ungewissem Ausgang.

Um eine schlagkräftige irakische Armee aufzustellen, braucht es Zeit. Mit jedem Tag, der vergeht, bekommt IS wieder die Chance, neuen Boden zu gewinnen. Die Terrormiliz ist extrem gut mit Geld, Waffen und Rekruten versorgt. Zudem bezweifeln Beobachter, ob es trotz der neuen Regierung gelingen kann, eine vereinte irakische Truppe aufzustellen. "Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass in so kurzer Zeit eine integrierte, multiethnische Truppe entsteht", sagt Markus A. Kirchschlager, Junior Researcher am GIGA Institut für Nahost-Studien. "Entsteht eine schiitisch dominierte Einsatztruppe, kann das den Widerstand aufseiten des sunnitisch geprägten IS erhöhen." Zudem seien die Peschmerga, die Obama nun ebenfalls ausbilden will, militärisch weniger zuverlässig, als ursprünglich erwartet.

Barack Obama will Führungsstärke beweisen

Selbst wenn ein militärischer Erfolg gelingt, genügt das laut Kirchschlager nicht: "Die grundlegenden Strukturen, die sich in den vergangenen Jahren ausgebildet haben, werden erhalten bleiben. Eine Intervention kann nur gelingen, wenn gleichzeitig echte Beteiligungsmöglichkeiten und eine nachhaltige Perspektive für einen Großteil der mehrheitlich sunnitisch geprägten IS-Milizen geschaffen werden."

Trotz der hohen Kosten und ungewissen Erfolgsaussichten ergibt der Schritt für Obama politisch gesehen Sinn. "Das Training der irakischen Armee ist unter vielen schlechten Optionen die beste", sagt Sebastian Bruns vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel. Der US-Präsident war wegen seiner zögerlichen Außenpolitik vermehrt in die Kritik geraten – die jetzige Ankündigung ist seine Chance, Initiative zu zeigen. "Er kann beweisen, dass er keine lahme Ente ist, sondern als Oberbefehlshaber die Lage im Griff hat", sagt Bruns. Ausbilder statt Kampftruppen zu schicken, sei ein Kompromiss. "Die amerikanische Bevölkerung ist kriegsmüde." Zur Zeit hält Bruns es daher für ausgeschlossen, dass doch noch kämpfende amerikanische Bodentruppen zum Einsatz kommen.

Ob das so bleibt, ist jedoch ungewiss. In amerikanischen Medien wird bereits die Gefahr des sogenannten "Mission Creep" debattiert: Der Begriff steht für die unkontrollierte Ausweitung einer Mission – bis hin zum Abgleiten in einen Krieg.

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