Mit seiner selbst ernannten "Friedensmission" in Moskau und Peking erntet der ungarische Regierungschef Viktor Orban weiter harsche Kritik in der Europäischen Union.

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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warf Orban am Montag in Brüssel bei einem Treffen mit ihren EU-Kollegen "Egotrips" vor. Handfeste Konsequenzen muss der Ungar allerdings nicht fürchten. Selbst auf den symbolischen Boykott von Ministertreffen in Budapest können sich die Mitgliedsländer bisher nicht einigen.

Orban hatte die EU-Partner direkt zu Beginn des ungarischen Ratsvorsitzes ab dem 1. Juli mit seinen unangekündigten Reisen nach Moskau und Peking massiv verärgert. Er besuchte erst den russischen Präsidenten Wladimir Putin, dann den chinesischen Staatschef Xi Jinping und schließlich auch noch den republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump in Florida. Es fehle eigentlich nur noch Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un, spottete Luxemburgs Außenminister Xavier Bettel nun beim Außenrat in Brüssel.

Bettel betonte, Orban sei in Europa "isoliert". Auch Diplomaten sagen, die 26 anderen Mitgliedsländer stünden wie ein Block gegen die Kapriolen des Rechtspopulisten. De facto aber tut sich die Europäische Union schwer mit einer einheitlichen Haltung gegenüber dem Rechtspopulisten.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte Mitte Juli entschieden, in diesem Halbjahr keine Kommissarinnen und Kommissare mehr zu Treffen in Ungarn zu schicken. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schlug den Außenministern der Mitgliedsländer zugleich vor, einem informellen Rat in Budapest am 28. und 29. August fernzubleiben und sich stattdessen in Brüssel zu treffen. Vor allem die Baltenstaaten, Polen oder Schweden wollten laut Diplomaten vorerst keine Minister mehr nach Ungarn schicken.

Luxemburgs Chefdiplomat Bettel nannte dies dagegen "Schwachsinn". Dann werde Ungarn kurz darauf einen neuen Termin ansetzen - "und dann müssen wir wieder eine Ausrede finden, nicht nach Budapest zu fliegen", sagte Bettel. Er fahre lieber nach Budapest und sage den Ungarn seine Meinung ins Gesicht statt sich ein monatelanges "Katz-und-Maus-Spiel" zu liefern.

Baerbock reagierte in Brüssel ausweichend und sagte, die Entscheidung liege in den Händen Borrells. Die Grünen-Politikerin gilt selbst nicht als Freundin solcher Boykotts. So war sie im November anders als mehrere EU-Kollegen zu einem Treffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gereist, an dem Russlands Außenminister Sergej Lawrow teilnahm. Baerbock begründete dies mit der Notwendigkeit, Flagge zu zeigen.

Selbst in der Bundesregierung gibt es keine einheitliche Haltung zu den Boykottaufrufen: So blieb Innenministerin Nancy Faeser (SPD) einem informellen EU-Innenministertreffen in Budapest an diesem Montag fern. Auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatten Ungarn-Reisen zuvor auf den Prüfstand gestellt, Lindner warf Orban "Alleingänge" vor.

Die Slowakei nutzte das Innenministertreffen in Budapest dagegen, um Orban Rückendeckung zu geben: "Wir unterstützen Ungarn und die Friedensinitiative", sagte Innenminister Matus Sutaj Estok. Ansonsten gebe es im Ukraine-Krieg keine Bewegung.  © AFP

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